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Auch im 3. Jahrtausend: Der Friedhof bleibt - aber anders

11.01.2013, 14:10

Die Diskussion um die Vielfalt der Bestattungsformen ist heute so kontrovers wie nie zuvor, und der Friedhof verliert als klassischer Ort der Trauer zunehmend seine Monopolfunktion.

Dennoch: "Der Friedhof geht nicht unter, er wandelt sich", das ist das Resümee, das Christoph Keldenich, Vorsitzender der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas e.V., am Ende des 1. Friedhofsgipfels zog, der am 18. September 2012 in Hamburg unter dem Motto "Trauer und Trost im 3. Jahrtausend" stattfand. Vertreter der Branchen, die mit dem Friedhof zu tun haben, Wissenschaftler, die das Thema erforschen, sowie Journalisten, Buchautoren und Verleger, die diesem Thema offen gegenüber stehen, hatten sich im neuen Bestattungsforum des Ohlsdorfer Friedhofs einen Tag lang zusammengesetzt, um zu erörtern, wie sich die Bestattungskultur in Deutschland verändert und wie die Friedhöfe von morgen aussehen könnten.

■ Überhang:

Die Stadtplanerin Prof. Dr. Gerlinde Krause von der Fachhochschule Erfurt zeigte bei der Veranstaltung auf, dass es derzeit in Deutschland auf 32.000 Friedhöfen etwa 15.000 Hektar so genannter Überhangflächen gibt. Das sind Friedhofsflächen, die derzeit nicht belegt sind, aber für Pflege und Instandhaltung im Jahr Kosten von rund 300 bis 500 Mio. Euro verursachen. Das große Überangebot an Flächen habe verschiedene Gründe: Zum einen gab es aufgrund der höheren Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten deutlich weniger Sterbefälle, zum anderen ist die Zahl der Feuerbestattungen mit anschließender flächensparender Urnenbeisetzung erheblich angestiegen. Insgesamt liegt der Anteil der Urnenbeisetzungen in Deutschland derzeit bei knapp über 50 Prozent; Tendenz steigend: In einzelnen Regionen in Ostdeutschland ist er bereits bei 90 Prozent. Auch alternative Bestattungsorte wie Friedwälder, Kolumbarien oder die Seebestattung nehmen zu, spielen aber insgesamt noch keine so bedeutende Rolle.

Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen europäischen Ländern haben sich die Friedhofsbetreiber dem Problem der Überhangsflächen zu stellen. Derzeit wird überall intensiv nach wirtschaftlichen Umnutzungsmöglichkeiten dieser Flächen gesucht. Die Ideen sind vielfältig: Über die Nutzung als öffentliche Parks, Sportstätten, Tierfriedhöfe, Kleingartenanlagen, Kleinwindanlagen und sogar die Freigabe zur Bebauung wird nachgedacht. Aeternitas hat bereits 2009 dazu die Ideensammlung "Inwertsetzung von Friedhofsüberhangsflächen - Beispiele für Folgenutzungen" des Landschaftsplaners Andreas Morgenroth veröffentlicht.

■ Neue Strukturen

Der Hamburger Sozial- und Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Norbert Fischer erforscht seit langem, wie sich das Erscheinungsbild der Friedhöfe wandelt. Er geht davon aus, dass es durch die geringer werdende Zahl der klassischen Familien- und Einzelgrabstätten zukünftig zu einer Veränderung der gesamten Struktur vieler Anlagen kommen wird. Deutliche Anzeichen dafür gäbe es derzeit überall zu beobachten. Vor allem so genannte Memoriamgärten würden vielerorts bald das Bild bestimmen. Diese Gärten sind kleine Naturlandschaften, die zumeist thematisch angelegt sind und bei denen Gräber ausschließlich mit Verträgen zur Dauergrabpflege verkauft werden.

Abgrenzungen um einzelne Gräber gibt es nicht. Die Natur ist zumeist bei der Gestaltung Vorbild und auch das Element Wasser wird gern einbezogen. Die namentliche Erinnerung erfolgt nicht zwangsläufig genau an dem Ort, an dem der Verstorbene beigesetzt wurde.

■ Es geht weiter

Und auch sonst wird sich das Bild der Friedhöfe und Grabstätten weiter wandeln. "In der Zeit vor 1995 hat man den Gefühlen auf Friedhöfen häufig kaum Raum gelassen", so Fischer.

Danach wäre die Grab- und Grabsteingestaltung viel individueller geworden und persönliche Erinnerungsstücke wie kleine Engel, Plüschtiere, Fotos, Briefe und vieles mehr hätten Einzug in den öffentlichen Raum gehalten. Diese Entwicklung würde sich weiter fortsetzen; zukünftig rückten Leben und Tod auch wieder näher zusammen. Friedhöfe würden dann nicht mehr unbedingt nur Orte zum stillen Gedenken sein. Vielerorts denke man bereits darüber nach, Cafés als Begegnungsstätten oder Kinderspielplätze auf Friedhöfe zu integrieren - oder habe dies bereits umgesetzt.

Dass die Geschichte des Friedhofs immer weiter geht und sich gesellschaftlichen - aber auch technischen - Entwicklungen anpasst und Neues aufgreift, wurde von zwei Steinbildhauern beim Friedhofsgipfel in Hamburg besonders deutlich veranschaulicht.

Timothy C. Vincent und Andreas Rosenkranz arbeiten derzeit beide daran, QR-Codes in die Grabmalgestaltung zu integrieren. Über das Smartphone hat der Besucher der Grabstätten so direkt eine Verbindung zu Webseiten, auf denen der Verstorbenen gedacht wird. Auf diese Weise wird eine Brücke geschlagen zwischen virtueller Welt - die in den letzten Jahren für die Trauer der Hinterbliebenen eine zunehmende Bedeutung erlangt hat - und dem realen Beisetzungsort. Quelle: GPP