Kommentare Journalisten dürfen Meinung schreiben
Redakteure müssen immer überparteilich berichten. Eine Meinung zu Themen dürfen sie aber haben - die wird im Kommentar wiedergegeben.
An einem Kommentar meines Kollegen Steffen Honig zum Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in Wittenberg hat ein Leser aus Möckern im Jerichower Land Anstoß genommen. Speziell die Feststellung „es hat deswegen verdientermaßen Protest in Wittenberg gegeben“ war in seinen Augen kritikwürdig. „Worauf bezieht sich dies?“, wollte der Leser wissen. Denn in dem dazugehörigen Artikel auf Seite zwei hätte dazu nichts gestanden. „Falls dies seine (des Kommentators) persönliche Meinung ist, muss ich darauf hinweisen, dass Journalisten zur Neutralität in der Berichterstattung verpflichtet sind und keine persönlichen Befindlichkeiten einfließen dürfen“, betonte der Leser.
Im Prinzip ja, aber ... Ein Kommentar – und damit der Standpunkt des einzelnen Journalisten – ist und bleibt ein wichtiges Instrument der journalistischen Arbeit. Der Kommentar interpretiert und bewertet das im Artikel behandelte Thema und adressiert die dargestellten Probleme zur Bearbeitung an die politisch Handelnden. Zugleich leistet der Kommentar, der das Thema um Gedanken und Eindrücke des Autors erweitert und zum Nachdenken und zur Diskussion anregen will, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung.
In der Volksstimme haben wir zwei Seiten, über denen ganz groß „Meinung“ steht: die Leserseite (um die es heute nicht geht) und die Seite „Meinung und Debatte“ – mit in der Regel drei Kommentaren von Redakteuren zu wichtigen Themen des Tages. Und diese sind pure Meinungsäußerung!
Klar, der Autor behandelt sein Thema nach den allgemein anerkannten Kriterien der journalistischen Arbeit als da sind Unabhängigkeit, Überparteilichkeit, Aktualität, Relevanz und Korrektheit sowie Allgemeinverständlichkeit. Dennoch kann ihm niemand verwehren, auch eine Meinung dazu zu haben und diese in Form eines Kommentars zu äußern. Da es auch Themen gibt, die in der Redaktion kontrovers diskutiert werden, kann es durchaus geschehen, dass dann zu einem Thema gleich zwei Kommentare erscheinen, nämlich Pro und Kontra.