Nachgefragt: Wer darf eigentlich Taschen kontrollieren?
Bevor die junge Kundin Tempotaschentücher und Haarfarbe bezahlen konnte, erhielt die Kassiererin einen Anruf. Ein Mitarbeiter des Discounters kontrollierte daraufhin genau die Tasche der Schülerin, die deshalb vor Scham beinahe im Boden versank. Bei der "Durchsuchung" ihrer Tasche wurde natürlich kein "Diebesgut" gefunden.
Die Eltern des Mädchens finden es zwar gut, dass Diebstählen durch Taschenkontrollen vorgebeugt wird; aber wer darf eigentlich kontrollieren?, fragen sie. Niemand ohne konkreten Verdacht. Doch komme es leider immer wieder vor, dass an Kassen im Einzelhandel stichprobenartig und willkürlich Taschenkontrollen durchgeführt werden, weiß Simone Meisel. Dabei werde auf entsprechende Hinweisschilder im Verkaufsraum Bezug genommen, so die Referentin Recht der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Hausdetektive oder Angestellte behaupteten dann vielfach, dass sie auch gegen den Willen des Kunden zur Durchsuchung berechtigt seien und verweisen auf den sogenannten Jedermann-Paragraphen der Strafprozessordnung. "Taschenkontrollen ohne konkreten Diebstahlverdacht sind aber in jedem Fall unzulässig", bekräftigt die Verbraucherschützerin. Das habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 3.7.1996 (BGH VIII ZR 221/95, BGHZ 133; 184 ff.) klar bestätigt.
Ohne konkreten Verdacht keine Durchsuchung statthaft
Bei Hinweisschildern auf stichprobenartige Kontrollen in Märkten handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den einzelnen Kunden unangemessen benachteiligen, da sie vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen, so Meisel. Die Befugnis zu Durchsuchungsmaßnahmen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und die damit verbundene polizeiliche Kontrolle setze stets den Verdacht einer strafbaren Handlung voraus. "Unbescholtene Kunden werden ansonsten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, da körperliche und sonstige Durchsuchungen in aller Regel einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen", erläutert sie. Das Interesse des Einzelnen am Schutz seines Persönlichkeitsrechtes überwiege aber das Interesse der Handelskette am Schutz von deren Eigentum. "Der Verbraucher, der ohne konkreten Verdacht angesprochen wird, ist daher nicht verpflichtet, die Durchsuchung seiner Tasche zu dulden", so Meisel.
Die Eltern der Schülerin, die sich durch die Kontrolle ihrer Tasche so gedemütigt fühlte, kritisieren zudem scharf, dass dies vor den Augen vieler anderer Kunden erfolgte. "Wir haben nichts gegen Kontrollen an sich, aber dann doch bitte diskreter und nicht so in der Öffentlichkeit", meinen sie.