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Chancen und Risiken KI im Bewerbungsprozess – das sollten Sie wissen

Ob als Gesprächspartner, Analyse-Tool oder Ranking-System: Künstliche Intelligenz hält Einzug in den Arbeitsmarkt. Wie die Systeme arbeiten und worauf Sie unbedingt achten sollten.

Von Anke Dankers, dpa 30.12.2025, 00:05
Der Faktor Bauchgefühl verliert bei der Einstellung an Bedeutung. Stattdessen basieren die Entscheidungen auf Daten.
Der Faktor Bauchgefühl verliert bei der Einstellung an Bedeutung. Stattdessen basieren die Entscheidungen auf Daten. Nico Tapia/dpa-tmn

Berlin/Veitshöchheim/Hamburg - Sie optimieren Stellenanzeigen, sichten Bewerbungsunterlagen oder bewerten Qualifikationen – mit KI-Systemen sollen Einstellungen schneller und objektiver werden. Was bedeutet das für die Bewerberinnen und Bewerber?

Die drei Expertinnen Adél Holdampf-Wendel vom Digitalverband Bitkom, Anna Lüttgen vom Personaldienstleister Hays und Businesstrainerin Anna-Daniela Pickel beantworten die wichtigsten Fragen rund um den Einsatz von KI-Systemen im Bewerbungsprozess.

Wo wird KI im Recruiting bereits eingesetzt?

„Künstliche Intelligenz wird heute entlang des gesamten Bewerbungsprozesses eingesetzt“, sagt Anna Lüttgen. Das geht vom automatisierten Sichten eingehender Bewerbungen bis hin zur Einschätzung, ob Kandidatinnen oder Kandidaten auf konkrete Stellenprofile passen. KI analysiert zum Beispiel frühere Einstellungsdaten und versucht so vorauszusagen, welcher Bewerber langfristig zum Unternehmenserfolg beiträgt.

Wie häufig wird KI tatsächlich verwendet?

Derzeit bisher nicht so häufig. „Betrachtet man die Gesamtwirtschaft, gibt es noch nicht so viele Unternehmen, die auf KI in der Personalauswahl setzen“, sagt Adél Holdampf-Wendel.

Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom nutzt nur ein Prozent von 852 befragten Unternehmen KI-Systeme, um Bewerbungen zu sichten. Ebenfalls ein Prozent lässt Bewerbungsgespräche von Künstlicher Intelligenz führen. Eine KI-basierte Kompetenz- und Potenzialanalyse nutzen aktuell drei Prozent der befragten Unternehmen. 

Welche Chancen ergeben sich für Bewerberinnen und Bewerber?

Eine schnellere Rückmeldung und eine objektivere Bewerber- und Bewerberinnenauswahl sind die Hauptargumente für den Einsatz von KI-Systemen. „Sie können zu mehr Fairness führen, weil standardisierte Bewertungen subjektive Vorurteile einzelner Recruiter abschwächen können“, sagt Anna Lüttgen.

Der Faktor Bauchgefühl verliere damit an Bedeutung, sagt Holdampf-Wendel. Stattdessen basieren die Entscheidungen auf Daten. Ein weiterer Vorteil: Durch automatisierte Tools können Bewerberinnen und Bewerber schneller und mit Informationen und Updates versorgt werden.

Welche Risiken hat der Einsatz von KI?

Anna-Daniela Pickel sieht ein gewisses Risiko darin, persönliche Daten unüberlegt in unbekannte Systeme einzupflegen. Zudem kritisiert sie, dass die Entscheidungen der KI oft nicht ganz transparent seien.

Anna Lüttgen findet ähnliche Kritikpunkte. „Durch die hohe Standardisierung bleibt oft wenig Raum für individuelle Dialoge über spezielle Kompetenzen oder Kontextfaktoren“, sagt sie. Auch könne es zu Diskriminierungen kommen, indem die Systeme Verzerrungen aus ihren Trainingsdaten übernehmen. 

Hintergrund: KI-Systeme lernen aus großen Datenmengen. Wenn diese Daten gesellschaftliche Ungleichheiten, Vorurteile oder historische Diskriminierung enthalten, übernimmt das System diese Muster. Die KI lernt dann, was in den Daten häufig vorkommt – nicht, was fair oder gerecht ist.

Wie finde ich heraus, ob KI im Bewerbungsverfahren verwendet wird?

Inwieweit künstliche Intelligenz auch im Auswahlprozess involviert ist, lässt sich laut Anna Lüttgen mit einem Check der Anforderung herausfinden. „Wirken die verlangten Kompetenzen plausibel und konkret oder erscheinen sie sehr generisch? Letzteres kann ein Indiz für einen stark automatisierten Prozess sein“, sagt sie.

Werden KI-Systeme reguliert?

Nach der EU-KI-Verordnung gelten KI-Anwendungen in den Bereichen Beschäftigung, Personalmanagement und Zugang zur Selbstständigkeit grundsätzlich als „Hochrisiko-KI-Systeme“ und unterliegen damit bald strengen Vorgaben.

„Die Anbieter der Systeme müssen gewisse Auflagen unter anderem zur Datenqualität, Datensicherheit, Transparenz und Informationspflicht einhalten“, erklärt Adél Holdampf-Wendel. Ebenso ist verankert, dass die Systeme nur unter menschlicher Aufsicht arbeiten dürfen.

Die Bestimmungen für Hochrisiko-KI-Systeme für den beruflichen Bereich gelten ab 2. August 2026, aber bereits jetzt sind voll automatisierte Einstellungsentscheidungen nach der Datenschutzgrundverordnung verboten und nur in sehr engen Rahmen möglich.

Gut zu wissen: „Bewerber haben nach den aktuellen Regelungen Anspruch auf klare Informationen darüber, dass und wie ein KI-System im Auswahlprozess eingesetzt wird“, so Lüttgen. Ein Unternehmen muss aussagekräftige Angaben über die Funktionsweise machen und die Hauptfaktoren nennen, die zu einer Entscheidung geführt haben.