Brockengarten So blüht es auf dem Gipfel
Dank der besonderen klimatischen Verhältnisse gedeihen auf dem Brocken Pflanzen aus dem alpinen Raum - insgesamt 1500 Arten aus aller Welt.
Brocken l „Vom Himalaya bis zu den Rocky Mountains sind es bei uns nur wenige Schritte.“ Das sagt Gunter Karste nicht zum ersten Mal. Sein Arbeitsplatz befindet sich in luftiger Höh‘ – auf der Kuppe von Norddeutschlands höchstem Berg - dem Brocken. Wenn er aus den Fenstern seines Büros schaut, kann er das 4600 Quadratmeter große Gelände nach allen Seiten überblicken. Gunter Karste ist der wissenschaftliche Leiter des Brockengartens. Zusammen mit zwei Kollegen ist er für Aufzucht und Erhalt von Tausenden Pflanzen zuständig.
Was den Besuchern im Brockengarten geboten wird, ist einzigartig. Hier in 1130 Metern Höhe gedeihen Pflanzen, die sonst in den alpinen Regionen unserer Welt zu Hause sind. Darunter beispielsweise die lilablühende und mattenbildende Korsische-Minze, eine nur zwei Zentimeter hohe kriechende Primel, die sonst in asiatischen Höhenlagen zwischen 3500 und 5500 Metern zu finden ist, zwölf verschiedene Arten von Edelweiß, die ebenfalls in Asien beheimatet sind, die Pantoffelblume aus den Anden oder das Verschmähte Katzenpfötchen mit seinen weichbehaarten Stengel und Blättern aus Nordamerika. Selbst das zarteste Pflänzchen ist hier eine botanische Kostbarkeit.
Daneben behaupten sich Gewächse, die ihre natürliche Heimat in der Brockenregion haben. Dazu gehört allen voran die Brockenanemone, die mit ihrer Blüte ab Mitte Mai für weiße Farbtupfer auf der Brockenkuppe sorgt; darüber hinaus das Brocken-Habichtskraut, das Heidekraut, das derzeit in voller Blüte stehende Harz-Kreuzkraut und der Gelbe Enzian, der aus dem Garten ausgewandert ist.
Geschuldet ist diese Artenvielfalt den klimatischen Bedingungen des Brockens, die mit denen der Alpen in 2000 Metern Höhe vergleichbar sind, erklärt Gunter Karste. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 3,1 Grad Celcius. Absolut frostfrei sind lediglich der Juli und der August. Dazu kommt, dass der Brocken einer der windreichsten Orte Deutschlands ist. „Die Waldgrenze liegt bei 1100 Metern. Der Brocken ist damit die einzig natürlich waldfreie Erhebung der deutschen Mittelgebirge“, so der Botaniker.
Diese besonderen Gegebenheiten machte sich vor 126 Jahren Albert Peter zunutze. Der Direktor der Botanischen Gartens der Universität Göttingen war es nämlich, der den Schau- und Versuchsgarten auf der Brockenkuppe anlegen ließ – den ersten Alpenpflanzengarten in ganz Deutschland.
Und was ist das Besondere an den Gewächsen, die in den Hochgebirgen der Erde gedeihen? „Diese Pflanzen sind in ihrer Wuchsform und ihrem Blührhythmus an kurze Vegetationszeiten angepasst“, so Karste. Ohne intensive Pflege würden sie sich nicht behaupten können. „Die konkurrenzstarke Brockenflora würde sich das Gelände zurückerobern.“
Wie schnell das geht, hat sich auf dramatische Weise zu DDR-Zeiten gezeigt. Zwischen 1961 und 1989 war die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg für den Garten verantwortlich. Da der Brocken zur militärischen Sperrzone gehörte, wurde das Gelände kaum gepflegt. „Als der Nationalpark Harz 1990 die Verantwortung für den Garten übernahm, hatten von ehemals 1400 kultivierten Arten gerade einmal 97 überlebt.“ Reproduktionsfreudige Gräser wie Reitgras und Rasenschmiele hatten die Flächen komplett überwuchert.
Dank jahrelanger intensiver Arbeit sind es nun wieder 1500 Arten, die die Besucher besichtigen können – und zwar wochentags zweimal täglich um 11.30 und um 14 Uhr und an den Wochenenden im Rahmen der Rundwegsführung um 11 und um 13 Uhr.
Der für Besucher zugängliche Schauteil des Gartens macht dabei nur gut ein Viertel der Fläche aus. Der größte Teil des Areals dient der Forschung, Versuchszwecken und der Biotoppflege, wie Gunter Karste erläutert. Zu den Aufgaben der Botaniker gehöre es unter anderem, eine „lebende Samenbank“ vorzuhalten. „Was wir an Samen ernten, wird in einem Katalog gelistet und steht anderen Gärten zur Verfügung. Und stirbt eine Pflanzenart an ihrem Naturstandort aus, könnte sie von unserem Garten aus an den Naturstandort zurückgebracht werden.“ Voraussetzung ist, dass man die genaue Herkunft der Art kennt.
Den Brockengarten könnte übrigens in Kürze ein weiteres Label schmücken. „Wir bemühen uns um eine Aufnahme in das Netzwerk Gartenträume- Historische Parks in Sachsen Anhalt“, sagt Gunter Karste. „Ich hoffe sehr, dass wir bald dabei sind.“
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