Neues Buch hilft Eltern bei Krisengesprächen „Mama, kommt der Krieg auch zu uns?“ – Peter Maffay schreibt bewegendes Vorwort
Wie spricht man mit Kindern über Krieg, Krisen und Angst? Die ZDF-Moderatorin und zweifache Mutter Sara Bildau hat dazu einen einfühlsamen Elternratgeber geschrieben: „Mama, kommt der Krieg auch zu uns?“. Im Vorwort warnt Musiker Peter Maffay davor, Kinder mit ihren Ängsten allein zu lassen.

Krieg und Krisen prägen unsere Gegenwart. Das bemerken auch Kinder und Jugendliche und sind verunsichert. Vielen Eltern fällt es schwer, auf die Fragen ihrer Kinder zu diesen Themen passende Antworten zu finden. Sie wollen ihre Kinder nicht überfordern oder belasten.
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Sara Bildau, Mutter zweier Töchter (fünf und zehn Jahre alt) und Moderatorin der „heute“-Nachrichten im ZDF, findet: Eltern sollten keine Angst haben, mit ihren Kindern über düstere Themen zu sprechen. Sie hat daher ein Sachbuch mit dem Titel „Mama, kommt der Krieg auch zu uns?“ geschrieben.
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Für das Vorwort konnte die Journalistin Peter Maffay gewinnen. „Aus meiner Sicht wäre das Schlimmste, unsere Kinder mit ihren Fragen und Nöten alleinzulassen“, sagt der Musiker. Das Zweitschlimmste sei, sie zu unterschätzen. „Das hat mich meine kleine Tochter Anouk gelehrt, als wir darüber sprachen, was der Krieg mit den Menschen macht.“
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Ein wichtiges Thema, das alle Eltern beschäftigt. Thomas Paterjey hat mit der Autorin Sara Bildau über den behutsamen Umgang mit Kindern gesprochen.
Frau Bildau, leben wir in besonders unsicheren Zeiten?
Sara Bildau: Über diese Frage habe ich schon viel nachgedacht. Ich habe zum Beispiel mit meiner Mutter, also mit jemandem aus einer anderen Generation darüber gesprochen. Sie sagt, früher gab es auch unsichere Zeiten. Der große Unterschied aber: Heute treffen so viele Krisen aufeinander und Medien berichten 24 Stunden am Tag.

Ich verspüre derzeit oft ein Gefühl der Unsicherheit – für mich persönlich, für meine Familie, für mein direktes Umfeld. Die Konflikte und Katastrophen dieser Welt sind nicht nur gefühlt näher gekommen, sondern auch geografisch: Der Ukraine-Krieg ist direkt vor unserer Haustür.
Die Klimakrise bemerken wir in unserem Alltag immer mehr, auch wenn sie überhaupt nicht neu ist. Die Krisen und Konflikte sind uns zuletzt sehr viel bewusster geworden als früher.
Bei vielen Erwachsenen ist die Verunsicherung groß. Eine der wichtigsten Aufgabe von Eltern ist es, ihren Kindern ein Gefühl von Sicherheit zu geben – auch dann, wenn man selbst unsicher ist. Das ist keine leichte Aufgabe.
Sara Bildau: Genau, es ist heutzutage nicht mehr so einfach, den Kindern ihre Ängste zu nehmen. Das bemerke ich auch bei mir zu Hause. Als meine große Tochter noch kleiner war und es um das Gespenst im Kleiderschrank ging, was sie dort vermutet hat, konnte ich noch sagen: „Nee, nee, da ist nichts.“ Wenn mich meine Tochter jetzt fragt „Mama, kommt der Krieg auch zu uns?“, da muss ich selbst schlucken. Das ist natürlich auch eine Sorge, die ich tief in mir trage.
Diese Frage kann ich nicht mehr so einfach wegwischen mit einem „Nein, das passiert nicht“. Ich muss ihr das erklären: „Ich glaube es nicht – aus den und den Gründen.“ Zum Beispiel kann ich mit ihr über die Nato sprechen, natürlich kindgerecht, nach dem Motto: Zusammen sind wir stark!
Das Problem oft: Solche Fragen erwischen Eltern eiskalt, unvorbereitet. Diese Erfahrung war der Grund für mich, warum ich das Buch zu dem Thema geschrieben habe. Ich hatte manchmal selbst einfach keine Antworten auf die Fragen.
Und das sagen Sie als Medienschaffende, die sonst im Fernsehen erklärt, was auf der Welt passiert!
Sara Bildau: Das ist etwas ganz anderes! In meinem Job bin ich professionell und nicht so emotional wie daheim. Wir Eltern lieben unsere Kinder und haben deshalb alle das gleiche Problem bei solchen Themen: Wir wollen ehrlich sein, ihnen aber nicht noch mehr Angst machen.
Sie haben sich für Ihr Buch mit vielen Experten ausgetauscht. Sie schreiben, dass Eltern keine Angst davor haben müssten, vor ihren Kindern ihr eigenes Unwissen und auch eigene Unsicherheiten einzugestehen.
Sara Bildau: Ich habe zu diesem Thema mit mehreren Psychologen gesprochen. Und deren Antwort war ganz klar: Ihre Kinder merken sowieso, dass Sie nicht allwissend sind. Sicherlich kommt es noch einmal darauf an, wie alt die Kinder sind. Es ist etwas anderes, ob ich mit einem Kitakind über Themen wie die Messerattacke auf die Kindergartengruppe in Aschaffenburg spreche oder einem Grundschulkind oder einem Teenie. Das differenziere ich in meinem Buch. Aber wenn ich gefragt werde: „Warum hat der Mann in Aschaffenburg das gemacht?“, dann kann ich ehrlich sagen: „Ich verstehe das auch nicht!“

Das hilft Kindern übrigens: Zu wissen, dass sie mit ihrem Unverständnis nicht alleine sind. Aber damit ist es für uns Eltern nicht getan, denn meist steckt ja eine Frage hinter der Frage. Oft hilft es, mit Gegenfragen herauszukitzeln, was das Kind genau wissen möchte. So checkt man den Wissensstand ab und vermeidet, dass man die Kinder mit Vorträgen über Dinge, die sie gar nicht wissen wollen, überfordert.
Ganz oft steckt die Sorge dahinter, ob so etwas Schreckliches auch einem selbst passieren kann. Und diese Frage stellen wir uns als Erwachsene ja auch.
Und das ist wirklich keine Frage, auf die wir Erwachsenen eine abschließende Antwort haben.
Sara Bildau: Nein, und deswegen können wir als Mama oder Papa auch nicht einfach sagen „Nein, das kann uns nicht passieren!“ Ich kann aber natürlich mit meinem Kind darüber sprechen, wie unwahrscheinlich so eine Attacke ist. Oft hilft es Kindern, sich das besser vorzustellen, wenn wir Vergleiche ziehen. Zum Beispiel: Es ist viel wahrscheinlicher, dass jemand an einer Vergiftung stirbt, als dass er bei einem Anschlag umgebracht wird. „Kennst du jemanden, der an einer Pilzvergiftung gestorben ist?“ „Nein.“ Das ist die klügere Strategie. Wir sollten solche Fragen nicht versuchen, mit bloßen Floskeln zu beantworten.
Ein gut gemeintes „Du musst keine Angst haben“ ist also ein absolutes No-Go?
Sara Bildau: Die Angst ist ja trotzdem da! Ich kann das hundertmal sagen: „Du musst keine Angst haben.“ Ich muss versuchen, ihnen die Hintergründe zu erklären, soweit mir das möglich ist. Man darf die Fragen der Kinder nicht einfach abtun. Mit einem „Dafür bist du zu jung“ oder „Das ist nichts für Kinder“ mache ich ihnen noch mehr Angst und es wird noch interessanter.
Tatsächlich bekomme ich jetzt wegen des Buchs viele Zuschriften von aufgebrachten Eltern, die glauben, ich würde dazu animieren, mit Kindern über Krieg und Terror zu sprechen. Das sage ich aber gar nicht! Es ist aber absurd zu glauben, dass Kinder die Krisen und Katastrophen dieser Welt nicht so oder so mitkriegen – über die Medien, bei Gesprächen zu Hause, in der Schule. Auch in der Kita können sie diese Themen schon aufschnappen.
Zum Teil sind das nur Informationsfetzen, und da muss ich meine Kinder an die Hand nehmen. Ich kann sie nicht mit diesen Informationsfetzen alleine lassen. Ich darf sie dann nicht überfordern, aber ich kann auch nicht sagen: „Dafür bist du zu jung.“
Das Buch: Sara Bildau, „Mama, kommt der Krieg auch zu uns?“, mit einem Vorwort von Peter Maffay, 22,99 Euro
Die Autorin: Sara Bildau ist Journalistin und TV-Moderatorin beim ZDF („heute“-Nachrichten). Sie ist Mutter zweier neugieriger Kinder im Kita- und Schulalter und hat es sich zur Aufgabe gemacht, das mitunter komplexe Weltgeschehen auch zu Hause altersgerecht an ihre Kinder zu vermitteln. Sie lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf und Mainz.