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Paar-Psychologie Trennung ohne Rosenkrieg: Wie eine Mutter aus Magdeburg ihr Kind beschützt

Wenn Eltern sich trennen, steht ein Kind auf einmal vor einer komplett neuen und oft herausfordernden Situation. Umso wichtiger ist es, dass die Ex-Partner sich nicht von den eigenen Emotionen überwältigen lassen, sondern bei allen Schritten vor allem an ihr Kind denken. Wie es gelingt, kein Paar mehr zu sein und weiterhin ein gutes Eltern-Team zu bleiben.

Von Helene Kilb Aktualisiert: 15.01.2024, 12:30
Für Kinder bedeutet eine Trennung oft viel Schmerz.
Für Kinder bedeutet eine Trennung oft viel Schmerz. Foto: Imago/imageBROKER

Am Anfang, vor acht Jahren, waren sie furchtbar verliebt, erzählt Anica Schütz, die in Biederitz nahe Magdeburg wohnt. „Ein Dreivierteljahr nach dem ersten Treffen hat er mir einen Heiratsantrag gemacht. 2018 kam unsere große Tochter zur Welt, und da wir uns gut auf sie vorbereitet hatten, haben wir das gut hinbekommen.“

Gleichzeitig gab ihre Tochter den Anstoß für Schütz’ persönliche Entwicklung: „Meine eigene Kindheit habe ich nicht in bester Erinnerung, vor allem, weil ich selbst aus einer Reihe von Scheidungsahnen komme. Schon meine Urgroßmutter, Großmutter und Mutter haben sich scheiden lassen“, erzählt sie. „Ich habe mich deshalb viel mit Psychologie beschäftigt und dann eine Weiterbildung zur tiefenpsychologischen systematischen Beraterin gemacht.“

Neun Monate nach der Geburt ihrer ersten Tochter wurde Schütz wieder schwanger. „Aber als die Kleine dann da war, wurde mein Mann anfangs nicht richtig warm mit ihr“, sagt Schütz. „Gleichzeitig hatte mein Mann sich ein großes Projekt am Haus vorgenommen. Die Zeit wurde zur Belastungsprobe für die ganze Familie.“ Darüber hinaus wagte Schütz in der zweiten Elternzeit einen großen beruflichen Schritt, indem sie sich als Familiencoachin selbstständig machte. „Das waren viele Veränderungen in kurzer Zeit“, sagt Schütz.

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„Rückblickend war das Problem bei uns, dass wir uns gegenseitig nicht in der Entwicklung mitnehmen konnten.“ Sie und ihr damaliger Mann kämpften dennoch um ihre Ehe: „Wir haben viel zu zweit unternommen, Beratungsstellen aufgesucht, mit psychologischer Unterstützung alles aufgearbeitet“, sagt Schütz. „Aber wir haben nicht mehr zueinandergefunden. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem wir wussten: Das geht nicht mehr.“

Scheidung: Eine Krise ist noch keine Katastrophe

Viele Beziehungen enden wie bei Anica Schütz und ihrem Mann: Statistisch gesehen wird etwa jede dritte Ehe in Deutschland geschieden. Bei etwas mehr als der Hälfte davon sind Kinder betroffen – und das macht die Situation sehr schwierig: „Kinder wünschen sich natürlich nie, dass die Eltern sich trennen“, sagt Anne Grundmann vom Caritasverband in Magdeburg, die als Sozialpädagogin und Familientherapeutin bei Fragen rund um Ehe, Familie, Trennung und Scheidung berät.

Anica Schütz, die in Biederitz nahe Magdeburg wohnt, hat sich vergangenes Jahr von ihrem Partner getrennt.
Anica Schütz, die in Biederitz nahe Magdeburg wohnt, hat sich vergangenes Jahr von ihrem Partner getrennt.
Foto: Andreas Stedtler

Ihr zufolge sollten sich Eltern jedoch vor Augen halten: „Eine Trennung ist eine krisenhafte Situation, aber keine Katastrophe. Gerade wo viele Streitigkeiten und Aggressionen aufkommen, stellt eine Trennung eine Erleichterung für alle dar.“ Allerdings sei das Gelingen einer Trennung oder Scheidung stark vom Verhalten der Eltern abhängig: „Je besser die Kommunikation zwischen den Eltern funktioniert und je mehr sie sich am Wohlergehen der Kinder orientieren, desto besser ist es für die Kinder“, so die Expertin.

Eltern sollten Betreuungszeiten festlegen

Allerdings gestaltet sich gerade das oft schwierig: „Viele Eltern nehmen in einer Trennungssituation nicht sehr gut die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder wahr, weil ihre eigenen Interessen stark in den Vordergrund rücken.“ Auf einmal stehen viele Fragen im Raum, etwa danach, was als erstes passieren muss, welche Pflichten, Rechte und gesetzlichen Grundlagen es gibt, ob es einen Anwalt braucht oder wer auszieht. „Am liebsten soll alles auf einmal passieren und ganz schnell gehen, um die unangenehme Situation nicht so lange aushalten zu müssen“, sagt Grundmann. „Auch die Kinder befinden sich in einer Art Schwebezustand, auch weil sie alles ohnehin meist schon viel früher mitbekommen, als die Eltern glauben.“

So war es auch bei Anica Schütz: „Eines Abends sagte meine Kleine: „Mama, wäre es nicht gut, wenn wir mal eine Zeit lang woanders wohnen würden?“, erzählt sie. Das war im Mai 2023. Ausgezogen ist Schütz aber trotzdem erst im September – so blieb genug Zeit, um sich langsam zu trennen. „Bei uns gab es schon davor feste Tage, in denen einer separat die Kinder betreute und der andere Zeit für sich selbst hatte“, sagt Schütz. „So kannten es die Kinder schon, dass es Mama- und Papa-Tage gibt.“ Als klar war, dass sie und ihr Mann sich trennen würden, teilten sie auch die Wochenenden unter sich auf. „Dabei gab es anfangs noch die Möglichkeit, dem anderen eine Einladung auszusprechen, etwa: ,Wir haben uns für heute diese Aktivität vorgenommen, hast du Lust, dabei zu sein?’ Das haben wir innerhalb von vier oder fünf Wochen ausschleichen lassen, sodass es nur noch reine Mama- und Papa-Tage gab.“ Jetzt wechseln sie und ihr Mann sich in einem Rhythmus von zwei bis drei Tagen ab.

Hier finden Eltern Hilfe

In einem Beratungsgespräch erhalten Eltern Unterstützung und hilfreiche Unterlagen: etwa das Infoblatt „20 Bitten an geschiedene Eltern“ oder eine Checkliste für die nötigen Schritte, um die Trennung oder Scheidung zu vollziehen.

Kostenlose Beratungen bieten etwa die Beratungsstellen von ProFamilia, der Caritas oder der Diakonie an. Wer mag, kann auch einen Familientherapeuten aufsuchen. Hilfreich ist zudem die Broschüre „Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung“, herausgegeben von der Deutschen Liga für das Kind, dem Deutschen Kinderschutzbund und dem Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter.

Auch der Austausch mit anderen getrennt lebenden Eltern kann helfen: In Sachsen-Anhalt ermöglicht das zum Beispiel der Interessenverband Unterhalt & Familienrecht (ISUV) oder der Verein Väteraufbruch für Kinder.

„Gerade am Anfang haben wir die Kinder möglichst in der Kita übergeben, also so, dass einer die Kinder bringt und der andere sie holt“, erzählt Schütz. „Außerdem habe ich den Erziehenden relativ früh Bescheid gesagt, dass wir uns getrennt haben. Dadurch konnten sie das supergut auffangen.“ Auch wenn es schwer fällt: Sich Zeit lassen, um die Trennung geordnet zu vollziehen, ist auf jeden Fall eine gute Idee. „Für Kinder ist es der allerbeste Weg, wenn Eltern sich untereinander und ohne Gericht einigen“, sagt die Familientherapeutin Grundmann.

Was Eltern bei der Trennung beachten sollten

Als Erstes rät sie, die Entscheidung gemeinsam zu verkünden – und zwar umso einfacher und kürzer, je jünger das Kind ist. „Dabei sollten sie den Blick nicht auf das Warum und alles Vergangene richten, sondern darauf, was bleiben und was sich in Zukunft verändern wird: etwa was mit dem Kinderzimmer oder dem Kontakt zu Freunden oder Großeltern passiert.“

Familientherapeutin Anne Grundmann
Familientherapeutin Anne Grundmann
(Foto: Luise Hoffmann)

Für ältere Kinder ist ein Kalender hilfreich, in dem sie sehen, wann welches Elternteil sie betreut. „Wichtig ist auch, den Kindern zu vermitteln, dass sie keine Schuld an der Trennung tragen“, sagt Grundmann. „Absolut zu vermeiden sind Vorwürfe, Manipulationen oder negative Kommentare zum Expartner. Kinder wollen loyal zu beiden Elternteilen sein und Loyalitätskonflikte sorgen bei ihnen für immensen Stress.“

„Für ältere Kinder ist ein Kalender hilfreich, in dem sie sehen, wann welches Elternteil sie betreut.“

Anne Grundmann, Familientherapeutin

Generell sollten sich die Emotionen und Belange der Erwachsenen ausschließlich auf Elternebene abspielen. „Idealerweise gibt es kinderunabhängige Kommunikation, in der die Eltern Übergaben abklären, Absprachen treffen oder Unterhaltsfragen klären“, sagt Grundmann. „Was dabei hilft, ist anzuerkennen, dass der andere ein Teil des Kindes ist und dass es für eine gute Erziehung beide Elternteile braucht.“ Durch diese Wertschätzung verliere sich die Aggressivität und Bösartigkeit gegenüber dem Expartner oder der Expartnerin, so die Expertin.

Eine Scheidung ist ein einschneidendes Erlebnis

Auch Anica Schütz sagt: „Wir haben darauf geachtet, nicht vor den Kindern zu streiten, vor allem nicht über das Thema Geld. Wir haben alle Dinge nach und nach zusammen mit einer Familienberaterin geklärt und teilweise schriftlich festgehalten, auf neutralem Boden und zu festen Terminen, damit es kein Dauerthema wurde.

So hatten wir zwischendurch den Kopf frei für die Kinder, die anfangs natürlich viel Begleitung brauchten.“ Rückblickend seien die Trennung von ihrem Mann und die bevorstehende Scheidung ein einschneidendes Erlebnis, „nichts, was man direkt gut wegsteckt“, sagt sie. „Aber ich bin der Meinung, dass wir das, auch wenn wir unsere Schlammschlachten hatten, trotzdem nahe am Optimalfall gelöst haben.“