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Feldstudie Wenn Autosticker zu uns sprechen

"Baby an Bord" oder der christliche Fisch: Auf deutschen Autos kleben eine Menge Sticker. Was machen sie mit uns? Ein Forscher hat sich in den USA das Phänomen genauer angeschaut.

01.09.2017, 10:14

Lawrence (dpa) - Ob "Ich bremse für Tiere" oder "Love Trumps Hate": Selbst auf der Überholspur der Autobahn sorgen Autoaufkleber für Kommunikation. Das berichtete der US-Forscher Walter Goettlich (University of Kansas) kürzlich auf dem Jahrestreffen Amerikanischer Soziologen in Montreal.

Der Soziologe düste für seine Feldstudie rund 17 000 Kilometer über US-Autobahnen und führte zahlreiche Interviews mit Autosticker-Lesern. Das Ergebnis: Egal, wie rätselhaft die Sprüche auch scheinen - sie erzeugen beim Leser meist das dringende Bedürfnis, den Autobesitzer einzuordnen.

Verbreitete Strategien bei den Empfängern der Sticker-Botschaften am Fahrzeugheck: Klischeehafte Zuordnung (Labeling), emotionale Reaktionen oder der sogenannte Puzzle-Modus. Für den "Labeling-Modus" griffen die Leser auf eigene Werturteile zurück. So werde ein Harley-Davidson-Aufkleber etwa schnell zum Label für US-Patriotismus. Andere Sticker, etwa mit politischen Aussagen, verursachten vor allem Gefühlsreaktionen - zufriedene Zustimmung oder empörte Ablehnung.

Sei die Botschaft nicht so leicht zu verstehen, setze der Puzzle-Modus ein, beschreibt Goettlich. Manche versuchten sogar noch im Nachhinein via Internet, unbekannte Botschaften zu entschlüsseln. Dies passiert umso häufiger, je mehr Menschen individuelle Aufkleber kreieren - auch, um auf andere Sticker zu antworten. So finden sich neben den in den USA verbreiteten Aufklebern "Proud parents of an Honor Student" (in etwa: Stolze Eltern eines Einserschülers) auch Antwortsticker wie "My dog is smarter than your Honor Student" (Mein Hund ist schlauer als dein Einserschüler).

Eine, allerdings nur 100 Teilnehmer umfassende, Studie des Autoherstellers Ford ergab jüngst, dass in Deutschland zwei Drittel der Befragten Auto-Aufkleber zumeist durchaus interessant oder sogar lustig finden - wenn es sich um halbwegs originelle Sprüche handelt ("Klar bist Du schneller, aber ich fahre vor Dir").

Genervt sind viele jedoch von den zahllosen "Baby an Bord"-Varianten oder auch von politischen Statements à la "Atomkraft? Nein Danke!". Ob Sticker wie "Giftzwerg" oder die häufigen Aufkleber mit dem Namen des mitfahrenden Babys auch in Deutschland zu einer Art Kommunikation führen, ist bislang Experten zufolge aber nicht erforscht.

Studie der University of Kansas zu Auto-Stickern

Ford-Studie zu Stickern