Die Wiesn abseits der Flüchtlingsnot
Oktoberfest und Flüchtlingskrise - München steht in diesen Tagen im Fokus. Die Behörden wollen fröhliche Wiesngäste und erschöpft ankommende Asylsuchende am Münchner Hauptbahnhof trennen. Sie bleiben betont entspannt: Nur keine Aufregung.
München (dpa) - Sie kommen gut gelaunt, feiern feuchtfröhlich und reisen angeheitert ab. Das Oktoberfest beginnt, und wenn das Wetter passt, strömen am Samstag an die 400 000 Besucher zum größten Volkfest der Welt. In München herrscht für zwei Wochen rund um Hauptbahnhof und Theresienwiese Ausnahmezustand.
Am Hauptbahnhof kommen gleichzeitig weiter Flüchtlinge an - müde, entkräftet, hungrig. Sie haben oft nur das, was sie am Leib tragen. Genau an den Wochenenden war der Flüchtlingsansturm hier besonders groß.
Stände mit Lederhosen und bunten Dirndln stehen nur wenige Meter entfernt von den Zelten, in denen die Ankömmlinge nach wochenlanger Flucht medizinisch untersucht werden. Manche kommen erkältet, geschwächt oder mit Magen-Darmproblemen.
Die Behörden sehen der Wiesn dennoch betont gelassen entgegen. Die wiedereingeführten Grenzkontrollen, aber auch Sonderzüge an München vorbei sollen dazu beitragen, dass sich die Situation der beiden vergangenen Wochenenden mit jeweils 20 000 ankommenden Flüchtlingen nicht wiederholt.
Es könne keine Rede sein von einer Krisen-Wiesn, sagt Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle. Es ist eine ganz normale Wiesn, auf die wir uns ganz normal vorbereiten - mit einer kleinen Besonderheit. Polizeisprecher Wolfgang Wenger sagt, es gebe zwei Themen: Flüchtlinge und Oktoberfest. Die Polizei sei auf beide gut vorbereitet.
Auch der zweite Münchner Bürgermeister und Wiesn-Chef Josef Schmid erwartet nicht, dass die Flüchtlingskrise das Volksfest beeinträchtigen wird. Die Landeshauptstadt reagiert auf die Lage und tut was sie kann, sagt er. Wir haben überhaupt keine Hinweise auf eine besondere Gefährdungslage.
Am Donnerstag kamen bis zum Nachmittag lediglich 400 Flüchtlinge in München an. Es war ein ruhiger Tag, sagte Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner. Zugleich fuhren vier Züge mit jeweils 500 Flüchtlingen vom Grenzort Freilassing an München vorbei und verteilten die Flüchtlinge auf andere Bundesländer - Entlastung für München. Dennoch ist unklar, was an den Grenzen weiter geschieht.
Auf die Wiesn hat das keinen Einfluss, betont auch Karl-Heinz Knoll, Präsident des Festrings München. Die Verbände seien gerne zur Hilfe für die Flüchtlinge bereit. Aber: Oberstes Ziel wird für sie nicht gerade Karussell fahren sein. Auch Blume-Beyerle hält es für lebensfremd, dass Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Nordirak und Afrika in Scharen zur Wiesn ziehen.
Die Ströme der Wiesngäste und Flüchtlingen sollen am Hauptbahnhof getrennt werden. Wir haben das Ziel, die unterschiedlichen Personengruppen weitgehend zu trennen, um Konfliktsituationen erst gar nicht entstehen zu lassen, sagte Innenminister Joachim Herrmann schon vor Tagen. Die logistische Abwicklung des Besuchs von sechs Millionen Menschen könne man nicht mit dem Begriff Folklore abdecken, mahnte auch Staatskanzleichef Marcel Huber (beide CSU).
Gerade am Abend, wenn die Wiesnbesucher angetrunken den Heimweg antreten, haben es die Ordnungskräfte nicht leicht. Die Steuerung einer Menge von gut gelaunten Gästen sei natürlich schwieriger als von lauter Liegenschaftsbeamten, sagt Blume-Beyerle. Die Bundespolizei am Hauptbahnhof wird nochmals aufgestockt.
Nicht nur am Bahnhof selbst, sondern auch auf den Gleisen könnte es eng werden. Rund 500 zusätzliche Regionalzüge und S-Bahnen fahren allein für Wiesngäste. Rund zwei Millionen kommen mit der Bahn und fahren nach diversen Maß Bier damit auch heim. So sehen Hauptbahnhof und Züge dann auch aus. Daneben gibt es die Sonderzüge mit Hunderten Flüchtlingen in anderen Bundesländer. In der Koordination sieht die Bahn aber momentan keine Problem.
Hartnäckig wird immer wieder eine Karte gezogen: Man könnte doch die Bierzelte nach dem Fest stehen lassen und als Notunterkünfte verwenden. Jetzt gibt es dazu sogar einen Antrag im Stadtrat. Doch Wiesnchef Schmid ist dagegen: Die Zelte sind nicht winterfest. Und nach der 16-tägigen Sause entsprächen die Böden hygienisch nicht den Anforderungen.
Die Besucher werden immerhin mit Lebkuchen-Herzerln erinnert, dass die Flüchtlinge nicht weit sind. Ein findiger Händler verkauft das Backwerk mit dem zuckersüßen Schriftzug Toleranz, der Erlös kommt unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zugute. Ursprünglich sollte Solidarität auf den Herzen stehen. Aber das Wort war zu lang.