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Plätzchen Die Bäckerin heißt Wissenschaft

Weihnachten wird sich durch viele Häuser der Duft von Plätzchen ziehen. Damit das Backwerk gelingt, mischt sich die Wissenschaft ein.

Von Christian Satorius 25.12.2016, 08:22

Magdeburg l Die Tücken des Eischnees: Wenn Eischnee nicht fest werden will, kann das verschiedene Gründe haben. Vor allem die Verunreinigung des Eiweißes mit Eigelb ist bei Weihnachtsbäckern gefürchtet. Der französische Physiko-Chemiker und begeisterte Hobby-Koch Hervé This-Benckhard weiß allerdings Rat: „Eine Prise Salz erhöht die Viskosität und erleichtert so die Arbeit.“

Dennoch gibt es einen Wermutstropfen: Der Eischnee muss trotzdem sehr sehr schnell und vor allem lange aufgeschlagen werden, denn „das Cholesterin des Eidotters verbindet sich mit den hydrophoben Gruppen des Albumins im Eiweiß und hindert sie daran, an der Bildung des Eischnees teilzunehmen.“

Eine weitere Hürde kann der Zucker sein, meint Benckhard: „Da der Zucker den Proteinen das Wasser entzieht, darf er erst dann unter den Schnee gemischt werden, wenn dieser schon fest genug ist, und nicht etwa schon gleich zu Beginn.“

Kekse zerbrechen frühzeitig: Die Physiker Ricky Wildmann und Qualem Saleem von der britischen Universität Loughborough in Leicester haben den Herstellungsprozess von Weihnachtsplätzchen genau erforscht. Mit speziellen Lasern konnten sie Verspannungen in der Struktur der Kekse ausfindig machen, die das vorzeitige Zerbrechen des Gebäcks begünstigen. Diese entstehen den Forschern nach nicht nur beim Backen, sondern auch beim Abkühlen.

Wenn die Plätzchen aus dem Ofen gezogen werden, nehmen sie an ihrer Oberfläche Luftfeuchtigkeit auf, wodurch sich dieser Bereich leicht ausdehnt. Im Inneren des Plätzchens geht allerdings zeitgleich genau der entgegengesetzte Prozess vor sich: Hier geht Feuchtigkeit nach außen verloren, wodurch sich dieser Bereich leicht zusammenzieht. Verspannungen und Mikrorisse, die später zum vorzeitigen Abbrechen des Gebäcks führen, sind die Folge.

Der Tipp der Physiker: „Beim Backen abrupte Temperatur- und Luftfeuchtigkeitswechsel vermeiden.“ Eine relativ hohe Temperatur in der Küche kann ebenso hilfreich sein wie trockene Raumluft. Auf zeitgleiches Kochen, bei dem Wasserdampf freigesetzt wird, sollte man verzichten. Dies allein reicht allerdings manchmal nicht aus. Oft sind es auch die Zutaten, die das Zerbröseln begünstigen. So zerbrechen Vanillekipferl nicht nur, weil sie während des Abkühlvorgangs zu stark bewegt werden (Stichwort: Mikrorisse), sondern auch, weil oft viel zu viel Zucker im Rezept ist. Weniger ist hier also mehr: Für 100 Gramm Mehl sind 30 Gramm Zucker im Prinzip vollkommen ausreichend. Und noch ein Tipp: Nicht zu lange kneten. Sechs Minuten genügen. Eier helfen den Gebäckteig zu stabilisieren.

Plätzchen werden trocken: Das Zauberwort für die Lagerung heißt: Luftfeuchtigkeit. Gelangt zu viel davon ins Backwerk, wird es pappig, wohingegen zu wenig Feuchtigkeit zum Austrocknen und Hartwerden der Plätzchen führt. Alles hängt davon ab, wie luftdicht die Keksdose ist. Kann Luft und damit Luftfeuchtigkeit eindringen, so zieht letztere über Kurz oder Lang auch in das Backwerk ein und macht es pappig. Die Plätzchen dürfen beim Einfüllen in die Dose zudem nicht mehr warm sein, denn sonst bildet sich im Inneren Kondenswasser, was in die Kekse einziehen kann. Auch noch nicht vollständig durchgetrocknete Glasuren können den gleichen Effekt haben.

Wenn knackige, relativ trockene Kekse auf einem bunten Teller offen im Raum stehen, kann in das Backwerk ebenfalls die Luftfeuchtigkeit eindringen. Physiker wissen, dass warme Luft mehr Feuchtigkeit speichert als kalte. So kann ein Kubikmeter Raumluft bei einer Temperatur von 10 Grad Celsius etwa 9,4 Gramm Wasser aufnehmen. Die gleiche Luftmenge aber hat bei 30 Grad Celsius schon für 30,38 Gramm Wasser Platz. Die Gefahr, dass trockene krosse Kekse im warmen Wohnzimmer aufgrund der relativ hohen Temperaturen schneller pappig werden, ist also groß. Andererseits trocknet Gebäck auch aus, wenn ihm Feuchtigkeit entzogen wird. Vor allem Lebkuchen bzw. Kekse mit einem relativ hohen Feuchtigkeitsgehalt sind davon betroffen. Hier findet der entgegengesetzte Prozess statt: Die Feuchtigkeit des Gebäcks geht an die Raumluft verloren, die Kekse trocknen aus und werden hart.

Trick: Ein Stückchen frischen Apfel mit in die Keksdose legen. Die Feuchtigkeit des Apfels wird die Plätzchen in Bestform bringen.

Schlagsahne schlagen: Schlagsahne will manchmal einfach nicht fest werden, so lange man sie auch aufschlägt - mit ein bisschen Pech kommt am Ende sogar Butter dabei heraus. „Man schlägt die Sahne, um eine Art Phasenumkehr zu erreichen“, sagt This-Benckhard. „Die Sahne wird nur dann fest, wenn die Fetttröpfchen so fein zerteilt sind, dass sie die Luftbläschen umschließen und stabilisieren.“ Damit das klappt, schlägt der Experte vor, nicht nur möglichst fette Sahne zu verwenden, sondern diese zuvor noch in den Kühlschrank zu stellen, so erhöhe sich die für das Aufschlagen so wichtige Viskosität.

Die falschen Zutaten: Mehl ist nicht gleich Mehl. Zum Backen nimmt man am besten Weizenmehl vom Typ 550 (nennt sich in Österreich „Type W 700“ und zählt in der Schweiz zum „Weißmehl“). Es hat mehr Klebereiweiße zu bieten als Weizenmehl vom Typ 405 und somit hält auch der Teig besser zusammen. Ferner verbindet es sich ausgezeichnet mit anderen Zutaten. Ihr Fett bekommen die Plätzchen am besten mit Butter weg, die auch einen schönen Eigengeschmack hat. Margarine geht auch, ebenso wie Rapsöl. Wer Öle zum Backen nimmt, sollte die angegebene Menge für Butter oder Magarine um ca. 10 Prozent reduzieren, ansonsten wird der Teig schnell zu weich.

Der gemeine Paranuss-Effekt: Wer Plätzchen mit Nüssen oder Mandeln backen möchte, sollte aufpassen, dass er nicht dem Paranuss-Effekt zum Opfer fällt: In den Tüten mit den verschiedenen Nüssen und anderen Zutaten liegen die größten Exemplare meist oben auf der Mischung. Wer einfach so in die Tüte greift und nimmt, was kommt, der hat am Ende keine schöne große Nuss mehr übrig.

Der Paranuss-Effekt geht übrigens nicht auf die Boshaftigkeit der Backwarenhersteller zurück, sondern ist physikalischen Prozessen geschuldet, die noch nicht erschöpfend erforscht sind. Fest steht nur, dass in der Tüte eine Entmischung der ehemals gut durchmengten Zutaten stattfindet, die sich nicht damit erklären lässt, dass etwa die kleineren Nüsse lediglich durch die Lücken zwischen den größeren nach unten durchrutschen.

Die Sache ist komplizierter, denn auch eine einzige große Nuss, allein unter vielen kleinen, wandert mit der Zeit von unten nach oben an die Oberfläche des Gemisches, wenn der Behälter nur genügend geschüttelt und gerüttelt wird, beispielsweise durch den Transport. John C. Williams von der englischen Universität Bradford hat schon in den 1960er Jahren herausgefunden, dass dabei nicht einmal das Gewicht der Nuss von entscheidender Bedeutung zu sein scheint: Egal ob er ein federleichtes Testobjekt vergrub, oder aber ein metallenes, nach einer gewissen Zeit kam es immer wieder an die Oberfläche. Es lohnt sich also, nicht nach der Nuss zu greifen, die oben drauf liegt. Ansonsten bleibt am Ende für die letzten Kekse keine schöne Nuss mehr übrig.