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Zur Umstellung gibt Jens Tiemann vom Berliner Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme Auskunft "Im besten Fall ändert sich für Verbraucher nichts"

07.06.2012, 03:19

Berlin (dapd) l Die Architektur des Internets hat sich geändert: Provider, Betreiber von Webseiten und Hersteller von Internetgeräten aktivieren den neuen Adressstandard IPv6. Er gilt als Wegbereiter für das "Internet der Dinge" und soll die akute Knappheit an IP-Adressen für den Anschluss von PCs und Handys an das weltweite Datennetz aufbrechen. Was das für Verbraucher heißt, erklärt Jens Tiemann vom Berliner Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme. Er ist Mitglied des Deutschen IPv6-Rats.

Frage: Welche Vorteile bringt der neue Standard IPv6 für die Nutzer?

Jens Tiemann: Bislang teilen sich in einem Haushalt meist alle Geräte eine einzige IP-Adresse, die dem DSL-Router oder Kabelmodem zugewiesen wird. Der neue Standard IPv6 ermöglicht es hingegen, jedes Gerät mit einer eigenen IP-Adresse zu versehen - etwa um gezielt angewählt zu werden. Das ist dann sinnvoll, wenn der Nutzer unterwegs über sein Handy die Temperatur in seiner Wohnung regulieren möchte. IPv4 bietet dafür viel zu wenig Adressen. Der alte Standard hindert die Industrie daran, die Erfolgsgeschichte des Netzes weiterzuschreiben.

Frage: Wird sich der Verbraucher jetzt mühsam umstellen müssen?

Tiemann: Im besten Fall ändert sich für die Internetnutzer nichts. Aktuelle Geräte und Betriebssysteme verstehen bereits IPv6. Schwierig kann es allerdings für veraltete Geräte oder Betriebssysteme werden. Und manche Software hat ein erstaunlich hohes Alter - da könnte unter Umständen ein versteckter Fehler zutage treten. Das ist in gewisser Weise wie seinerzeit mit dem "Jahr 2000"-Problem.

Frage: Was tut die IT-Branche, damit die Umstellung reibungslos klappt?

Tiemann: Dafür gibt es zum Beispiel die jährlichen IPv6-Tage. Im vergangenen Jahr liefen einige Websites und viele andere Dienste schon mal 24 Stunden parallel unter beiden Protokollen. So kann man sehen, ob es Probleme gibt. 2011 hat das recht gut funktioniert. Dieses Jahr ist "Launch Day": Die Anbieter sollen IPv6 jetzt eingeschaltet lassen.

Frage: Wie sind IPv6-Adressen eigentlich aufgebaut?

Tiemann: Die Adressen setzen sich aus zwei Teilen zusammen. Der vordere Teil wird erzeugt aus den Daten des Internetproviders, der zweite Teil aus der MAC-Adresse, die jeder Netzwerkkarte quasi eingebrannt ist. Die Providerdaten lassen bereits Rückschlüsse auf den Standort eines Nutzers zu, der persönliche Teil natürlich noch stärker. Gerade bei Smartphones birgt das für Nutzer die Gefahr, wiedererkannt zu werden.

Frage: Bleibt dann mit IPv6 die Anonymität im Internet auf der Strecke?

Tiemann: Grundsätzlich ist die Art der Kommunikation von Internetgeräten in beiden Protokollen gleich: So etwas wie die Rufnummernunterdrückung beim Telefon gibt es nicht. Bei IPv6 bieten aber sogenannte Privacy Extensions Sicherheit: Jedes Gerät kann neben der fest zugewiesenen Adresse auch immer wieder neue Adressen beziehen, die nur einen Tag lang gültig sind. Damit können Nutzer etwa beim Surfen im Netz nicht langfristig erfasst werden. Standard in den meisten Betriebssystemen.