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Scharfes aus Solingen: Zu Besuch in der Messerstadt

Schmieden, härten, schleifen, reiden - seit Jahrhunderten entstehen so in Solingen Klingen, Messer und Scheren. Schmiede und Schleifer lassen sich bei ihrer traditionsreichen Arbeit über die Schulter schauen.

Von Bernd F. Meier, dpa 11.02.2016, 04:00
Der Balkhauser Kotten in den 30er Jahren: Heute befindet sich ein Museum darin. Foto: Stadtarchiv Solingen
Der Balkhauser Kotten in den 30er Jahren: Heute befindet sich ein Museum darin. Foto: Stadtarchiv Solingen Stadtarchiv Solingen

Solingen (dpa/tmn) - Kurz vor dem Ende des langen Fertigungsweges feiern Klinge und Messergriff ihre Hochzeit. Bei uns in Solingen nennen wir das traditionell Reiden. Das bedeutet wohl: Auf die Reihe bringen, erläutert Ralf Jahn den Besuchern.

Im Wipperkotten an der Wupper arbeitet der ausgebildete Maschinenschlosser und Besteckschleifer seit 2008 als Messermacher. Mit der Wasserkraft der Wupper werden Jahns Schleifsteine und Polierscheiben über das hölzerne Wasserrad wie in alten Zeiten auch heute noch angetrieben. Etwa 1605 wurde der Wipperkotten erstmals historisch erwähnt. Heute ist der stattliche Fachwerkbau eines der letzten gut erhaltenen Handwerkerhäuser - in der Region auch Kotten genannt.

An der Wupper und an den zahllosen kleinen Bachläufen entstanden die Schleiferkotten, in denen die selbstständigen Messer- und Scherenschleifer sich mit ihren Arbeitsplätzen einmieteten. Klingen, Messer und Scheren werden bereits seit dem Mittelalter in Solingen hergestellt, damals vor allem Degen und Schwerter. Das 17. Jahrhundert gilt als Blütezeit der Schneidwaren, mehr als 100 Schleiferkotten gab es 1684 in der Klingenstadt. Das verrät eine Ausstellung im Museum Balkhauser Kotten. Heute produzieren laut Industrieverband Schneid- und Haushaltswaren etwa 150 Unternehmen mit gut 3000 Beschäftigten in Solingen die Schneidwaren.

Im Museum Balkhauser Kotten haben sie noch bis in die 1950er Jahre hinein Messer geschliffen. Die Rohlinge kamen als schwarze Ware hierhin, wurden geschliffen, poliert, bekamen den Griff und verließen den Kotten als die weiße Ware, blank und scharf, sagt Nicole Molinari, Vorsitzende des Museumsvereins.

Ingenieur Karl-Peter Born leitet in der vierten Generation die Messermanufaktur Güde in Solingen-Höhscheid. Der Firmeninhaber führt auf Anfrage hin und wieder Besuchergruppen durch seinen 1919 gegründeten Betrieb. Auf Holzschemeln sitzen die Schleifer vor ihren Maschinen: Immer feiner werden die Bänder vom Grobschleifen bis zum Pliesten - so nennt sich der Feinschliff.

Von der Gegenwart zurück bis in die Urzeit unternehmen Besucher eine Zeitreise im Deutschen Klingenmuseum in Solingen-Gräfrath. Blanke Waffen, Schneidwaren und Bestecke umfasst die einzigartige Sammlung mit ihren mehr als 30 000 Exponaten. Wir zeigen die Kulturgeschichte des Schneidens, von der Antike bis zum Design unserer Tage, sagt die stellvertretende Museumsleiterin Isabell Immel.

Im Manuelskotten im benachbarten Wuppertal-Cronenberg fertigt Dirk Fromm in historischen Mauern überdimensionale Kuttermesser für Fleischfabriken. Seit 31 Jahren schleift Fromm seine Messer und hält seine Werkstatt im Sommer jeden zweiten Sonntag für Besucher geöffnet. Manch einer meint, der Manuelskotten sei ein Museum. Für mich ist es der Arbeitsplatz: Ich bin ein lebendes Museum.

Tourismusregion Die Bergischen Drei

Balkhauser Kotten

Güde Solingen

Deutsches Klingenmuseum Solingen

Manuelskotten

Wipperkotten

Solingen

Reiseziel: Remscheid, Solingen und Wuppertal bilden das Bergische Städtedreieck. Solingen ist Zentrum der Schneidwarenindustrie.

Geschichte: Die Wupper, ein 116 Kilometer langer Nebenfluss des Rheins, durchfließt Solingen und Wuppertal. Die Wasserkraft der Wupper und kleiner Bäche diente seit dem 14. Jahrhundert zum Antrieb der Maschinen in zahlreichen Klingen- und Messermanufakturen. Die Handwerksbetriebe waren in Kotten untergebracht.

Informationen: Die Bergischen Drei, Bergisches Land Tourismus Marketing e.V., Kölner Straße 8, 42651 Solingen (Tel.: 0212/88 16 06 61, E-Mail: info@die-bergischen-drei.de)

Im Klingenmuseum bekommen Besucher unter anderem verschiedene Bestecke aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. Foto: Bernd F. Meier
Im Klingenmuseum bekommen Besucher unter anderem verschiedene Bestecke aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. Foto: Bernd F. Meier
dpa-tmn
Der Balkhauser Kotten beherbergt heute ein Schleifermuseum. Foto: Bernd F. Meier
Der Balkhauser Kotten beherbergt heute ein Schleifermuseum. Foto: Bernd F. Meier
dpa-tmn
Direkt an der Wupper liegt die Schleiferei Wipperkotten. Foto: Bernd F. Meier
Direkt an der Wupper liegt die Schleiferei Wipperkotten. Foto: Bernd F. Meier
dpa-tmn
Schon außen zeigt sich überdimensional groß, was das Deutsche Klingenmuseum in Solingen beherbergt. Foto: Bernd F. Meier
Schon außen zeigt sich überdimensional groß, was das Deutsche Klingenmuseum in Solingen beherbergt. Foto: Bernd F. Meier
dpa-tmn
So kommt der Griff an die Klinge: In der Manufaktur Güde werden die Messer handgefertigt. Foto: Bernd F. Meier
So kommt der Griff an die Klinge: In der Manufaktur Güde werden die Messer handgefertigt. Foto: Bernd F. Meier
dpa-tmn
Das geht nur mit entsprechendem Geschick: Ein Schleifer poliert in der Manufaktur Güde einen Messergriff. Foto: Bernd F. Meier
Das geht nur mit entsprechendem Geschick: Ein Schleifer poliert in der Manufaktur Güde einen Messergriff. Foto: Bernd F. Meier
dpa-tmn
Dirk Fromm fertigt im Manuelskotten in Wuppertal-Cronenberg große Messer für Fleischfabriken an. Foto: Bernd F. Meier
Dirk Fromm fertigt im Manuelskotten in Wuppertal-Cronenberg große Messer für Fleischfabriken an. Foto: Bernd F. Meier
dpa-tmn
Nicole Molinari kümmert sich mit einem Team Ehrenamtlicher um den Erhalt des Balkhauser Kottens. Foto: Bernd F. Meier
Nicole Molinari kümmert sich mit einem Team Ehrenamtlicher um den Erhalt des Balkhauser Kottens. Foto: Bernd F. Meier
dpa-tmn