Jugendliche und Wehrpflicht „Was, wenn ich in den Krieg muss?“ – Wie Eltern mit den Ängsten ihrer Kinder umgehen sollten
Die Wehrpflicht-Debatte sorgt nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch für Sorgen in Familien. Wie können Eltern auf Fragen zu Musterung, Wehrdienst oder Ersatzdienst reagieren – und wann ist der richtige Moment für ein klärendes Gespräch?

Magdeburg - „Mensch Mama, was ist, wenn ich zum Bund muss und dann in den Krieg ziehen soll?“, fragt ein Sohn. Der andere will wissen: „Papa, wie war das mit der Musterung eigentlich bei dir?“ Und auch bei manchen Eltern kreisen Gedanken durch den Kopf: „Will ich überhaupt, dass mein Kind dient?“
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Angst vor Wehrpflicht: Gespräche über Krieg und Pflicht nehmen zu
Die aktuelle Wehrdienst-Debatte, mögliche Kriegseinsätze und auch Fragen um Musterung oder Ersatzdienst sorgen nicht nur für erhöhten Beratungsbedarf bei Stellen für Kriegsdienstverweigerung, sondern bestimmen auch Gespräche in Familien mit Teenagern.
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Zeit nutzen, um eigene Haltung zu klären
Obwohl noch nicht klar ist, was auf sie im Detail zukommt, müsse man die Ängste, Sorgen und Nöte ernst nehmen, sagt Ulric Ritzer-Sachs.
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„Bis Sachen im Detail geklärt sind, ist es gut, wenn man die Zeit nutzt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine Haltung zu entwickeln“, rät der Erziehungsexperte bei der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Er hält die Diskussion für ein bisschen verkopft und hypothetisch, gibt aber Tipps, wie Familien damit umgehen können.
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Eltern zwischen eigener Vergangenheit und aktuellen Sorgen
Für viele Jugendliche sei Krieg bislang Lichtjahre weit weg gewesen. Das sei auch für Eltern schwierig, die merken: „Autsch, jetzt muss ich mich positionieren. Vielleicht war man ja in der eigenen Jugend vom Pazifismus geprägt, hat aber die Einstellung zum Wehrdienst inzwischen geändert und sagt sich etwa seit dem Balkan-Krieg: Heute würde ich ihn doch machen“, so Ritzer-Sachs.
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Man müsse auch mit Fragen eines heute 14-Jährigen rechnen: „Wie war das bei dir, Mama? Warum hast du nicht gedient?“ Oder: „Papa, was rätst du mir?“ In der Regel wolle man ja als Mutter und Vater, dass Kinder die eigene Haltung übernehmen. Aber die Haltung bei dieser Frage ist eine höchst individuelle. Und da müsse man sich auch den eigenen Ängsten stellen, etwa: „Halte ich es aus, wenn mein Kind Soldat wird?“
Gespräch nicht zwischen Tür und Angel führen
Auf alle Fälle sei das kein Gespräch, wo man sich zwischen Job und Einkauf nur 10 Minuten Zeit nimmt. „Wenn Fragen kommen, sollte man das Gespräch vertagen - auf den Abend mit ganz viel Zeit und Offenheit“, rät der Sozialpädagoge. Man könne etwa die Frage diskutieren: Was ist, wenn du nicht für unser Land sterben willst? Lässt du dann einen Gegner rein, wenn er vor dem Haus steht? Es könne aber auch eine Haltung sein: „Puh, bin ich froh, dass mich das nicht mehr betrifft.“
Diffuse Ängste ernst nehmen – aber realistisch bleiben
Wenn ein Kind sehr mit Ängsten kämpft, könne man es auch beruhigen und erklären: „Es ist nicht vorstellbar, dass in Deutschland jemand gezwungen wird, Soldat zu werden. Dann wird es einen Ersatzdienst geben, zu dem man sich melden kann.“
Dass eine Diskussion darum jetzt schon geführt wird, findet der Erziehungsberater gut. Aber er hält es nicht für sinnvoll, etwas präventiv zu verweigern, wenn es noch nichts zum Verweigern gibt. „Das ist irrational“, so Ritzer-Sachs.
Diffuse Ängste seien aber die schlimmeren Ängste. Auch da gilt, das Kind zu beruhigen: „Junge, die Musterung kommt nicht morgen, keine Panik.“
Wenn das Kind aber schon jetzt plant, bei einer späteren Musterung zu erklären: „Ich nehme keine Waffe ihn die Hand“, könne man das jetzt schon kundtun, etwa in dem man das seinem Abgeordneten schreibt und das Thema so von einem rechtlichen Problem zu einem gesellschaftspolitischen Problem erklärt, schlägt Ritzer-Sachs vor. Damit helfe man, es zu einer breiteren Diskussion zu machen.