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Trendziel im Quadrat Die Buga als Booster für Mannheim

Von wegen grau und langweilig: Mannheim ist Gastgeber der Bundesgartenschau und wurde von der Reiseführermarke Marco Polo als Reisetipp hervorgehoben. Zu Recht? Ein Stadtporträt.

Von Roswitha Bruder-Pasewald, dpa 09.05.2023, 15:44
Im Luisenpark blüht es: Er wurde für die Buga23 noch einmal aufgewertet.
Im Luisenpark blüht es: Er wurde für die Buga23 noch einmal aufgewertet. Daniel Lukac/BUGA /dpa-tmn

Mannheim - Manchmal liegen Gegensätze sehr dicht beieinander. Im Fall von Mannheim gilt das in doppelter Hinsicht.

Wer die Großstadt in der äußersten Ecke Baden-Württembergs von Norden mit der Bahn über die linke Rheinseite kommend ansteuert, der muss an Ludwigshafen vorbei, das in Satiresendungen und im Internet nicht nur einmal zur (vermeintlich) hässlichsten Stadt Deutschlands gekürt wurde. Im Vergleich dazu ist Mannheim auf der anderen Seite des großen Flusses, der die beiden Städte trennt, das reinste Schmuckstück.

Mit Heidelberg, etwas den Neckar aufwärts (der hier in den Rhein mündet), kann es wiederum Mannheim nicht aufnehmen: Die schöne Nachbarin ist mit ihrer Postkartenidylle eben auf der ganzen Welt ein Inbegriff für Deutschlands romantischste Seite.

Wobei der Vergleich mit Heidelberg auch nicht ganz gerecht ist: Schließlich wurde Mannheim in seiner Geschichte mehrfach zerstört. Die vom holländischen Festungsarchitekten Bartel Janson entworfene und ab 1606 gebaute Stadt war noch im Teenageralter, als Heerführer Tilly während des Dreißigjährigen Krieges die Mauern beschoss.

Zuletzt ging fast die gesamte Innenstadt im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unter. Eine fotogene Altstadt mit schmalen Gassen, Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflaster suchen Besucher in der Metropole im Nordwestzipfel Baden-Württembergs vergeblich.

Dank Buga zum Trendziel

Vielleicht war das ein Grund, warum Mannheim lange Zeit eher touristisches Brachland war, in das sich höchstens Geschäftsreisende verirrten. Doch das ändert sich. Das Stadtmarketing verzeichnet in den vergangenen Jahren stetig steigende Übernachtungszahlen, bestätigt Geschäftsführerin Karmen Strahonja.

Einen weiteren großen Schub soll die Bundesgartenschau bringen. Die Buga23 läuft von Mitte April bis Mitte Oktober. Rund zwei Millionen Besucher werden in der Zeit erwartet.

Das Gartenfestival, für das unter anderem ein ehemaliges Militärgelände der US Army - die Spinelli-Barracks - in eine grüne Lunge verwandelt wurde, war einer der Gründe, warum die Industriestadt im Trendbuch der Reiseführermarke „Marco Polo“ im Oktober vergangenen Jahres zum Top-Reiseziel für 2023 gekürt wurde.

Buga klinge zwar „nach Reisebussen und Old-School-Blumenanstarren“, heißt es darin, doch die Schau triggere auch die Städtebau-Aktivität. Neben dem Spinelli-Park zwei weitere Ergebnisse der Bemühungen: eine Seilbahn und eine „Unterwasserwelt“ im Luisenpark, bei der es aber Verzögerungen gab. Mit einer Fertigstellung rechnen die Buga-Organisatoren nach eigenen Angaben nicht vor Juni.

Die Quadrate sind eigentlich Rechtecke

„Monnem“, wie die Einheimischen sagen, ist eine Stadt mit Ecken und Kanten. Bereits der Blick auf den Stadtplan offenbart: Mannheim wurde am Reißbrett konzipiert. Im Auftrag von Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz (1574 – 1610) entwarf der schon erwähnte Bartel Janson ein gitterförmiges Straßennetz, das der Residenz der pfälzischen Kurfürsten den Beinamen „Quadratestadt“ einbrachte.

Wobei der Begriff für das Schachbrettmuster zwischen Schloss und Neckar, Wasserturm und Kurt-Schumacher-Brücke streng genommen in die Irre führt. Vielmehr handelt es sich um 144 Rechtecke, die zwischen Rhein und Neckar eingeklemmt das Zentrum der Stadt bilden.

Im 18. Jahrhundert ersetzten die Stadtoberen die Straßennamen durch Buchstaben und Ziffern. Das Rathaus findet man etwa in E 5.

Wenige herrschaftliche Relikte und ein schöner Wasserturm

Zur Wahrheit gehört auch: Zwischen trostlosen Wohnblocks der Nachkriegszeit gibt es nur wenig Relikte des alten, herrschaftlichen Mannheims zu entdecken. Ein paar barocke Bürgerhäuser mit Mansarddach und überdachten Laubengängen gehören dazu.

Oder die Jesuitenkirche mit ihrer prunkvollen Barockausstattung, die aber so eingezwängt zwischen zweckmäßiger Architektur im Quadrat A 4 liegt, dass man sie glatt übersieht.

Oder das gewaltige Zeughaus in C 5, zu kurfürstlichen Zeiten Waffenarsenal des pfälzische Heeres. Der Bau am Toulonplatz gilt als herausragendes Beispiel des Frühklassizismus in Deutschland und ist heute Teil der Reiss-Engelhorn-Museen, die Ausstellungsort und Forschungszentrum gleichermaßen sind.

Mannheims bekanntester Platz liegt am Rand der Quadrate (oder Rechtecke...), nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Der 60 Meter hohe, von Sandsteinfiguren gesäumte Wasserturm auf dem Friedrichsplatz ist der Mittelpunkt einer der schönsten Jugendstilanlagen Europas, deren Wasserspiele sich abends in ein buntes Lichterkleid hüllen.

Kunst und Technikpioniere

Dass sich Mannheim, oft als graue Arbeiterstadt verschrien, zum durchaus empfehlenswerten Städtereiseziel gemausert hat - das liegt natürlich nicht nur an der Buga23. Sondern auch am Großstadt-Flair in den Quadraten, an der entspannten Atmosphäre zwischen Rheinterrassen und Industriehafen, an Museen, Kultureinrichtungen und Parks.

Murals von internationalen Stars und regionalen Nachwuchskünstlern haben triste Hauswände in ein Open Air-Museum verwandelt, das Jahr für Jahr um weitere Kunstwerke wächst.

Die 1909 gegründete Kunsthalle, deren avantgardistische Hülle allein schon einen Blick wert ist, nutzt digitale Technik, um Gemälde und Skulpturen von Manet bis Moore erlebbar zu machen.

Und das Technoseum begeistert nicht nur Wissenschaftsfans und Technikverliebte. Dort begegnet man all jenen Genies, deren Namen untrennbar mit Mannheim verbunden sind und die auf der „Meile der Innovationen“ vor dem Schloss verewigt sind - angefangen bei Carl Benz, dem Erfinder des Autos, bis zu Werner von Siemens, dessen erster elektrischer Fahrstuhl in Mannheim vom Boden abhob.

Türkische Lebensart in „Klein Istanbul“

Wer vom Alten Rathaus, fast in der Mitte der Quadrate, Richtung Westen spaziert, landet unweigerlich in dem Viertel, das im Volksmund „Klein Istanbul“ heißt. Hier zeigt sich die multikulturelle Seite der Stadt. In den G- und H-Quadraten mischt sich türkische Lebensart mit der „Monnemer“ Bodenständigkeit.

In den Auslagen der Restaurants türmet sich klein geschnippeltes Gemüse auf. Alte Männer genießen gestikulierend schaumigen Mokka, in der Familienbäckerei Taksim Baklavaci kann man zuckersüßes Baklava kaufen.

Und es gibt sehr viele Brautmodengeschäfte, wo Heiratswillige in Perlen, Pailletten und Spitze schwelgen können. Für die Traumhochzeit legen sie bereitwillig ein paar Tausender auf den Tisch.

Yuppifizierung im Jungbusch

Wer weiter nach Westen geht, landet zwischen Innenstadt und Hafen in Mannheims angesagtester Ausgehmeile, dem Jungbusch. Hier lebten im 19. Jahrhundert Kaufleute, Reeder und Kapitäne. In der Nachkriegszeit wurden die ehemaligen Lagerhallen und Industrieanlagen in preiswerten Wohnraum umgewandelt, weshalb es vor allem junge Familien mit wenig Einkommen, Studenten und Kreative in das Viertel zog.

Heute findet eine Yuppifizierung des Quartiers statt, ersichtlich an hippen Bars, schicken Restaurants und exklusiven Lofts, in denen Besserverdienende ihre Vorstellungen vom „schöner Wohnen“ verwirklichen können.

So offensichtlich der Wandel im Jungbusch ist: Es gibt sie noch, Institutionen wie die Onkel Otto Bar, wo einst leicht bekleidete Damen für Stimmung sorgten, und kleine Kneipen und Clubs, die Experimentierfeld für DJs und Nachwuchsmusiker sind.

Viele der letztgenannten sind bei jener Einrichtung eingeschrieben, die gleich um die Ecke liegt: die Popakademie Baden-Württemberg. Seit 20 Jahren existiert die bundesweit einmalige Talentschmiede für das Musikbusiness, wo die Stars von morgen ausgebildet werden.

Service

Anreise: Mannheim liegt verkehrstechnisch günstig an einem Knotenpunkt der Bahn. Zahlreiche Fernzüge halten am Hauptbahnhof, der nur wenige Minuten von der Innenstadt entfernt liegt.

Bundesgartenschau: Die Buga23 läuft noch bis zum 8. Oktober. Einlasszeiten an den Haupteingängen sind regulär von 09.00 bis 19.00 Uhr. Tagestickets für Erwachsene kosten 28 Euro, Personen zwischen 15 und 24 Jahre zahlen elf Euro. Für alle bis 14 Jahre ist der Eintritt frei. Mehr Infos: www.buga23.de

Auskünfte: Tourist Information Mannheim, Willy-Brandt-Platz 5, 68161 Mannheim (Tel.: 0621 4930 7960, Web: www.visit-mannheim.de)