1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Der Kampf gegen die Crystalsucht

Drogen Der Kampf gegen die Crystalsucht

Vor dem Deutschen Präventionstag spricht Matthias Fricke mit Helga Meeßen-Hühne von der Landesstelle für Suchtfragen über Crystal Meth.

28.05.2016, 06:32

Volksstimme: Wie kommt es, dass die Droge Crystal Meth so auf dem Vormarsch ist?

Helga Meeßen-Hühne: Das ist ja keine neue Substanz, sie wurde schließlich schon im Zweiten Weltkrieg als Stimulanzmittel eingesetzt. Sie wird immer dort konsumiert, wo es Crystal auch im Angebot gibt. Und besonders an der tschechischen Grenze sorgen seit einigen Jahren Drogenlabore für Nachschub vor allem in den angrenzenden Bundesländern. In Sachsen-Anhalt ist vor allem der Süden stark betroffen, das bemerken wir in unseren dortigen Suchtberatungs-stellen. Die Zahl der Klienten im Land hat sich seit 2011 bis zum vergangenen Jahr versechsfacht.

Aber warum die starke Nachfrage in Sachsen-Anhalt?

Zum einen durch das vermehrte Angebot. Es hat sicher aber auch etwas damit zu tun, dass es in den neuen Bundesländern seit der Wende schon immer eine höhere Neigung zu stimulierenden Substanzen wie Amphetamin gab als in den westlichen Ländern. Dort waren eher beruhigendere Drogen wie Heroin gefragter. Diese Droge hat hier aber nie in dem Ausmaß richtig Fuß gefasst. Dafür ist der Osten auch weiterhin in der Spitzengruppe der Bundesländer mit alkoholbedingten Gesundheitsschäden.

Was ist das Gefährliche an der Droge?

Die Auswirkungen sind sehr unterschiedlich. Vor allem junge Menschen mit schwierigen Perspektiven, die wenig Gründe für sich sehen nüchtern zu sein, werden schnell von der Droge abhängig. Die zweite große Gefahr ist, dass die Auswirkungen auf den Körper maßlos unterschätzt werden. Vor allem Menschen, die Alltagsdoping betreiben, sind davon besonders betroffen. Das sind Menschen auf dem Bau, in der Gastronomie, aber auch aus Verwaltung und Management. Dieser Personenkreis wird nach unseren Erfahrungen auch leider immer größer. Auch diejenigen, die glauben die Droge im Griff zu haben, kommen irgendwann an den Punkt der Abhängigkeit und zunehmenden negativen Auswirkungen. Es bleibt ein chemischer Eingriff in den Körper, der sich zwangsläufig rächt. Dabei wird eine Leistungsfähigkeit gefordert, die der Körper normalerweise nicht leistet.

Wie können Angehörige eine Abhängigkeit bei einem Familienmitglied erkennen?

Das muss man nicht immer gleich sehen. Aber im Umgang sind die Personen gereizter, vergesslicher und unkonzentrierter. Sie verlieren oft auffällig an Gewicht, haben Schlafstörungen und leiden manchmal auch an Wahrnehmungsstörungen. Bei stark konsumierenden Abhängigen kann es zu einer negativen Veränderung der Haut und Schädigungen an den Zähnen kommen. Aber das muss eben nicht immer der Fall sein. Auch Hausärzte könnten Crystalkonsum feststellen und ihre Patienten ansprechen. Das trauen sich aber leider noch zu wenige. Dabei könnten sie den Betroffenen eine Brücke bauen, um sich zu öffnen. Wir haben deshalb ein Informationsblatt extra für Ärzte herausgegeben.

Wie hoch ist die Chance von der Droge wieder wegzukommen?

Sie besteht immer dann, wenn die Klienten subjektive Gründe haben, wieder clean zu werden. Der Ausstieg ist aber nicht einfach. Denn Crystal selbst sorgt dafür, dass der Dopaminspeicher im Gehirn leer gepumpt ist. Diese Substanz ist für die Belohnung und das Glücksgefühl zuständig. Das alles fehlt eine Zeit lang, die man erst einmal überstehen muss. Die sogenannten Alltagsdoper haben dabei sehr gute Chancen für einen Ausstieg. Abhängige mit hohem Konsum haben es aber auch nicht schwerer als andere.

Wo und wie können Betroffene Hilfe bekommen?

Man sollte sich an eine Suchtberatungsstelle im Land wenden, die gibt es in jedem Landkreis und allen kreisfreien Städten. Das passiert oft auch, wie man an dem sprunghaften Anstieg unserer Klienten-Zahlen feststellen kann. Da kann sich jeder anonym und kostenlos hinwenden. Allerdings arbeiten die Stellen inzwischen an der Kapazitätsgrenze.

In welchem Alter gibt es die meisten Crystalabhängigen?

Zu uns kommen die meisten Betroffenen als junge Erwachsene im Alter zwischen 22 und 35 Jahren. Sie gaben aber oft an, dass sie bereits als Jugendliche und Heranwachsende mit dem Konsum begonnen und erste Störungen festgestellt haben. Es dauert offensichtlich eine Weile, bis der Punkt erreicht ist, um sich Hilfe suchen. Die 1586 von uns betreuten Crystal-Klienten dürften nur die Spitze eines Eisberges sein.

Mehr Informationen finden Sie unter www.ls-suchtfragen-lsa.de