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Mit warmen Händen geben Nießbrauch: Wenn frühzeitige Schenkungen Steuern sparen

Egal, ob Oldtimer, Immobilien oder Wertpapiere: Solches Vermögen lässt sich noch zu Lebzeiten übertragen. Wer sich dafür ein Nießbrauchrecht vorbehält, hilft Beschenkten dabei, Steuern zu sparen.

Von Monika Hillemacher, dpa 21.07.2025, 00:05
Schon zu Lebzeiten das Familienheim weitergeben, aber trotzdem weiter darin wohnen bleiben? Mit einem Nießbrauch ist das möglich.
Schon zu Lebzeiten das Familienheim weitergeben, aber trotzdem weiter darin wohnen bleiben? Mit einem Nießbrauch ist das möglich. Christin Klose/dpa-tmn

Düsseldorf/Hengersberg - Wenn es etwas zu erben gibt, kassiert der Staat häufig mit. Er fordert Steuern. Die Übertragung von Vermögen schon zu Lebzeiten kann diese Abgabe verringern. Eine Möglichkeit, das zu tun, geht über das Nießbrauchrecht. Fragen und Antworten zu dieser Strategie.

Was bedeutet Nießbrauch?

Hinter dem Begriff Nießbrauch steckt die Idee, dass eine Eigentümerin Vermögen an jemanden überträgt, während die umfassende Nutzung des Vermögens bei ihr verbleibt: So können Nießbrauchnehmer zum Beispiel weiterhin das übertragene Eigenheim bewohnen, Miete der übertragenen Mietwohnung kassieren oder mit der Dividende eines schon zu Lebzeiten weitergegebenen Wertpapierdepots die Rente aufbessern.

Der Nießbrauch wird in der Regel auf Lebenszeit vereinbart und im Kontext einer vorweggenommenen Erbfolge als Schenkung vorbehalten. Im Prinzip ist Nießbrauch damit nichts anderes als eine an eine Gegenleistung gebundene Schenkung. 

Worauf kann Nießbrauch angewendet werden?

Am bekanntesten ist es bei Immobilien. Der Klassiker ist das Eigenheim: Eltern schenken es ihren Kindern und lassen sich dafür lebenslanges Nießbrauchsrecht einräumen.

Unternehmer können aber auch ihren Betrieb und Geschäftsanteile unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts frühzeitig an Nachfolger übergeben. Die Verantwortung für die Firma liegt dann bei ihnen, während der Alteigentümer von der sogenannten Fruchtziehung profitiert. Etwa in Form einer regelmäßigen Gewinnausschüttung.

Kunstsammlungen, Oldtimer, Schmuck oder wertvollen Hausrat können Erblasser ebenfalls vorweg verteilen. „Ein Nießbrauch kann an Sachen, übertragenen Rechten und sogar am gesamten Vermögen begründet werden“, sagt Notarin Nina Bomhard aus dem bayerischen Hengersberg.

Für wen lohnt es sich, über Nießbrauch nachzudenken?

„Nießbrauch ist ein gern genutztes Instrument der vorweggenommenen Erbfolge“, erläutert Bomhard. So sinnvoll es sein kann, Vermögensnachfolge frühzeitig zu regeln, sollten Schenker nicht nur sorgfältig überlegen, wie sie sich absichern möchten, sondern auch Zeitpunkt und Umfang der Übertragung bedenken.

Ein wichtiger Ausgangspunkt sind die schenkungsrechtlichen Freibeträge. Sie variieren je nach Verhältnis zwischen Schenker und den zu Beschenkenden. Unter Ehepartnern beträgt der Freibetrag 500.000 Euro alle zehn Jahre, gegenüber Kindern 400.000 Euro. Erst wenn verschenktes Vermögen die Freibeträge überschreitet, fordert der Staat vom Beschenkten Steuern. Wer die Freibeträge mit seinem Vermögen also überschreitet, kann darüber nachdenken, vorzeitig etwas davon weiterzugeben. Das hilft Erben in spe, die Belastung durch Erbschaftsteuer zu verringern.

Und wie funktioniert der Steuerabzug?

Wer Vermögen wie Haus und Betrieb überlässt, kann sich über den Nießbrauch bereits angesprochene Nutzungsrechte vorbehalten. Der oder die Beschenkte ist damit nicht von der Schenkungsteuer befreit. Weil aber Nießbrauchrechte auf dem Vermögen lasten, „mindern sie den Wert der Schenkung und damit die Steuer“, erläutert Rechtsanwalt Marc Jülicher von der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV).

Wie hoch der Wert des jeweiligen Nießbrauchrechts anzusetzen ist, richtet sich auch nach dem Alter des Schenkenden. Vererbt dieser sein Vermögen schon mit Mitte 40, ist der Nießbrauchwert deutlich höher als wenn er es erst mit Mitte 80 weiterreicht. Dann ist seine restliche Lebenserwartung deutlich geringer und der Nießbrauchzeitraum überschaubar. Beschenkte müssen dann mehr Schenkungsteuer berappen. 

Wann sollte eine Übertragung stattfinden?

Die Antwort von Jülicher ist eindeutig: „Je früher, desto attraktiver die Schenkung.“ Wer mit 60 Jahren ein Mietshaus im Nießbrauchmodell überträgt, hilft künftigen Erben etwa 40 Prozent des schenkungsteuerlich relevanten Werts abzusetzen. Etwa 30 Prozent sind es, wenn erst mit 75 Jahren übertragen wird, wie Jülicher vorrechnet. Im optimalen Fall zahlen Beschenkte gar keine Steuer: Erhält ein Kind etwa ein Haus von den Eltern im Wert von 600.000 Euro, werden zunächst 400.000 Euro Freibetrag abgezogen. Wiegt der Nießbrauch durch die vorgezogene Schenkung die übrigen 200.000 Euro auf, ist das ein Nullsummenspiel, Schenkungsteuer wird dann nicht fällig.

Solche Berechnungen fußen zum einen auf dem Jahreswert des Nießbrauchs. Das sind zum Beispiel die Jahresmiete einer Eigentumswohnung oder die jährlichen Erträge eines Wertpapierdepots. Zum anderen werden Sterbetafeln und ein sogenannter Vervielfältiger herangezogen, den der Fiskus für lebenslange Nutzungen und Leistungen ansetzt. Die Daten ergeben sich aus statistischen Lebenserwartungen und werden daher Jahr für Jahr angepasst.

Wie wird der Nießbrauch vereinbart?

Bei beweglichen Sachen wie Auto, Schmuck und Kunst reichen Nina Bomhard zufolge schon eine Einigung zwischen Schenker und Beschenktem, auch mündlich, und Übergabe. Trotzdem rät sie, aus Beweisgründen eine schriftliche Abmachung zu treffen.

Bei Immobilien verlangt das Gesetz die Einigung in grundbuchtauglicher Form und die Eintragung des Nießbrauchs ins Grundbuch. Beschenkter und Nutznießer müssen also einen Notar oder eine Notarin einbinden.

Rentiert sich Nießbrauch in jedem Fall?

Nein. Aufgrund der komplexen Berechnungen kommt es nach Jülichers Erfahrung selten vor, dass der Steuervorteil komplett ausgeschöpft werden kann. Zu Bedenken ist auch: Bei der Berechnung der Schenkungsteuer unter Berücksichtigung des Nießbrauchs geht das Finanzamt davon aus, dass der Nießbrauchnehmer tatsächlich das Alter der statistischen Lebenserwartung erreicht. Verstirbt er kurz nach Vereinbarung eines Nießbrauchs, ist auch der Steuervorteil dahin.

Gerade bei Menschen mit hohen Vermögen, die schon in jüngeren Jahren Teile davon übertragen wollen, kann sich die Vereinbarung eines Nießbrauchs aber allemal rentieren.