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Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt beruhigt verunsicherte TelDaFax-Kunden / Rechtsexpertin Gabriele Emmrich: "Niemand wird ohne Strom und Gas dasitzen – trotz der Insolvenz"

16.06.2011, 04:35

Jetzt ist es amtlich: Der Energieversorger TelDaFax hat Insolvenz angemeldet. Auch Verbraucher in Sachsen-Anhalt sind verunsichert, fragen sich, ob ihnen der Strom abgestellt wird. Cordula Bischoff befragte dazu Gabriele Emmrich, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt in Halle/Saale.

Volksstimme: Wie ist die Situation seit gestern in der Verbraucherzentrale und in den örtlichen Beratungsstellen?

Gabriele Emmrich: Wir werden von einer regelrechten Anfrageflut von TelDaFax-Kunden praktisch überrollt. Die Menschen sind beunruhigt, fürchten sehr, dass sie praktisch ab morgen ohne Strom beziehungsweise Gas dasitzen werden.

Volksstimme: Ist diese Angst berechtigt?

Emmrich: Ganz klipp und klar: Nein! Die gesetzliche Regelung ist eindeutig. Eine Insolvenz bedeutet für die Kunden nicht, dass sie im Dunkeln sitzen oder kein Gas mehr geliefert bekommen. Auch wenn – wie jetzt – zahlreiche Netzbetreiber ebenso in Sachsen-Anhalt dem insolventen Unternehmen die weitere Durch- leitung von Strom oder Gas durch ihre Netze verweigern.

Volksstimme: Das hört sich nicht gut an. Was passiert, wenn TelDaFax nicht mehr liefern kann?

Emmrich: Die lückenlose Weiterversorgung der Kunden ist trotzdem zu jedem Zeitpunkt sicher gestellt. Das Gesetz besagt, dass der örtliche Grundversorger zur unmittelbaren Übernahme der Versorgung verpflichtet ist.

Volksstimme: Die Insolvenz ist eröffnet. Wie geht es jetzt weiter?

Emmrich: Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter jetzt entscheiden, ob er das Unternehmen fortführt und die Lieferverträge erfüllt. Mit dem Antrag auf Insolvenz werden nicht automatisch alle Verträge beendet. Ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Vertrag ist nur möglich, wenn der Versorger keine Energie mehr liefert. Wenn der zuständige Netzbetreiber die Kunden über diese Situation informiert, können die Betroffenen kündigen. Dann bleiben drei Monate Zeit, sich einen neuen Stromversorger zu suchen.

Volksstimme: Wenn die Kunden in der örtlichen Grundversorgung beliefert werden, wird es dann nicht teurer für sie?

Emmrich: Es gibt in jedem Fall günstigere Alternativen, die ausgelotet werden sollten.

Volksstimme: Die Verbraucher wollten mit den Energiediscounter TelDaFax billiger an Energie kommen, nun haben sie ein Problem.

Emmrich: Auch nach den negativen Erfahrungen mit TelDaFax kann man in einen günstigeren Tarif oder zu einem preiswerteren Anbieter wechseln. Allerdings: Vorkasse-Tarife sollten vermieden werden.

Volksstimme: Weshalb?

Emmrich: TelDaFax-Kunden mit einem Vorkasse-Tarif haben es gerade erlebt, sie haben der Firma sprichwörtlich einen kostenlosen Kredit gegeben. Das vorgeschossene Geld zurückzuholen, wird jetzt sehr schwierig. Möglicherweise müssen die Kunden ihr Geld nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzverwalter anmelden. Ob die Ansprüche Einzelner im Rahmen des Insolvenzverfahrens dann erfüllt werden, ist fraglich.

Volksstimme: Was raten Sie?

Emmrich: TelDaFax-Kunden müssen nur die tatsächlich verbrauchten Strommengen bezahlen. Wurde eine Einzugsermächtigung erteilt, kann man bei den Geldinstituten der Abbuchung widersprechen und gezahltes Geld zurückbuchen lassen.

Volksstimme: Was müssen TelDaFax-Kunden außerdem beachten?

Emmrich: Mit der Kündigung des Vertrages zwischen Netzbetreiber und TelDaFax enden nicht automatisch die Lieferverträge mit TelDaFax. Betroffene Verbraucher sollten unbedingt gesondert kündigen. Einen Musterbrief und weitere Informationen hält die Verbraucherzentrale in den Beratungsstellen und im Internet unter www.vzsa.de bereit.

Volksstimme: Was sollten Kunden des insolventen Unternehmens jetzt unbedingt machen?

Emmrich: Auf jeden Fall sollte zum Zeitpunkt der vom Netzbetreiber angekündigten Lieferunterbrechung der Zählerstand abgelesen und die Daten dem Netzbetreiber, dem örtlichen Grundversorger und TelDaFax mitgeteilt werden. Damit ist gewährleistet, dass später korrekt abgerechnet werden kann.

Volksstimme: Wie kann die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt konkret den verunsicherter Kunden helfen?

Emmrich: Wir beraten die Verbraucher beispielsweise, wie sie sich entsprechend ihrer ganz konkreten Vertragssituation verhalten sollten, und wir unterstützen sie selbstverständlich bei der For- mulierung der Schreiben an TelDaFax, der Berechnung etwaiger Rückzahlungsansprüche und dem Vertrags- oder Anbieterwechsel. Allerdings müssen wir um etwas Geduld bitten, denn der Ansturm ist wirklich sehr groß.