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Bildung Sachsen-Anhalt Schluss mit der Schreibschrift?

Müssen Kinder noch die klassische Schreibschrift lernen, bevor sie ihre eigene Handschrift entwickeln? Ein Modellprojekt in Bayern untersucht, ob der direkte Weg von der Druckschrift zur individuellen Schrift sinnvoller ist – und könnte die Schulregeln dauerhaft ändern.

Von Jessica Quick und Elke Richter Aktualisiert: 23.09.2025, 14:02
Konzentriert bei der Arbeit: So üben sich Grundschüler derzeit gebundener Handschrift. Neue Konzepte könnten diese Vorgehensweise verdrängen. 
Konzentriert bei der Arbeit: So üben sich Grundschüler derzeit gebundener Handschrift. Neue Konzepte könnten diese Vorgehensweise verdrängen.  (Foto: dpa)

Halle (Saale). Ergibt es wirklich Sinn, dass Grundschüler nach der Druckschrift noch eine Schreibschrift lernen, bevor sie ihre individuelle Handschrift entwickeln? Das will das bayerische Kultusministerium mit dem Modellprojekt „FlowBy“ klären.

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Direkt zur eigenen Handschrift: Das Modellprojekt „FlowBy“

An 43 Grundschulen in Bayern werden die Kinder angeleitet, direkt aus der Druckschrift ihre eigene Handschrift zu entwickeln - ohne den „Umweg“ über eine verbundene Schreibschrift. Dafür gibt es viele „Schreibwerkstätten“, in denen individuell passende Buchstabenverbindungen ausprobiert werden.

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Jeweils in der zweiten, dritten und vierten Klasse wird die Handschrift der Kinder beurteilt. Dabei geht es nicht nur um Kriterien wie Formklarheit, Leserlichkeit und Flüssigkeit, sondern auch um Geschwindigkeit.

Studien zeigen: Schreibschrift bremst die Geschwindigkeit

Denn Studien haben gezeigt, dass Kinder mit einer komplett verbundenen Schreibschrift deutlich langsamer schreiben als die mit einer teilverbundenen Schrift – und sogar langsamer als die mit einer reinen Druckschrift. „Das macht im Schulalltag auf eine ganze Seite gesehen einen großen Unterschied aus“, erläutert Eva Odersky von der Universität Eichstätt.

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Am Ende des Modellprojekts könnte daher das Aus für die verpflichtende Schreibschrift an den Schulen stehen. Bisher lernen Erstklässler in Bayern zunächst die Druckschrift. Ende der ersten oder Anfang der zweiten Klasse wird dann zusätzlich eine Schreibschrift eingeführt.

Gegen Ende der Grundschulzeit sollen die Mädchen und Jungen dann aus Druck- und Schreibschrift ihre individuelle Handschrift entwickelt haben. Die meisten Erwachsenen, zumal wenn sie geübte Handschreiber sind, verwenden eine teilverbundene Schrift, weil das ökonomischer ist und auch die Muskulatur entlastet.

Bayern vs. andere Bundesländer und Länder: Wie unterschiedlich Kinder schreiben lernen

Bildung ist in Deutschland Ländersache, deshalb ist das Schreibenlernen teils sehr unterschiedlich geregelt. In mehreren Bundesländern ist zum Beispiel auch die auf Druckbuchstaben basierende Grundschrift als alleinige Ausgangsschrift erlaubt – in Hessen wiederum wurde sie erst vor wenigen Jahren wieder verboten.

Andere Länder wie Baden-Württemberg stellen es den Schulen frei, auf die Schreibschrift zu verzichten. Und die Schweiz hat der „Schnürlischrift“ inzwischen komplett den Rücken gekehrt.

In Sachsen-Anhalt lernen Kinder in ersten beiden Schuljahren zwei Schriften: Die Druckschrift und die Schulausgangschrift. „Diese rührt noch aus Zeiten des Tintenfasses“, erklärt Thekla Mayerhofer, Vorstandsvorsitzende des Grundschulverbandes Sachsen-Anhalt.

Tradition vs. Digitalisierung: Brauchen Kinder noch komplizierte Buchstabenverbindungen?

Mit Feder und Tinte schrieb man ein Wort ohne abzusetzen, um die Spur zu halten. „Heutztage verbinden wir selten mehr als fünf Buchstabe miteinander“, erklärt die Pädagogin. So habe sich die nur in Teilen verbundene Grundschrift entwickelt. Um diese lehren zu dürfen, brauchen Grundschulen laut Mayerhofer jedoch eine Sondergenehmigung vom Landesschulamt.

Viele Schulen arbeiten mit der Fibel: Zunächst lernen die Kinder das „m“, dann das „a“ und schließlich das „p“. Gerade dieser Buchstabe gelte als erste Hürde, weil sich hier Schreibschrift und Druckschrift deutlich unterscheiden.

„Wir legen den Schülern Steine in den Weg, die eigentlich nicht sein müssten“, so Mayerhofer. Sie fragt: „Wie sinnvoll ist das in einer Zeit der Digitalisierung?“

Über den richtigen Weg lässt sich also trefflich streiten, zumal sich auch die Fachleute nicht einig sind. Neben Grundschrift-Fans, die ähnlich wie im FlowBy-Projekt einzig eine Druckschrift als Ausgangsschrift befürworten, plädierten andere Deutsch-Didaktiker 2019 in der „Siegener Erklärung“ dafür, ausschließlich die Schulausgangsschrift zu lehren – und stattdessen die Druckschrift wegzulassen.

Fazit: Schreibschrift auf dem Prüfstand

Trotz aller Dispute hat sich die Kultusministerkonferenz 2024 darauf geeinigt, dass die geforderte Verbundenheit „nicht zwingend als verbundene Schreibspur auf dem Papier sichtbar werden“ muss. Ein entscheidender Satz für die Verfechter des einphasigen Schrifterwerbs.