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Radreise in Österreichs Osten Auf dem Rad ohne Gegenverkehr: Im Sattel durchs Burgenland

Abseits der Alpenklischees: Die „Paradiesroute“ im Südburgenland bietet kilometerlanges Genussradeln, regionale Spezialitäten und viel Ruhe – ganz ohne Gegenverkehr.

Von Andreas Drouve, dpa 24.09.2025, 00:06
Sitzt auf einem erloschenen Vulkankegel: Burg Güssing, die auf der „Paradiesroute“ einer der schönsten Ausblicke bietet.
Sitzt auf einem erloschenen Vulkankegel: Burg Güssing, die auf der „Paradiesroute“ einer der schönsten Ausblicke bietet. Andreas Drouve/dpa-tmn

Neustift an der Lafnitz - 260 Kilometer pure Entspannung: Die „Paradiesroute“ im Südburgenland führt Radfahrer durch eine Region, die bewusst abseits der klassischen österreichischen Postkartenidylle liegt. Keine Dirndl, kein Gejodel, keine hohen Berge – dafür authentische Begegnungen und sanfte Hügel, die auch E-Biker mühelos bewältigen. 

Petra Werkovits, 54-jährige Kulturmanagerin aus der Region, bringt es auf den Punkt: Was früher als Nachteil galt, macht heute den besonderen Reiz dieser unaufgeregten Ecke Österreichs aus. Das Südburgenland sei „das Armenhaus von Österreich“ gewesen, so Werkovits. „Hier hat man den Tourismus verschlafen. Hier hat man die Industrialisierung verschlafen. Das alles ist aber jetzt das große Plus.“

Fiese Steigungen, wie anderenorts in der Alpenrepublik üblich, sind hier rar. Dafür warten am Wegesrand viele Highlights, Kuriosa, Begegnungen.

Versteckter Start in Neustift

Holpriger Auftakt in Neustift an der Lafnitz, 40 Kilometer von der Grenze zu Ungarn entfernt: Der Wegweiser ist fast zugewachsen. Erst am Ortsende wird deutlich, dass etwas nicht stimmt. Wer die Route finden will, muss umdrehen, um das Schild mit dem vierblättrigen Kleeblatt als Navigationshilfe zu finden. Typisch Südburgenland – man muss genauer hinsehen. Erst so gerät man auf die richtige Spur, erschließt sich der tiefere Reiz.

Mosaik der stillen Landschaft

Die „Paradiesroute“ durchzieht ein Mosaik aus Feldern, Flüsschen, Hügeln, Wäldern, verstreuten Dörfern, Badeseen. Oft radelt man allein auf weiter Flur. Eine Wohltat, obgleich nicht frei von unparadiesischen Durchhängern: mal ein Gewerbepark, eine sirrende Autobahn. Doch schnell kehrt die friedliche Stimmung zurück.

Spitzenküche in Königsdorf

Am Abend in Königsdorf kann man, das nötige Kleingeld vorausgesetzt, den Radtag bei Spitzenkoch Philipp Kroboth krönen. Das Slow-food-Konzept des 41-Jährigen passt zur Ruhe der Landschaft.

Vom eigenen Biohof stammen Gemüse, Obst und Kräuter. Ursprünglich war er Elektrotechniker, studierte Jura. Im mit einem Grünen Michelin-Stern ausgezeichneten Lokal „Am Mahrbach“ assistiert seine Frau Cathrin, die nebenan ihre Tierarztpraxis hat.

Wildtiere und Künstlerträume

Ein Reh kreuzt die Straße. In Jennersdorf stakst ein Storch voran. Wildblumenwiesen leuchten. Neumarkt an der Raab kündigt sich mit dem „Künstlerdorf“ an. Das Ensemble aus Werkstätten und strohgedeckten Bauten erwuchs ab Mitte der Sechzigerjahre zum Treff der österreichischen Avantgarde.

„Damals war die Dorfstraße am Eisernen Vorhang wie das Ende der Welt“, sagt Petra Werkovits, die dem „Künstlerdorf“ vorsteht und verrät, dass Literaturnobelpreisträger Peter Handke hier seine Erzählung „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ konzipierte.

Vom Rad ins Kanu

Von der Kultur geht es zurück in die Natur, Richtung Raab, die das Städtchen durchfließt. An diesem Zufluss der Donau lohnt es kurzzeitig umzusatteln: vom Rad ins Kanu.

Bei einer Paddeltour flussabwärts taucht man in den idyllischen Dreiländer-Naturpark Raab ein. Auch Wander- und Radwege durchziehen die Landschaft Wiesen-, Auen- und Waldlandschaft, die sich vom Südburgenland bis nach Ungarn und Slowenien erstreckt.

Römische Spuren und günstige Schnitzel

Zurück auf der Radstrecke, stoppt man an Rekonstruktionen römischer Hügelgräber und der Jost-Mühle in Windisch-Minihof. Durch Oberdrosen läuft gerade ein Hirte mit seinen Schafen um die Wette. An der Naht zu Slowenien stärkt man sich im „Grenzgasthaus Bonisdorf“ mit einem satten Wiener Schnitzel für 12,80 Euro. Im Südburgenland bekommt man noch etwas fürs Geld.

Burg auf erloschenem Vulkan

Paradiesisch schön ist die Ansicht von Burg Güssing, die einem erloschenen Vulkankegel aufsitzt. Vom Turm schweift der Blick über die ungarische Tiefebene und die Güssinger Fischzuchtteiche. Im Sattel nach Heiligenbrunn gerollt, ist die Heimat des Uhudlers erreicht, ein Unikat in Österreichs Weinlandschaft, hergestellt aus unveredelten Traubensorten. Er schmeckt nach Brom-, Wald- und Himbeeren.

Der Wein und der Uhu

Wie es zum Namen Uhudler kam, erklärt Johannes Krammer, der 76-jährige Obmann des Weinbau- und Kellervereins: „Wenn ein Mann im Weingarten arbeitete und bei der Lese bis in den frühen Morgen feierte, hielt ihm die Frau vor: Heute schaust du aus wie ein Uhu.“ Zum Wort Uhudler war es da nicht mehr weit. Grinsend fügt Krammer an: „Wenn die Frauen zum Feiern dazu kamen, sahen sie am nächsten Tag nicht viel besser aus.“ 

Denkmalgeschützte Weinkeller

Echte Weinkenner rümpfen beim Uhudler die Nase - aber auch für sie ist die dörfliche Architektur in Heiligenbrunn ein Genuss. Im Kellerviertel stehen über hundert Weinkeller unter Denkmalschutz. Erbaut wurden sie ab dem 18. Jahrhundert aus Eichenholz, ausgelegt mit gestampften Lehmböden, gedeckt mit Roggenstroh, mit Kalk geweißt. „Wichtig war der Lehmverputz mit Rindermist, der blieb haften“, so Krammer.

Abstecher nach Ungarn 

In die schmerzliche Vergangenheit reißt der Grenzwachturm bei Bildein. West und Ost waren brutal voneinander getrennt, doch die Kuckucksrufe, die gerade erklingen, schon damals die gleichen. Auf dem „Grenzerfahrungsweg“ kann man sich mit der Geschichte des Eisernen Vorhangs zwischen Österreich und Ungarn auseinandersetzen. Später am Tag führt ein kleines Stück der „Paradiesroute“ durch Ungarn.

Edle Tropfen am Eisenberg

Klassiker des Südburgenlandes sind zwei edle Tropfen: Blaufränkisch, ein Rotwein, und Welschriesling, ein Weißwein. Wunderbar legen sich die Weingärten um den Eisenberg, wo Winzer Pirmin Winklhofer auf diese Rebsorten setzt. „Was uns besonders auszeichnet, ist der Boden: eisenhaltiger Lehm mit Grünschiefer. Das gibt Mineralität und Würze“, sagt der 30-jährige Experte.

Burgen und Wellness

Der bunte Mix der Strecke setzt sich fort: einsame Hügelpassagen, die Burg Schlaining, Wellnessoasen in Bad Tatzmannsdorf. Für seine Heilquellen und Thermen ist der Kurort landesweit bekannt. Wer Zeit hat, kann zum Relaxen verweilen und die Radlerwaden ruhen lassen. In Neustift an der Lafnitz schließt sich der Kreis der Tour. 

Links, Tipps, Praktisches: 

Reiseziel: Das Südburgenland liegt im Südosten Österreichs. Es ist der südlichste Teil des Burgenlands, das bis 1921 unter ungarischer Verwaltung stand, und grenzt an Slowenien und Ungarn.

Beste Reisezeit: bis Ende Oktober, dann wieder ab April 

Anreise: im eigenen Fahrzeug zum Beispiel in knapp neun Stunden ab Berlin, in gut fünf Stunden ab München. Mit der Bahn zum Beispiel per ÖBB Nightjet nach Wien, von dort sind es weitere anderthalb Stunden mit der Regionalbahn; vor Ort sind hilfreich App und Routenplaner unter VOR AnachB. In der Region kann man das Burgenländische Anruf-Sammeltaxi bestellen.

Die „Paradiesroute“: Die Route ist eine Rundtour von 262,2 Kilometern Länge und 2.540 Höhenmetern. Der höchste Punkt liegt auf 508 Metern. Als reine Fahrtzeit sind 20 Stunden veranschlagt. Der Einstieg ist prinzipiell überall möglich. Es gibt vier größere Einkehrmöglichkeiten. Auf der Routen-Website finden sich auch Navigations-Dateien zum Download.

Organisation: Radleihe über das E-Bike-Paradies in Neustift an der Lafnitz (erster Tag ab 39 Euro, jeder weitere Tag ab 30 Euro, eine Woche 195 Euro). Pakete mit E-Bikes, Unterkunft mit Frühstück und Gepäcktransport über Fox Tours/E-Bike Südburgenland in Oberwart (ebikesuedburgenland.at).

Unterkunft: An der Route liegen Hotels, Gasthäuser, Ferienwohnungen und Gästezimmer; zur Regeneration eignen sich die Wellnesshotels in Bad Tatzmannsdorf.

Weiterführende Informationen: suedburgenland.info; burgenland.info; weinidylle.at