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Keine Fördermöglichkeit für "Reha-Fall"? Von Pontius zu Pilatus geschickt, doch ohne Erfolg

Von Gudrun Oelze 07.06.2010, 05:21

Welche Fördermöglichkeiten bieten die Sozialgesetzbücher, einen nicht ganz gesunden und seit langem arbeitslosen Mann in Beschäftigung zu bringen? Für Hans-Jürgen Schönke derzeit offenbar keine. Der Magdeburger ist 57 Jahre alt und durch Krankheit so eingeschränkt, dass er nicht voll leistungsfähig ist.

Dennoch möchte er jobben und tat dies bisher auch häufig, durch Vermittlung des Jobcenters in Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Als er in diesem Frühjahr erneut eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung – einen sogenannten Ein-Euro-Job – begehrte, hieß es, die ARGE sei in dieser Hinsicht für ihn als "Reha"-Fall nicht mehr zuständig, sondern der Rentenversicherungsträger. Der aber könne ihn nur auf den ersten Arbeitsmarkt vermitteln, wurde ihm dort mitgeteilt.

"Ich frage mich besorgt, warum ich keine Arbeit mehr aufnehmen darf, nur weil ich chronisch krank geworden bin? Ich habe doch sonst immer einen Ein-Euro-Job bekommen, warum jetzt nicht mehr?", so Hans-Jürgen Schönke.

Bei der Integrationsstrategie für diesen Langzeitarbeitslosen sei das laufende Rehabilitationsverfahren der Deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen, entgegnet das Jobcenter auf Anfrage unserer Redaktion. Das habe Auswirkung auf die Fördermöglichkeiten nach dem SGB II wie Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, Arbeitsgelegenheiten oder Leistungen zur Beschäftigungsförderung.

"Die Zuweisung in die durch Herrn Schönke angestrebte Arbeitsgelegenheit ist dadurch ausgeschlossen", teilte die SGB-II-Behörde mit. Dafür habe die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland zu sorgen.

Hilfe zur Rückkehr in den Beruf

"Unser Haus hat Herrn Schönke in den vergangenen Jahren wiederholt eine Wiedereingliederungshilfe zugesagt", reagierte die Rentenversicherung. Bei einer solchen kann ein Arbeitgeber einen Zuschuss erhalten, stellt er den Versicherten ein. Es handelt sich also um einen Anreiz für potenzielle Arbeitgeber, bevorzugt Reha-Fälle einzustellen.

"Ein Arbeitsplatz kann durch die Rentenversicherung jedoch nicht vermittelt werden", so das Fazit der Rentenversicherung. Einen geeigneten Arbeitsplatz für den 57-Jährigen zu finden, wäre Sache der ARGE Magdeburg. Das von Hans-Jürgen Schönke angestrebte Ziel eines Ein-Euro-Jobs liege prinzipiell nicht in Zuständigkeit der Rentenversicherung als Reha-Träger, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ausschließlich für den 1. Arbeitsmarkt ausgelegt sind. "Leistungen für den 2. Arbeitsmarkt sind nicht im Leistungskatalog der Rentenversicherung (SGB IX) enthalten."

Bei der SGB-II-Behörde bleibt man derweil aber dabei, dass einem Reha-Fall wie Hans-Jürgen Schönke keine Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem 2. Arbeitsmarkt mehr zustehen.

Ein Problem, das auch dem Behindertenbeauftragten der Landeshauptstadt Magdeburg bekannt ist. In einer im Juli 2009 von der Bundesagentur für Arbeit herausgegebenen Arbeitshilfe wird auf 44 Seiten akribisch die Vergabe von AGH (Arbeitsgelegenheit bei der Eingliederung von Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt, quasi eine mit öffentlichen Geldern geschaffene zusätzliche Beschäftigung außerhalb des vorhandenen Arbeitsmarktes) geregelt, stellt Hans-Peter Pischner in seinem Geschäftsbericht 2009 fest.

Erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB IX durch die zuständigen Rehabilitationsträger haben, können demnach grundsätzlich nicht mehr Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden. Laut Arbeitsagentur hat die Rentenversicherung die erforderlichen Leistungen zu erbringen, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen.

Bessere Zusammenarbeit nötig

Wenn Menschen mit Anspruch auf Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. berufliche Rehabilitation für die Zuweisung einer AGH nicht (mehr) in Betracht kommen, wolle die Bundesagentur mit dieser strikten Handhabung wohl vor allem sparen, meint Pischner. Das gehe zu Lasten von behinderten Betroffenen, "die nun von Pontius zu Pilatus geschickt werden, und auch dann keine AGH bewilligt bekommen, wenn sie an einer interessiert sind". "Statt Betroffene hin und her zu schicken, müssten die Leistungsträger diese Fragen meines Erachtens untereinander klären", so Magdeburgs Behindertenbeauftragter.

Im Fall von Hans-Jürgen Schönke setzten sich nach Intervention durch die Volksstimme alle Beteiligten nun endlich an einen Tisch. Der Leser staunte, als beim Gespräch in der Rentenberatungsstelle vor wenigen Tagen auch drei Damen von der ARGE anwesend waren. Vereinbart wurde, dass zunächst die abschließende Entscheidung bezüglich einer Rente wegen Erwerbsminderung abgewartet werde.

Derzeit werde Hans-Jürgen Schönkes medizinisches Leistungsvermögen vom Sozialmedizinischen Dienst überprüft, teilte die Rentenversicherung mit, und stellte fest, dass auch nach der Teamberatung die ARGE bei ihrer "Strategie" bleibe und dem Versicherten keinen Ein-Euro-Job gibt. "Sie hat das Ziel, den Versicherten auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln."

Fazit: Beide Träger, sowohl die Rentenversicherung als auch die Grundsicherungsbehörde, wollen den Reha-Fall Hans-Jürgen Schönke auf den 1. Arbeitsmarkt vermitteln.

Eine Beschäftigung auf dem 2. Arbeitsmarkt bleibt dem chronisch kranken, aber arbeitswilligen Mann nach den neuen Vorgaben der Bundes-agentur für Arbeit verwehrt. "Es ist nicht nachvollziehbar, ausgerechnet behinderten Menschen mit einem formalen Rehabilitationsanspruch eine AGH grundsätzlich zu verweigern", so Hans-Peter Pischner.