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Gericht rügt Fehlentscheidung  Sorgerecht entzogen – aber war das wirklich zum Wohl der Kinder?

Drei Kinder wurden gegen den Willen der Mutter in einer Wochengruppe untergebracht. Jetzt kassiert das Oberlandesgericht in zweiter Instanz die Entscheidung – und sendet ein klares Signal: Kinderschutz darf keine Strafe für Eltern sein.

Von dpa 10.06.2025, 10:20
Gericht betont Grundsatz: Fehlverhalten der Eltern darf kein Maßstab für Sorgerechtsentzug sein.
Gericht betont Grundsatz: Fehlverhalten der Eltern darf kein Maßstab für Sorgerechtsentzug sein. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Wird der Mutter, dem Vater oder beiden das Betreuungsrecht ihrer Kinder entzogen und sie vom Jugendamt in einer Wochengruppe untergebracht, muss das zu ihrem Wohl geschehen. Kein Grund dagegen dürfen Kindesschutzmaßnahmen als Bestrafung der Eltern für etwaiges Fehlverhalten sein.

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Auf diese Klarstellung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Az: 1 UF 186/24) verweist die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

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Wegen Elternstreit: Kinder mussten vorübergehend ausziehen

Im konkreten Fall ging es um drei Kinder (12, 10 und 7), die seit der Trennung der Eltern bei der Mutter lebten. Das Verhältnis der Eltern war allerdings von massiven Konflikten geprägt. Im Verlaufe des andauernden Streits forderte der Vater das alleinige Sorgerecht.

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Im eingeleiteten Verfahren brachte eine gerichtliche Sachverständige die Möglichkeit einer vorübergehenden Fremdunterbringung der Kinder ins Spiel. Einen Termin zum Kennenlernen einer Jugendhilfeeinrichtung, in der die Kinder in eine Wochengruppe umziehen könnten, lehnte die Mutter ebenso ab wie den Umzug dorthin. Daraufhin beantragte der Vater, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.

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OLG rügt Amtsgericht – Entzug des Sorgerechts war unverhältnismäßig

Das Amtsgericht entzog schließlich beiden Eltern das Sorgerecht in mehreren Teilbereichen. Die Kinder wurden in einer Wochengruppe untergebracht und verbrachten die Wochenenden im Wechsel bei ihren Eltern. Dagegen legten beide Eltern Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht entschied, das Sorgerecht wieder den Eltern zur gemeinsamen Ausübung zuzuweisen. Der Entzug sei unverhältnismäßig gewesen, so das Gericht. Er sei nicht das einzig gebotene und verhältnismäßige Mittel gewesen, um die Gesamtsituation der Geschwister zu verbessern.

Sachverständige brachte Fremdunterbringung ins Spiel

Zwar müsse man die Beeinträchtigung der Kinder durch den massiven Streit ihrer Eltern berücksichtigen. Es gebe aber andererseits für die Kinder bei einer Herausnahme aus ihrem Zuhause schwerwiegende Entwicklungsrisiken. Der Umzug in die Wochengruppe habe für sie eine komplette Entwurzelung bedeutet, unter anderem von ihrem Zuhause, ihrer Mutter und den bisherigen Schulen.

Herausnahme bedeutete emotionale Entwurzelung

Wenn das Verhalten der Mutter auch eine wichtige Rolle im Streit zwischen den Eltern gespielt habe, müssten Maßnahmen zum Schutz des Kinds sich allein am Kindeswohl orientieren. Es gehe dabei nicht darum, persönliche Schwächen der Eltern auszugleichen oder angebliches Fehlverhalten zu bestrafen. Solche Dinge dürften kein Maßstab für Entscheidungen zum Sorgerecht sein.