1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Familie
  6. >
  7. Bildung: Ist mein Kind hochbegabt? Das sollten Eltern aus Sachsen-Anhalt wissen

Bildung Ist mein Kind hochbegabt? Das sollten Eltern aus Sachsen-Anhalt wissen

Wenn Eltern vermuten, dass ihr Nachwuchs hochbegabt ist, sollten sie sich Rat holen – den gibt es auch in Sachsen-Anhalt. Zwei Mütter und ein Experte berichten.

Von Robert Gruhne 15.10.2023, 18:14
Hochbegabt sind alle Menschen mit einem IQ von mindestens 130. Das trifft auf etwa zwei Prozent zu.
Hochbegabt sind alle Menschen mit einem IQ von mindestens 130. Das trifft auf etwa zwei Prozent zu. Foto: dpa

Magdeburg/Halle - Warum verstehe ich mein Kind nicht mehr? Das fragte sich Patricia Kortig (Name geändert) aus Magdeburg immer häufiger. Der Sohn war einerseits oft mürrisch und unzufrieden, als er kurz vor der Einschulung stand. Andererseits konnte er sich unzählige Figuren aus Geschichten präzise merken. Kortig hatte eine Vermutung: Konnte es sein, dass ihr Kind hochbegabt ist?

Schon vorher hatte sich die Mutter mit Kinder- und Jugendtherapeuten über das Verhalten ihres Sohnes beraten. „Niemand hatte etwas von Hochbegabung gesagt. Ich fühlte mich hilflos“, erinnert sich die Mutter.

Auch Anke Früh (Name geändert) war lange unsicher, wie sie mit ihrer Tochter umgehen sollte. Das Kind konnte schon vor dem zweiten Geburtstag ganze Lieder singen und sich unterhalten. Oft war das Mädchen aber auch unausgeglichen und fühlte sich unter anderen Kindern allein, berichtet die Mutter. „Sie hat sich immer dumm gefühlt, weil sie die Spiele nicht verstanden hat. Sie hat immer nach tieferen Regeln gesucht, aber die anderen Kinder haben nur Pferdestall gespielt“, erinnert sich Früh.

Lesen Sie auch: Kinder im Visier: Warum "Cybergrooming" eine Gefahr ist und wo Eltern Hilfe finden

Viele Mythen über Hochbegabung kursieren

Sie vermutete ebenfalls, dass ihr Kind hochbegabt sein könnte – für viele Eltern immer noch ein Tabuthema. Auch deshalb will die Mutter anonym bleiben. „Man blamiert sich ja, wenn man sagt: Mein Kind ist hochbegabt“, findet Früh.Schließlich wandten die beiden Mütter sich unabhängig voneinander an die Beratungsstelle Brain an der Uni in Halle.

„Als hochbegabt zählt erst einmal nur, wer einen IQ von mindestens 130 hat“, sagt Pablo Pirnay-Dummer. Das treffe auf etwa zwei Prozent der Bevölkerung zu. Der Professor für Pädagogische Psychologie leitet Brain und weiß über die vielen Mythen, die über Hochbegabte kursieren: „Hochbegabte haben keine grundsätzlich spezifischen Persönlichkeitsmerkmale.“

Dieser Text ist Teil der großen Serie: FamilienLeben in Sachsen-Anhalt.
Dieser Text ist Teil der großen Serie: FamilienLeben in Sachsen-Anhalt.
Logo: VS

Diese ergäben sich erst aus mangelnder Förderung. „Hochbegabte sind eine Gruppe, um die man sich besonders kümmern muss“, sagt Pirnay-Dummer. So könne für sie der Schulalltag zum Zwang werden, wenn man sie nicht fordere. Dann entstehe ein hohes Risiko für psychische Schäden.

Entscheidend sei die richtige Diagnostik. Die Beratungsstelle Brain bietet seit 2012 wissenschaftlich fundierte Tests der intellektuellen Leistungsfähigkeit an. Ein solcher Test kostet anderswo teilweise mehrere hundert Euro. In Halle ist er kostenlos, aber dafür beträgt die Wartezeit aktuell auch mindestens vier Monate.

Hochbegabung: Eltern sollten auf ihr Bauchgefühl hören

Patricia Kortig und Anke Früh ließen ihre Kinder schließlich in Halle testen. „Als meine Vermutung bestätigt wurde, war das für mich eine Erleichterung“, sagt Kortig. Anderen Eltern rät sie, auf ihr Bauchgefühl zu hören.

Der Test und die anschließende Beratung hätten ihr geholfen, ihr Kind zu verstehen. Ein Beispiel: Wäre ihr Sohn nicht hochbegabt, würde sie seine vielen Hobbys eher zurückschrauben. „So lasse ich ihn jetzt gewähren.“ Ihrem Sohn hat sie von dem Ergebnis nichts erzählt. „Er hat keinen Leidensdruck und fühlt sich nicht anders“, sagt Kortig. Er wollte das Testergebnis ihr zufolge gar nicht wissen, um sich selbst nicht unter Druck zu setzen oder enttäuscht zu sein.

Anke Früh hat es anders gemacht und mit ihrer Tochter über das Testergebnis gesprochen, das ihre Vermutung bestätigte. „Sie kann sich selbst jetzt besser verstehen und ich sie auch“, sagt die Mutter. Früh meint außerdem: „Ich wünsche mir, dass wir nicht mehr in Klischees denken und mehr Beratungsangebote schaffen, auch für Lehrer.“