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Nach Angriff in Halle Wenn Toben zur Gefahr wird: Wie laut dürfen Kinder eigentlich sein?

Nach einem Messerangriff in Halle steht der Verdacht im Raum: Kinderlärm könnte das Motiv gewesen sein. Was sagt das Gesetz? Wann Kindergeräusche hinzunehmen sind – und wo die Grenzen liegen. Ein Blick auf Recht, Realität und Verantwortung.

Von Jessica Quick und Katja Fischer Aktualisiert: 19.05.2025, 12:26
Wo Kinder zu Hause sind, kann es schon mal lauter werden. Nachbarn müssen das ertragen.
Wo Kinder zu Hause sind, kann es schon mal lauter werden. Nachbarn müssen das ertragen. (Foto: dpa)

Halle (Saale). Nach einem Messerangriff in Halle steht ein erschreckender Verdacht im Raum: Der mutmaßliche Täter, ein 46-jähriger Mann, soll durch Kinderlärm zur Tat getrieben worden sein. Was war passiert – und wie laut dürfen Kinder in einer Wohnung oder im Wohnumfeld eigentlich sein?

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Kinder spielen, rennen, lachen, weinen – all das gehört zum ganz normalen Alltag. Doch manchmal empfinden Nachbarn diese Geräusche nicht mehr als niedlich, sondern als störend. In Halle-Neustadt, einem Stadtteil von Halle, soll genau das zu einer dramatischen Eskalation geführt haben: Ein Mann griff am Sonntagabend Nachbarn mit einem Messer an. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft könnte der Auslöser Kinderlärm gewesen sein.

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Der Vorfall wirft Fragen auf, die viele Eltern und Anwohner bewegen: Wo endet die Toleranz – und wann müssen Kinder sich „leise verhalten“?

Kinderlärm ist (meist) kein Ruhestörer

„Geräusche, die von Kindern verursacht werden, sind grundsätzlich zu tolerieren“, sagt Anja Franz vom Mieterverein München. Das gilt auch für Mietwohnungen. Wenn Kinder in der Wohnung spielen, durch die Zimmer rennen oder laut lachen, müssen Nachbarn das hinnehmen. Selbst weinende Babys in der Nacht gelten laut Rechtsprechung als Teil des normalen Lebens – und dürfen kein Grund für Beschwerden sein.

Das bestätigt auch der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 226/16): Kinderlärm ist in der Regel zumutbar und gilt als sozialadäquat – besonders in einem Mehrfamilienhaus. Doch das bedeutet nicht, dass Nachbarn völlig schutzlos sind.

Wo das Verständnis endet – und das Recht greift

Die erhöhte Toleranz für Kinderlärm hat juristische Grenzen. Wenn die Lärmbelästigung regelmäßig und übermäßig stark auftritt, etwa durch stundenlanges Poltern, Schreien oder Springen, kann ein Mieter dagegen vorgehen. Entscheidend ist laut Bundesgerichtshof immer der Einzelfall – also unter anderem die Dauer, Uhrzeit, Qualität des Lärms, das Alter des Kindes und auch sein Gesundheitszustand.

Außerdem ist relevant, ob die Geräusche durch erzieherische Maßnahmen oder bauliche Veränderungen (z. B. Teppiche, Trittschalldämmung) vermieden oder vermindert werden können. Ein Gespräch mit den Eltern oder dem Vermieter ist oft der erste Schritt – gerichtliche Auseinandersetzungen sind aufwendig und selten zielführend.

Spielplätze in der Nähe? Kein Grund für Mietminderung

Auch draußen, etwa auf Sport- oder Bolzplätzen, ist Kinderlärm grundsätzlich erlaubt. Selbst wenn das fröhliche Gekreische regelmäßig bis in die Wohnung dringt: „Das gilt als sozialadäquat und stellt keinen Mangel an der Mietsache dar“, erklärt Gerold Happ vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Der Vermieter kann hier nicht eingreifen – und Mieter haben kein Recht auf Mietminderung.

Frust, Wut – und Gewalt? Was der Fall in Halle zeigt

Der mutmaßliche Messerangriff in Halle zeigt auf tragische Weise, wie sehr sich Ärger über Lärm aufstauen kann – und wie schnell dieser in Gewalt umschlagen kann. Doch Kinder sind keine Ruhestörer, sondern Menschen mit Entwicklungsbedürfnissen. Eine gesunde Gesellschaft muss kindgerechten Lärm nicht nur dulden, sondern aushalten. Gleichzeitig brauchen Nachbarn, die sich gestört fühlen, Anlaufstellen, bevor der Frust eskaliert.

Fazit: Kinder dürfen laut sein – aber nicht immer und überall. Die Grenze verläuft dort, wo Rücksichtslosigkeit beginnt. Doch Gewalt darf niemals die Antwort auf Kinderlärm sein.