14. Familieninfotag in Magdeburger Johanniskirche klärt über häufige Tumorerkrankungen auf Keine Angst vor Früherkennung von Krebs
Die Diagnose Krebs löst oftmals Existenzängste aus. Über Tumorerkrankungen aufzuklären, ist das Ziel einer öffentlichen Veranstaltung in Magdeburg. Uwe Seidenfaden sprach mit Professor Dr. Günther Gademann. Veranstaltungsorganisator und stellvertretender Vorsitzender des Tumorzentrums Magdeburg/Sachsen-Anhalt e.V.
Volksstimme: Das Motto "Aktiv gegen Krebs" deutet an, dass jeder Mensch selbst etwas gegen die bösartigen Erkrankungen tun kann. Was ist konkret darunter zu verstehen?
Professor Gademann: Wichtig sind Vorsorge, Vorbeugung und Früherkennung. Vieles ist darüber seit längerem bekannt. Man sollte nicht rauchen, Sonnenschutz betreiben, sich bewegen, gesund essen und trinken. Ebenso wichtig ist die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für die häufigsten Tumoren. Die Tests, zum Beispiel auf Brustkrebs, Prostata- und Darmtumoren, werden von den Krankenkassen bezahlt. Es lohnt sich, denn früh erkannte Tumoren können zu über 90 Prozent geheilt werden.
"Ich kenne viele Patienten, bei denen die Früherkennung des Tumors zur Heilung geführt hat."
Volksstimme: Ist man also selber Schuld, wenn man Krebs bekommt? Welche Rolle spielen Alter und Genetik?
Professor Gademann: Es sind immer viele Faktoren, die zur Krebsentstehung beitragen. Das betrifft die Gene, die Umwelt, die Lebensweise und natürlich auch das Alter. Die Gene lassen sich bislang noch nicht verändern. Zudem steigt die Gefahr, je älter wir werden. Dennoch hat das eigene Verhalten einen wichtigen Einfluss auf die Krebsentstehung. Raucher wissen das am besten. Wer gesund lebt, muss Tumorerkrankungen weniger fürchten.
Volksstimme: Gibt es körperliche Veränderungen, die auf eine Krebserkrankung hinweisen und wenn ja welche?
Professor Gademann: Oftmals sind das meist über viele Wochen bemerkbare, unspezifische Symptome wie Heiserkeit, Husten, Schmerzen, Abgeschlagenheit, ungewollter Gewichtsverlust, Kopfschmerzen, Anfälle, Schluckstörungen und so weiter.
Volksstimme: Wie wichtig sind die Früherkennungsuntersuchungen? Sind die von den Krankenkassen bezahlten Tests ausreichend?
Professor Gademann: Ich halte sie für wichtig, auch wenn es durchaus Stimmen dagegen gibt. Ich kenne viele Patienten, bei denen die Früherkennung des Tumors zur Heilung geführt hat. Und diese Menschen sind natürlich glücklich. Die Tests, die die Krankenkassen bezahlen, sind gut. Sicherlich kann man sich auch einiges mehr wünschen. Das Problem ist aber, dass sich immer noch viel zu wenig Menschen zur Früherkennungsuntersuchung begeben.
Volksstimme: Für die meisten Krebserkrankungen gibt es bislang keine Früherkennungsuntersuchungen. Sehen Sie in naher Zukunft medizinische Fortschritte?
Professor Gademann: Das ist zu wünschen. Man sieht Anstrengungen für Lungentumoren, die ebenfalls häufig auftreten. Je seltener die Tumoren sind, desto problematischer ist die geregelte Früherkennung. Ich sehe daher mehr Vorteile in der Gesundheitserziehung. Das Beachten von Symptomen oder Veränderungen und der zügige Gang zum Spezialisten sind wichtiger.
Volksstimme: Ein Trend in der Onkologie geht zu individuell maßgeschneiderten Therapien. Dadurch steigen aber auch Therapiekosten deutlich an. Pessimisten sagen, dass der Gewinn an Lebenslänge und Lebensqualität von schwer kranken Krebspatienten in keinem vernünftigen Verhältnis zu den von allen Versicherungszahlern zu tragenden Kosten steht.
Wie sollte Ihrer Meinung nach die Gesellschaft darauf reagieren?
Professor Gademann: Ich sehe dies auch kritisch und glaube, dass sich die Gesellschaft nicht alles leisten kann. Der Glaube an die medizinischen Möglichkeiten ist bisweilen zu groß und man vergisst sich als sterbliches Wesen. Trotzdem könnte ich mir auch Vorteile einer noch mehr individualisierten Behandlung vorstellen. Wenn jeder Patient sein spezifisches Medikament bekommen würde, entfallen die Kosten teurer Studien. Das wäre möglicherweise bezahlbar und auch sinnvoller.
Volksstimme: Wie beurteilen Sie die Chancen der Forschung, die Entstehung von Krebserkrankungen künftig ganz zu verhindern oder ihnen den tödlichen Schrecken zu nehmen?
"Ich bin erfreut darüber, dass das Thema in Magdeburg kein Tabuthema mehr ist."
Professor Gademann: Der Krebs gehört zum Leben. Man muss eigentlich erstaunt sein, dass es so etwas wie Gesundheit gibt. Für einzelne, eher seltene, insbesondere genetisch fixierte Tumorerkrankungen kann die Forschung sicher noch viel erreichen. Die vier häufigsten Tumorerkrankungen, Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs sowie Lungen- beziehungsweise Raucherkrebs werden uns leider erhalten bleiben.
Volksstimme: Viele krebskranke Menschen haben Angst vor den Schmerzen am Lebensende. Kann es für einen Patienten nicht auch manchmal erträglicher sein, auf eine adjuvante Chemotherapie zu verzichten, sofern keine Aussicht mehr auf Heilung besteht?
Professor Gademann: Das ist absolut richtig. Die Entscheidung dazu müssen Arzt und Patient gemeinsam treffen. Doch die Hoffnung, dass eine Therapie noch hilft, geht immer mit und beeinflusst solche Entscheidungen auf beiden Seiten.
Volksstimme: Wie beurteilen Sie die bisherigen Ergebnisse von 13 Jahren "Familieninfotag zu Krebserkrankungen" in Magdeburg?
Professor Gademann: Das ist schwer zu quantifizieren. Ich bin erfreut zu sehen, dass das Thema Krebs in Magdeburg kein Tabuthema mehr ist, dass die Menschen großes Interesse haben, aber sich auch mit ihrer Erkrankung und daraus entstehenden Problemen auch in der Öffentlichkeit auseinandersetzen. Gerade letzteres war zu Beginn wesentlich verhaltener.