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Wie sinnvoll ist die Impfung? Es ist Grippeschutz-Zeit: Über Nutzen und Haken an der Sache

Herbstliches Schmuddelwetter und laufende Heizungen sind untrügliche Anzeichen: Die Verbreitung von Grippeviren lässt nicht mehr lange auf sich warten. Noch kann man sich vorsorglich impfen lassen. Was muss man über die Impfung wissen?

Von Von Gisela Gross, dpa 01.11.2017, 08:52

Berlin (dpa) - Australien hat es hinter sich: Eine Grippesaison mit mehr als zweieinhalb mal so vielen Fällen wie im Vorjahreszeitraum - gut 195.000 an der Zahl. Medienberichten zufolge erkrankten die Menschen heftig, es gab Todesfälle nicht nur bei Älteren.

Ein Politiker wurde mit den Worten zitiert, es sei eine Horror-Grippesaison, die Menschen hätten die Erkrankung unterschätzt. Was kann Deutschland daraus lernen?

Sicher ist: Die Erreger, Influenza-Viren, kommen. Die ersten Krankheitsfälle sind registriert. Aber wie die Welle ausfallen wird, lässt sich nicht vorhersagen. "Wir leiten aus der Entwicklung im Ausland nur sehr wenig ab", sagte der Leiter des Fachgebiets Impfprävention am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin, Ole Wichmann.

Die Grippewelle könne von Land zu Land sehr unterschiedlich ausfallen und unterschiedliche Virusvarianten könnten zirkulieren. Hinzu komme, dass Grippeviren sehr wandelbar sind. Das ist auch der Grund dafür, warum der Impfstoff jährlich angepasst werden muss.

"Die Impfung ist der beste Schutz, den wir haben", betont Wichmann - obwohl die Effektivität "nicht optimal" sei. Anders als medizinische Laien annehmen mögen, baut sich längst nicht bei jedem Geimpften auch der gewünschte Schutz auf. Weil Influenza aber eine sehr häufige und gelegentlich auch sehr schwer verlaufende Erkrankung ist, empfehle die Ständige Impfkommission (Stiko) die Grippeschutzimpfung besonders gefährdeten Gruppen, so Wichmann.

Es geht vor allem um Menschen ab 60 Jahren, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, chronisch Kranke wie Diabetiker, Schwangere und medizinisches Personal. "Nach unseren Analysen werden so im Durchschnitt mehr als eine halbe Million Fälle pro Jahr verhindert", sagte Wichmann.

Der Experte appellierte an diese Gruppen, sich impfen zu lassen. Als optimaler Zeitraum dafür gelten die Monate Oktober und November - bevor die Grippewelle losrollt. Denn nach der Impfung dauert es bis zu zwei Wochen, bis sich der Impfschutz aufgebaut hat. Ansonsten empfehlen Ärzte: regelmäßiges Händewaschen nicht vergessen!

Ein Grund für die relativ niedrige Effektivität der Impfung: Die Empfehlung zur Zusammensetzung des Impfstoffs kommt mit einem Vorlauf von mehreren Monaten von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), da die Herstellung von Millionen Impfdosen Zeit braucht. Das birgt aber das Risiko, dass die WHO-Empfehlung nicht optimal mit den später zirkulierenden Viren übereinstimmt.

In dieser Saison soll der hierzulande am meisten eingesetzte Dreifachimpfstoff vor zwei Virusvarianten vom Typ A sowie einer vom Typ B schützen. Daneben gibt es noch einen Vierfachimpfstoff, der einen weiteren B-Typen enthält. Der Schutz kann so etwas breiter ausfallen - vorausgesetzt, der zusätzliche Typ kursiert überhaupt.

Bislang übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in der Regel die Kosten für den deutlich günstigeren Dreifachimpfstoff - außer, wenn der Arzt die Verschreibung des teureren Präparats begründet, etwa weil der Patient schwer krank ist. Hält der Arzt das nicht für nötig, könnten sich Patienten aber ein Privatrezept ausstellen lassen, wie ein Sprecher der AOK Nordost erläuterte. Heißt: Der Patient bezahlt.

Mit der Frage, wie groß der Zusatznutzen des Vierfachimpfstoffs ist, beschäftigt sich die Stiko aktuell. "Die Bewertung ist im Gange", sagte Wichmann. Eine möglicherweise geänderte Empfehlung der Kommission hätte aber erst zur Grippesaison im kommenden Jahr Folgen, erklärt der Experte. Für die Zukunft erscheinen auch andere Präparate vielversprechend: In den USA und Kanada sind laut Wichmann Hochdosis-Impfungen für Ältere auf dem Markt, deren Immunsystem nicht mehr so leicht anspringt.

Bislang bleiben die Impfquoten in Deutschland hinter internationalen Zielsetzungen zurück. Bei medizinischem Personal und Schwangeren seien die Werte noch niedriger als bei Senioren, erläutert Wichmann. Während medizinisches Personal durch den Kontakt mit Patienten einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sei, fahre der Körper von Schwangeren das Immunsystem herunter; bei Hochschwangeren könne sich die Lunge zudem weniger gut entfalten. Sie hätten deshalb ein höheres Risiko für Komplikationen wie etwa Lungenentzündungen.

"Eine frühere Befragung zeigte, dass viele Schwangere die Gefahren der Grippe unterschätzen, während sie mögliche Folgen der Impfung überschätzen", sagte Wichmann. Für ein erhöhtes Risiko von Nebenwirkungen bei Schwangeren habe man jedoch "keine Anhaltspunkte". Eine Impfung wird allen Schwangeren ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel empfohlen.

Umgangssprachlich werden oftmals Erkältung und Grippe gleichgesetzt - die echte Grippe verläuft jedoch in der Regel deutlich schwerer: Charakteristisch ist, dass man sich schlagartig sehr krank fühlt, mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und trockenem Husten.

Grippe-Bericht der australischen Behörden

Saisonbericht 2016/17 des RKI

Paul-Ehrlich-Institut über freigegebene Impfstoffe

Arbeitsgemeinschaft Influenza