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Jobs Diese Unternehmen aus Sachsen-Anhalt sind besonders familienfreundlich

Arbeit und Familie besser in Einklang zu bringen, wird vielen Menschen in Sachsen-Anhalt immer wichtiger. Das haben Arbeitgeber erkannt und bieten teils überraschende Angebote.

Von Robert Gruhne Aktualisiert: 24.05.2023, 17:06
Wie werden Firmen familienfreundlicher? Die Getec-Unternehmensgruppe hat in Magdeburg eine eigene Kindertagesstätte gebaut.
Wie werden Firmen familienfreundlicher? Die Getec-Unternehmensgruppe hat in Magdeburg eine eigene Kindertagesstätte gebaut. Foto: Andreas Lander

Magdeburg - Fast ein Drittel der Erwerbstätigen in Sachsen-Anhalt hat mindestens ein Kind unter 18 Jahren. Wer sein Personal als Arbeitgeber halten will oder neue Mitarbeiter gewinnen möchte, muss heutzutage mehr bieten als ein gutes Einkommen. Denn die „Work-Life-Balance“ wird vielen Menschen immer wichtiger. Die Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt gehen in puncto Familienfreundlichkeit unterschiedliche Wege.

Deutsches Haus in Arendsee: Die Firma ist die Familie

Nur ein paar Schritte vom Arendsee entfernt liegt das „Deutsche Haus“. Das Hotel mit 26 Zimmern und Restaurant ist ein klassisches Familienunternehmen. „Die Familie ist der Kern“, findet Geschäftsführer Burghard Bannier. Seine Frau und er starteten vor mehr als 30 Jahren den Betrieb. Mit der Zeit kam fast die ganze Familie dazu. Von den etwa 25 Mitarbeitern sind sechs Familienmitglieder.

Aber auch die anderen Mitarbeiter sind lange dabei und gehören schon fast zur Familie. Bis auf zwei hat das Hotel alle selbst ausgebildet. Wenn sich bei den Mitarbeitern die Lebensumstände ändern, versuchen die Banniers, das in Einklang mit der Arbeit zu bringen. „Ein Betrieb muss sich damit auseinandersetzen, wie sich das Leben der Mitarbeiter verändert“, sagt Burghard Bannier.

Das Deutsche Haus Arendsee ist in Familienhand. Hinten (v.l.n.r.): Burghard Bannier und Sascha Bannier. Mitte: Julia Bannier, Rumesh Weththimuni Nishanta, Andrea Bannier, Edith Bannier, Ariane Schilling, Marie Sophie Schilling. Vorne: Joschua Bannier und Jasmin Bannier.
Das Deutsche Haus Arendsee ist in Familienhand. Hinten (v.l.n.r.): Burghard Bannier und Sascha Bannier. Mitte: Julia Bannier, Rumesh Weththimuni Nishanta, Andrea Bannier, Edith Bannier, Ariane Schilling, Marie Sophie Schilling. Vorne: Joschua Bannier und Jasmin Bannier.
Foto: Tien Anh

Die Dienstpläne werden ihm zufolge so organisiert, dass Mitarbeiter mit Kind pünktlich Feierabend machen können. „Damit die Kinder auch etwas von ihren Eltern haben.“ Bannier habe das Ohr nah an den Mitarbeitern. Gleichzeitig erwarte er von allen auch Engagement. Als Dankeschön grillt der Chef am Ende der Saison für alle Mitarbeiter und ihre Familien. „Wenn meine Mitarbeiter froh sind, auf Arbeit zu kommen, dann sind auch meine Gäste zufrieden“, meint Bannier.

Durch die Personalpolitik des Hauses habe das Hotel ihm zufolge keinen Mitarbeitermangel. Auch die Nachfolge des 67-jährigen Geschäftsführers ist geklärt. Sein Sohn arbeitet seit vielen Jahren mit im Hotel. Und der achtjährige Enkel finde die Hotellerie auch schon gut, scherzt Bannier.

Octapharma in Dessau: Kita-Schicht für Eltern

Die Schichtarbeit kann den Familienalltag belasten. Bei einem Arbeitsbeginn um 6 Uhr hat oft noch kein Kindergarten geöffnet. Bei Spätschicht haben Eltern so gut wie gar nichts vom Familienleben und müssen die Betreuung organisieren. Damit Eltern es einfacher haben, hat Octapharma in Dessau eine „Kita-Schicht“ eingeführt.

Das Unternehmen verpackt in Dessau Medikamente für den weltweiten Markt. „Das kann man nicht von zu Hause aus machen. Zwei Drittel unserer Mitarbeiter arbeiten im Lager oder an Maschinen“, sagt Petzold. Die Mitarbeiter mit Kita-Kindern können deshalb eine Stunde später starten und nur in der Frühschicht arbeiten, wenn sie das möchten, erklärt Geschäftsführer Thoralf Petzold.

Außerdem werde der Schichtplan viele Monate im Voraus geplant. Teilzeit ist auch im Schichtsystem tageweise möglich. Für die Angestellten im Büro bietet das Unternehmen Gleitzeit an und die Möglichkeit, Stunden auf- und abzubauen.

Octapharma bietet den Mitarbeitern in der Fertigung am Standort Dessau eine „Kita-Schicht“ an.
Octapharma bietet den Mitarbeitern in der Fertigung am Standort Dessau eine „Kita-Schicht“ an.
Foto: Thomas Ruttke

Seit zwei Jahren gibt es ein Sommerfest, zu dem Octapharma auch die Familien einlädt. Außerdem hat die Firma allen Kindergärten, in die Kinder ihrer Mitarbeiter gehen, eine Spende überreicht. Das Gleiche plant Octapharma für Schulen. Perspektivisch strebt die Firma an, für Mitarbeiter auch Kindergartenplätze zu vermitteln.

Nur warum der Aufwand? „Wir wollen ein guter Arbeitgeber sein“, meint Petzold. Anders ginge es heute gar nicht mehr. Ein Drittel der Mitarbeiter, die an den Maschinen arbeiten, geht in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Rente. „Als Arbeitgeber bewirbst du dich bei den Bewerbern“, betont Petzold. Octapharma sei auf dem richtigen Weg: Es sei ein gutes Zeichen, dass Mitarbeiter Familienmitglieder mit in die Firma holen.

Rettungstechnik Doll in Schönebeck: Offene Tür beim Chef

Dass auch das Handwerk familienfreundlich sein kann, zeigt Rettungstechnik Doll aus Schönebeck. Die Firma mit 14 Mitarbeitern baut Sonderfahrzeuge, vor allem für Rettungsdienste.

„Wir müssen schauen, wie wir uns von den großen Unternehmen abgrenzt“, sagt Geschäftsführer Karsten Doll. Obwohl man heute auch im Handwerk gutes Geld verdiene, könnten die Betriebe beim Gehalt nicht mit den großen Arbeitgebern mithalten. Dafür könne ein kleineres Unternehmen mit familiärem Zusammenhalt und individuellen Absprachen punkten.

Sebastian Buhe und Karsten Doll von der Firma Rettungstechnik Doll aus Schönebeck arbeiten an einem Fahrzeug.
Sebastian Buhe und Karsten Doll von der Firma Rettungstechnik Doll aus Schönebeck arbeiten an einem Fahrzeug.
Foto: Annika Baake-Doll

„Wer arbeitnehmerfreundlich sein möchte, muss sich Zeit für seine Mitarbeiter nehmen“, findet Doll. Die Tür zum Chef müsse offenstehen. Flexible Arbeitszeiten gibt es in seiner Firma auch in der Werkstatt. Wenn ein Kollege mittags eine Stunde etwas für die Familie erledigen müsse, könne er die Zeit nacharbeiten.

Die Mitarbeiter bei Doll sind zwischen 23 und 46 Jahren alt. Dementsprechend haben viele kleine Kinder. Wenn es nicht anders geht, können die Mitarbeiter ihre Kinder auch mit auf Arbeit bringen. Auch Homeoffice ist im Bürobereich möglich.

„Wir wollen es den Arbeitnehmern angenehm machen. Dann bekommen wir auch produktive Mitarbeiter und geringe Ausfallzeiten“, ist sich Doll sicher. Es gebe viele Menschen, die diese Bemühungen wertschätzten.

Rettungstechnik Doll bekommt in diesem Jahr auch das Landessiegel für mitarbeiterorientierte Unternehmen. Es wird von der Landesinitiative „Fachkraft im Fokus“ verliehen. Arbeitgeber müssen eine Befragung unter ihren Mitarbeitern durchführen, um das Siegel zu bekommen.

Getec in Magdeburg: Ein eigener Kindergarten

Eines der wenigen Unternehmen im Land, das eine eigene Betriebskita hat, ist Getec in Magdeburg. Die Unternehmensgruppe stiftete das Kita-Gebäude an der Firmenzentrale im Jahr 2014 und übergab es dann in die Trägerschaft der Johanniter-Unfall-Hilfe, teilt ein Sprecher mit. Deshalb werden hier nicht nur Mitarbeiter-Kinder betreut. Getec habe für die eigenen Mitarbeiter in jedem Jahrgang allerdings ein Kontingent.

Thomas Stephanblome, CEO der Getec Plattform Deutschland, teilt mit: „Familienfreundlichkeit und eine Betriebskita sind für uns nicht nur ethische und moralische Verpflichtungen, sondern auch eine Investition in die Zukunft unseres Unternehmens.“ Neben der Kita biete man den Mitarbeitern auch auf die Lebensumstände zugeschnittene Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten.

Stadtwerke in Magdeburg: Baby-Bonus bei der Geburt

Ein Vorreiter in Sachen Familienfreundlichkeit sind seit vielen Jahren die Stadtwerke Magdeburg. „Wenn man die Familie hinten anstellen muss, um zur Arbeit zu gehen, wird das auf Dauer nicht gut gehen“, sagt Anja Keßler-Wölfer, Leiterin der Unternehmenskommunikation. In Vorstellungsgesprächen fragen Bewerber ihr zufolge verstärkt nach familienfreundlichen Vorteilen.

Jennifer Schäfer von den SWM Magdeburg spielt mit einem Mitarbeiterkind im Rahmen das Familientages 2022.
Jennifer Schäfer von den SWM Magdeburg spielt mit einem Mitarbeiterkind im Rahmen das Familientages 2022.
Foto: Andreas Lander

Dazu gehört bei den Stadtwerken zum Beispiel die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten. Das nutzen laut Personalreferentin Claudia Morgan bereits fast 100 der etwa 800 Mitarbeiter, auch im Schichtbereich. Männer seien hierbei deutlich im Kommen. Zudem sei es mittlerweile völlig normal, dass auch die Väter Elternzeit nehmen. Als Willkommensgeld gibt es weiterhin 500 Euro für jedes neugeborene Baby. Zusätzlich gibt es einen Zuschuss von 50 Euro monatlich zur Kinderbetreuung, egal ob Kita oder Kindertagespflege.

Die Mitarbeiter können flexibel arbeiten, wenn sie in der Familie kurzfristig gefragt sind. Neben der Kinderbetreuung nennt Claudia Morgan hier auch explizit die Pflege von Angehörigen. Bei belastenden Situationen können sich die Mitarbeiter kostenfrei und anonym an den Telefonservice „Awo Lifebalance“ wenden, mit dem die Stadtwerke kooperieren.

Das werde zwar nicht massenhaft von den Mitarbeitern genutzt, sagt Morgan. „Aber wenn wir damit nur einem helfen, der nicht aussteigt, hat sich das schon gelohnt.“ Der Dienst hilft auch bei der Vermittlung von Heim- und Kita-Plätzen.