Heimische Wildpflanzen bringen Abwechslung auf den Balkon / Herrlicher Duft das ganze Jahr Es müssen nicht immer nur Petunien sein
Es muss nicht immer alles einheitlich sein: Statt mit Petunien oder Geranien können Pflanzenfreunde ihren Balkon auch mit heimischen Wildblumen begrünen.
Bremen/Ottenhofen (dapd) l Diese blumige Abwechslung sieht nicht nur toll aus, sondern kann auch einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz leisten - und obendrein macht ein naturnaher Balkon oder eine naturnahe Terrasse sogar weniger Arbeit als ein konventionell begrünter. Das fängt schon damit an, dass man bei einem Öko-Balkon nicht jedes Jahr von vorne beginnt. "Die meisten heimischen Pflanzen sind winterhart. Man hat also nicht das übliche Austauschgrün, sondern legt sich einen nachhaltigen Balkon an", sagt der Biologe Reinhard Witt im bayerischen Ottenhofen. Witt hat das "Wildpflanzen-Topfbuch" verfasst. "Wenn man einen naturnahen Balkon einmal angelegt hat, entwickelt er eine eigene Dynamik, die man einfach laufen lassen kann."
Wer Spornblumen sät, wird Taubenschwänze ernten."
Das gilt nicht nur für die Pflanzen, die man auf einem solchen Balkon wachsen lässt, sondern greift noch viel tiefer. "Auf jede heimische Wildpflanze sind im Durchschnitt zehn Tierarten spezialisiert", sagt er - und diese könne man sich mit der Auswahl der Pflanzenarten auch auf den Balkon holen. "Wer Spornblumen sät, wird Taubenschwänzchen ernten", erläutert Reinhard Witt, also eine Schmetterlingsart, die ein bisschen fliege wie ein Kolibri. Wer einen naturnahen Balkon anlegt, helfe daher nicht nur der heimischen Pflanzen-, sondern auch der Tierwelt.
Faustregeln für die Gestaltung eines Öko-Balkons gibt es nur sehr wenige. Reinhard Witt empfiehlt, nach Möglichkeit große Töpfe und Kübel zu verwenden - deren großes Volumen halte mehr Feuchtigkeit und stelle den Pflanzen damit automatisch mehr Nährstoffe zur Verfügung. Gießen müsse man nur, wenn die Pflanzen überdacht seien. "Mehr als zweimal in der Woche ist nicht nötig. Wann genau man gießen muss, das sagen einem die Pflanzen schon selbst. Das ist ein richtiger Balkon für Faulenzer."
Das gelte auch für das Beschneiden der Wildblumen. "Man muss einmal im Jahr die trockenen Stängel abschneiden, öfter nicht. Der richtige Zeitpunkt dafür ist im März oder April", sagt Witt. Im Winter seien dort oft noch Samen enthalten, von denen sich Vögel ernähren könnten. "Oder die Samen fallen in dieser Zeit auf den Boden und es entstehen neue Pflanzen. Das ist ein selbsterhaltendes System."
"Jedes Frühjahr ist spannend: Was hat den Winter überstanden?"
Mit zum naturnahen Balkon gehört auch der Misserfolg. "Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass ein Wildblumenbalkon etwas nicht Planbares, etwas sich ständig Wandelndes ist. Ob sich Wildblumen wohlfühlen, entscheiden sie selbst", sagt Juliane Scheler von der Organisation Naturgarten e.V. Da könne sich der Balkongärtner noch so viel Mühe geben, einiges werde sicher nicht wie gewünscht, anderes überrasche ihn - und genau so müsse es auch sein., sagt die Hobbygärtnerin aus Bremen. "Jedes Frühjahr ist wieder spannend: Was hat den Winter überstanden, was hat sich selbst ausgesät?"
Schier unerschöpflich ist der Fundus, aus dem Pflanzenfreunde ihre bevorzugten Blumenarten auswählen können - allerdings auch unübersichtlich. Zwar eigne sich ein Großteil der heimischen Wildpflanzenarten für den Balkon, aber der Bezug falle mitunter schwer, erläutert Scheler. Fachkundige Gärtner könnten problemlos selber sammeln und experimentieren - wer etwas Hilfestellung brauche, bekäme diese aber gerade nicht im Gartencenter, wo nur Zuchtpflanzen verkauft würden. Eine Linkliste mit Informations- und Bezugsquellen hat der Verein deshalb in seinem Internetangebot naturgarten.org bereitgestellt. "Die Grundlage der Erstbepflanzung sollten zudem eher kleine Pflanzen sein", sagt Scheler.
So groß der Fundus ist, so weitläufig sind auch die Experimentiermöglichkeiten. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Kübel voller heimischer Wildkräuter? "Da kann zum Beispiel die kräftige Bergminze hinein und auch etwas Berg-lauch, außerdem wilder Majoran und Thymian. Dann duftet es auf dem Balkon das ganze Jahr", sagt Reinhard Witt.
Er selbst hat sich einen Kübel mit Nelkenarten angelegt - darin enthalten sind die hellrosafarbene Pfingstnelke (Dianthus gratianopolitanus), die weiße Sandnelke (Dianthus arenarius), die rötliche Karthäusernelke (Dianthus carthusianorum) sowie die Felsennelke (Petrorhagia prolifera) mit fein-violetten Blüten. Neben den unterschiedlichen Farben haben die Blumen auch verschiedene Blütezeiten, die sich teilweise überschneiden.