Entlastungsbudget Auszeit für pflegende Angehörige: Das ist neu zum 1. Juli
Wenn pflegende Angehörige krank sind oder sich einen wohlverdienten Urlaub gönnen, müssen andere einspringen. Dann kommen Kurzzeit- oder Verhinderungspflege ins Spiel. Zum 1. Juli gibt es Neuerungen.

Düsseldorf/Berlin - Beim Waschen und Anziehen helfen, Einkäufe erledigen, Medikamente vorbereiten, den Überblick über Arzt- und Therapietermine behalten: Der Großteil der rund 5,7 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wird zu Hause von Angehörigen gepflegt. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
Das kostet Kraft - körperlich und psychisch. Was, wenn pflegende Angehörige selbst krank werden oder eine Auszeit zum Durchatmen und Auftanken brauchen? Dafür gibt es zwei Leistungen der Pflegeversicherung - die Kurzzeit- und die Verhinderungspflege. Die Pflegekasse zahlt dann Geld aus, damit Pflegebedürftige vorübergehend Ersatz finanzieren können.
Zum 1. Juli werden beide Geldtöpfe zusammengelegt. Dann können Pflegebedürftige bis zu 3.539 Euro pro Kalenderjahr enthalten. Das ist eine gute Nachricht: „Die Zusammenfassung der Leistungen zu einem gemeinsamen Jahresbetrag erleichtert es, die Leistungen zu nutzen“, so Verena Querling, Pflegerechtsexpertin der Verbraucherzentrale NRW.
Die wichtigsten Fragen dazu:
Was verbirgt sich hinter Kurzzeit-, was hinter Verhinderungspflege?
Vorab: Beide Leistungen kommen erst infrage, wenn mindestens ein Pflegegrad von 2 vorliegt. Dann gibt es diese Möglichkeiten:
- Entscheidet man sich für die Kurzzeitpflege, zieht die pflegebedürftige Person vorübergehend in ein Pflegeheim. Bislang gab es bis zu 1.854 Euro pro Kalenderjahr für bis zu acht Wochen.
- Bei der Verhinderungspflege bleibt die pflegebedürftige Person in ihren eigenen vier Wänden. Die Pflege übernimmt eine andere Person - das kann ein ambulanter Pflegedienst sein, aber auch die Nachbarin oder ein Verwandter. Die Leistung belief sich bislang auf bis zu 1.685 Euro im Kalenderjahr für bis zu sechs Wochen.
Die Verhinderungspflege lässt sich übrigens auch stundenweise in Anspruch nehmen - etwa, wenn pflegende Angehörige einen Kino- oder Friseurbesuch planen, so die Verbraucherzentrale NRW.
Bei regelmäßigen Abwesenheiten, wenn die pflegende Person etwa einmal in der Woche für einen beruflichen Präsenztag Ersatz organisieren möchte, kann dafür allerdings kein Geld aus der Verhinderungspflege fließen, heißt es von der Stiftung Warentest. Dann bleibt die Möglichkeit, die pflegebedürftige Person in einer Tagespflege unterzubringen. Auch dafür kann man Geld bei der Pflegekasse beantragen - es handelt sich dann aber um eine andere Leistung, Teilstationäre Tages- und Nachtpflege genannt.
Was ändert sich nun zum 1. Juli?
Wer vorher nur eine der Leistungen in Anspruch nehmen wollte, konnte dafür zwar mitunter Geld aus dem anderen Topf nutzen - oft jedoch nur einen Teil und mit „aufwendigen Umwidmungsanträgen“, so die Stiftung Warentest.
Ab dem 1. Juli gibt es also nur noch den einen Geldtopf für Kurzzeit- und Verhinderungspflege mit dem Gesamtbetrag bis zu 3.539 Euro pro Kalenderjahr, der für beide Leistungen genutzt werden kann.
Die Zusammenlegung bringt einige Veränderungen mit sich, die die Verhinderungspflege betreffen:
- Die Höchstdauer pro Kalenderjahr wird von sechs auf acht Wochen erhöht - und damit an die der Kurzzeitpflege angepasst.
- Die Vorpflegezeit entfällt: Bislang musste sich ein Angehöriger mindestens sechs Monate lang um die pflegebedürftige Person gekümmert haben - erst dann konnte Geld aus der Verhinderungspflege fließen. Der Anspruch besteht „künftig unmittelbar ab Vorliegen von mindestens Pflegegrad 2“, schreibt das Bundesgesundheitsministerium.
- Übernehmen enge Verwandte die Verhinderungspflege und üben diese nicht erwerbsmäßig aus, steigt der Betrag ab dem 1. Juli auf bis das Doppelte des Pflegegeldes. Beispiel: Bei Pflegegrad 3 wären das bis zu 1.198 Euro. Vorher lag der Betrag beim bis zu 1,5-fachen des Pflegegeldes.
Gut zu wissen: Während die Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege in Anspruch genommen wird, zahlt die Pflegekasse das Pflegegeld zur Hälfte weiter.
Was, wenn ich dieses Jahr schon Leistungen in Anspruch genommen habe?
Wurde bereits vor dem 1. Juli ein Teil des Anspruchs für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege genutzt, wird dieser vom Gesamtbudget von 3.539 Euro abgezogen. Den Restbetrag kann man in diesem Jahr noch einsetzen.
Wo und wie beantrage ich Kurzzeit- oder Verhinderungspflege?
Kurzzeit- und Verhinderungspflege muss weiterhin die pflegebedürftige Person beantragen. Angehörige können sie dabei unterstützen. Liegt eine Vorsorgevollmacht vor, können auch sie den Antrag stellen. Das geht auch online bei der jeweiligen Pflegekasse.
Die Verbraucherzentrale NRW rät, die Leistungen bereits bei der Planung der Auszeit zu beantragen. So hat man frühzeitig Klarheit über die Finanzierung.
Doch nicht alles lässt sich vorhersehen - wenn pflegende Angehörige etwa unerwartet wegen Krankheit ausfallen, kann man die Übernahme der Kosten auch rückwirkend beantragen. Wichtig dafür: alle Rechnungen aufbewahren.
Was gibt es bei der Planung noch zu bedenken?
Auch wenn es von der Pflegekasse Geld gibt, um Ersatz zu organisieren: Nicht immer ist es leicht, diesen auch zu finden. „Plätze in der Kurzzeitpflege und freie Kapazitäten von Ersatzpflegekräften für zu Hause sind vielerorts eher rar gesät“, schreibt die Stiftung Warentest.
Um die Chancen zu erhöhen, rät die Stiftung Warentest, frühzeitig bei einer Pflegeberatungsstelle nachzufragen, welche Angebote es grundsätzlich vor Ort gibt. Ebenfalls eine gute Idee: das private Netzwerk aktivieren - ob über einen Facebook-Post, am Schwarzen Brett im Supermarkt oder in Schule oder Kita.