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Papageien im Mini-Format Was Wellensittiche wirklich wollen

Wellensittiche sind klein, bunt, neugierig - und vermeintlich anspruchslos. Ein ideales Haustier bei wenig Platz also? Bloß nicht. Wer die Mini-Papageien glücklich machen will, muss Einsatz zeigen.

Von Katja Sponholz, dpa Aktualisiert: 23.04.2024, 17:51
Ackern für die Fitness: Wellensittiche, die sich ihr Futter selber erarbeiten müssen, bleiben länger gesund.
Ackern für die Fitness: Wellensittiche, die sich ihr Futter selber erarbeiten müssen, bleiben länger gesund. Robert Günther/dpa-tmn

Berlin - Wellensittiche sind farbenfrohe Mini-Papageien. Echte Australier, neugierig und sozial. Sie sind bewegungsfreudige Tiere, die in der Natur in großen Schwärmen leben und dort auf der Suche nach Nahrung lange Strecken zurücklegen.

Wie passt das zusammen mit dem apathischen Vogel, der alleine in einem kleinen Käfig hockt, mal an den Gitterstäben entlangklettert oder stundenlang gegen einen Spiegel pickt? Gar nicht. Einzelhaltung in einem kleinen Käfig ohne richtige Beschäftigung und ohne Freiflug, das ist das Schlimmste was den Vögeln passieren kann.

„Wenn ich die einzeln einpferche, ohne körperliche und geistige Betätigung, ist dies für die Tiere eine extreme Einschränkung“, sagt Lea Schmitz, Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes und selbst Besitzerin von vier Wellensittichen. „Sie auf diese Weise komplett alleine zu halten, ist wirklich Tierquälerei.“

„Leider gibt es immer noch viele völlig falsche Vorstellungen darüber, wie man Wellensittiche richtig hält“, sagt Wencke Sabrina Schacht, Autorin eines Wellensittich-Ratgebers und Gründerin von wellensittiche-blog.de.

Warum werden die Tiere überhaupt noch einzeln gehalten? Einige Mythen halten sich hartnäckig, wie etwa: Ein Wellensittich allein mache weniger Dreck, die Tiere würden schneller zutraulich. Oder dass es anspruchslose Tiere seien, denen man nichts bieten müsse. Dabei ist das Gegenteil der Fall.

Spiegel sind tierschutzwidrig

Das, was der Handel speziell für einzelne Tiere anbietet, ist in Wirklichkeit keine Hilfe, sondern sogar schädlich: „Spiegel oder Plastikwellensittiche sollen dem Vogel vorgaukeln, dass noch ein Artgenosse da ist.“ Die Folgen können tragisch sein: „Wenn er dann vergeblich versucht, beispielsweise sein Spiegelbild zu füttern, indem er Körner hochwürgt, kann dies zu Kropfentzündungen führen.“

Der Bundesverband der Praktizierenden Tierärzte e.V. empfiehlt mindestens zwei, besser vier Tieren (Männchen und Weibchen) in großen artgerecht eingerichteten Käfigen zu halten. Ein Muss ist täglicher Freiflug, abwechslungsreiche Spielplätze, Futtersuche gegen Langeweile und eine täglich ausgewogene Fütterung mit Gemüse und Kräutern.

Wo aber kauft man am besten Wellensittiche, wenn man überzeugt ist, genug Zeit und Platz für diese Tiere zu haben? „Nicht in einem Geschäft oder bei einem Züchter kaufen, sondern adoptieren“, sagt Lea Schmitz. Und Wencke Sabrina Schacht betont: „Aus dem Tierschutz natürlich, das ist mir eine richtige Herzensangelegenheit.“

Übrigens auch, wenn schon ein Sittich vorhanden ist. In der Regel ließen sich die fremden Tiere gut in eine bestehende Gruppe eingliedern. Am besten gelingt dies, nachdem sie sich nach einer Quarantänezeit und medizinischen Untersuchung vorher für einen Tag in einem eigenen Käfig im selben Raum befanden und sich gegenseitig sehen und hören konnten.

Wie groß sollte ein Käfig sein?

Laut Tierärztlicher Vereinigung für Tierschutz sollte der Käfig für ein bis drei Paare eine Grundfläche von mindestens 150 cm Länge, 60 cm Breite und mindestens 100 cm Höhe aufweisen. Für bis zu zwei zusätzliche Paare müsse die Fläche um 50 Prozent vergrößert werden. Laut Schacht koste ein guter Käfig für ein bis zwei Pärchen etwa 350 Euro.

Wer seine Tiere wirklich glücklich machen will, schenkt ihnen aber nicht nur einen Käfig, sondern einen ganzen Raum. Auch wenn die Idee zunächst absurd klinge, sei es ideal, zu Hause ein eigenes Vogelzimmer einzurichten. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand“, sagt Expertin Schacht.

So können die Wellensittiche den ganzen Tag frei fliegen. Zudem kann man bei der Raumausstattung und der Einrichtung auf die Bedürfnisse der Tiere eingehen. Schacht empfiehlt einen attraktiven Spielbereich, etwa mit Spielewänden und Landeplätzen. Dort lassen sich an der Unterseite auch Schaukeln oder Schredderbälle aufhängen.

Doch die Autorin weist auch darauf hin, dass es Zeit und Arbeit kostet, um das Freiflugzimmer sauber zu halten. „Mit durchdachter Platzierung von Spielzeugen und Landeplätzen kann man den Dreck jedoch kanalisieren und den Putzaufwand reduzieren.“

Die Grundsätze beim Einrichten eines Vogelzimmer lauten daher: weniger ist mehr - und nebeneinander statt übereinander (damit das untere Spielzeug nicht verkotet wird) und Abwechslung durch regelmäßiges Tauschen. Ganz auf einen Käfig zu verzichten, ist übrigens keine gute Idee. Denn ein großer Käfig als Rückzugsort ist selbst in einem Vogelzimmer unverzichtbar.

Darfs ein Kräuterbad sein?

Und dann ist da noch die Sache mit der Ernährung. Körner in einen Napf und das wars? Von wegen. Die Wellensittich-Fachfrauen empfehlen das Futter so anzubieten, dass die Vögel es sich erarbeiten müssen. „Gemüse sollte man nicht kleinschneiden, sondern ruhig in großen Stücken geben, damit sie es abbeißen müssen. Dann haben sie etwas zu tun!“, sagt Lea Schmitz.

Weidenkugeln eignen sich gut, um darin Futter zu verstecken, damit sich die Wellis anstrengen müssen, es zu finden. Sinnvoll sei es auch, Sämereien in Buchenholz-Granulat auszustreuen: „Das ähnelt der natürlichen Situation bei der Futtersuche und beschäftigt die Tiere“, so Schmitz.

Und weil Wellensittiche es lieben zu baden, kann man ihnen auch nasse Kräuterbüschel aufhängen: „Werden dem Möhrengrünsträußchen noch einige Stängel Basilikum und halbreife Gräser beigefügt, deckt man auch gleich die tägliche Frischkost-Ration ab“, sagt Schacht.

Ganz schön viel Aufwand für ein paar kleine Vögel. Ja, aber: Wer bereit ist, entsprechend viel Aufwand zu betreiben, damit es den Tieren gut geht und sie ein möglichst artgerechtes Leben führen können, wird belohnt. „Das Schönste ist an ihnen das Sozialverhalten“, sagt Schacht: „Das ist so bunt und individuell! Und es ist einfach nur toll, sie zu beobachten.“