Meist ist fehlende Kommunikation die Ursache für Konflikte / Freundliches Gespräch beugt vor Wenn Nachbarn zu Feinden werden ...
Streit mit dem Nachbarn ist unangenehm - vor allem, wenn die Fronten verhärten. Dabei ist es oft einfach, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Eichtoig ist, Störendes anzusprechen.
Berlin/Koblenz (dapd) l Endlich Feierabend! So denken viele Bewohner von Mehrparteienhäusern, bevor ihnen klar wird: Entspannung ist Ansichtssache. Gerade hat sich der eine mit einem Roman auf dem Sofa niedergelassen, da ertönt Gebrüll aus der Nachbarwohnung. "Tooor! Tooor!" Was nun? Für den einen ist der Torjubel wohlverdienter Ausgleich, für den anderen schlicht Ruhestörung. Rücksichtslos, unmöglich, eine Absage an die gute Nachbarschaft. Aber der Bücherfreund kann auch anders. Er legt eine CD ein und dreht den Verstärker auf. Meist lässt dann der Konter nicht lange auf sich warten - der Dezibel-Krieg hat begonnen.
So oder ähnlich beginnen Franz Obst zufolge die meisten Streitigkeiten unter Nachbarn. "Lärm ist immer ein Riesenthema", sagt der Koblenzer Rechtsanwalt, Mediator und Mitautor des Wörterbuchs "Nachbar - Deutsch - Deutsch - Nachbar". Auch Mediator Michael Cramer aus Berlin sieht Krach an erster Stelle ein Konfliktstoffe.
Die Streithähne haben nun mehrere Optionen. Sie können den Schlagbohrer zücken und ein paar Löcher in die Wand zur Nachbarwohnung bohren. Sie können in den Keller zum Sicherungskasten gehen und dem Haus den Strom abdrehen. Sie können die Polizei rufen oder den Nachbarn beim Vermieter anschwärzen. Sie können auch einfach nebenan klingeln und den Nachbarn bitten, etwas leiser zu sein. Das wäre wohl das einzig Vernünftige, sagen beide Experten. Doch wer einmal drin steckt im Krach um den Krach, ist für Diplomatie meist nicht mehr zu haben.
"Der klassische Fehler ist, Dinge, die der andere tut, als persönlichen Affront zu empfinden. Denn oft hat der andere das gar nicht so gemeint", sagt Franz Obst. "Der verhält sich meistens einfach so, wie er sich sonst auch immer verhält - weil er gar nicht erkennt, dass er damit anecken könnte." Außerdem habe auch der vermeintliche Störenfried in aller Regel berechtigte Bedürfnisse, sagt Michael Cramer. "Die Ursache für Konflikte zwischen Nachbarn ist ja nicht, dass einer von beiden unglaublich fies ist. Meist ist es so: Die beiden reden nicht mehr miteinander."
Kommunikation ist alles - das gilt den beiden Fachleuten zufolge auch und vor allem unter Nachbarn. "Ein freundliches Gespräch ist die beste Prävention", sagt Obst. Und wenn es für Prävention zu spät ist? "Der erste Schritt sollte immer sein, das Problem selber zu klären und mit dem Nachbarn zu reden", rät Cramer. Sind die Fronten schon zu verhärtet, könne ein Mediator helfen. "Das Ziel ist, wieder miteinander in Kontakt kommen, so dass man den anderen nicht mehr als Feind wahrnimmt und gemeinsam nach Lösungen sucht", sagt er.
Gute Lösungen sind gefragt
Vom Gang zum Vermieter, zur Polizei oder vor Gericht rät Cramer ab. "Oft fühlt sich der andere dann angegriffen, sinnt auf Rache und geht in die nächste Runde." Auch wenn in einer Hausgemeinschaft alle einig sind, dass einer stört - den vermeintlich rücksichtslosen Nachbarn an den Pranger zu stellen, sei der falsche Weg. "Es geht nie um die Suche nach Schuldigen, sondern immer um die Suche nach guten Lösungen", sagt er.
Entscheidend sei, die Nachbarn kennenzulernen, findet Obst. "Ein nettes Gespräch, ein freundliches Wort - damit ist schon der wesentliche Grundstein für eine angenehme Nachbarschaft gelegt." Dann sei es im Konfliktfall einfacher, sich zu einigen, sagt Cramer. "Das allein wäre schon ein guter Grund, seine Nachbarn kennenzulernen - darüber hinaus ist es schön, jemanden zu haben, der bei Bedarf die Blumen gießt."
Den Fremden von nebenan kennenlernen sollte ein neuer Nachbar am besten von Anfang an. "Zu klingeln und sich vorzustellen, ist eine Empfehlung an alle, die einziehen", sagt Cramer. Grillen ist nach Erfahrung von Franz Obst mit Vorsicht zu betreiben sei - denn es ist ein weiterer Klassiker der Streitthemen. "Wenn der andere mit schwarzem Gesicht auf dem Balkon steht, weil nebenan der Grill rußt, dann findet der das nicht lustig." Dann gibt es mehrere Optionen: Warten, bis der andere aus Rache den Rasenmäher anwirft - oder ihn gleich zum Essen einladen.