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Wird Weißensee das neue Prenzlauer Berg?

Prenzlauer Berg - das sind junge Familien, viele Cafés und sanierte Altbauten. Doch inzwischen wird es eng in dem bekannten Berliner Stadtteil. Insider sehen das benachbarte Weißensee im Kommen.

Von Antonia Lange, dpa 25.03.2016, 08:38

Berlin (dpa) - Es gibt Lavendel-Eis und auch eine Kugel mit Gries. Die Sorten im Eisspatz sind selbst gemacht, die Möbel zusammengewürfelt. Die Kundschaft: junge Familien. Der Standort: nicht Prenzlauer Berg, sondern Weißensee. Denn die Karawane aus dem bundesweit bekannten Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg scheint weiterzuziehen - nach Norden.

Der Zuzug aus dem Prenzlauer Berg ist unglaublich hoch, sagt Susann Krüger, Geschäftsführerin vom Eiscafé Eisspatz in Weißensee. Im ersten Jahr haben wir eher Kaffee verkauft, inzwischen nimmt der Latte-Macchiato-Anteil deutlich zu.

Sie selbst zog mit ihrer Familie vor etwa vier Jahren vom Prenzlauer Berg in den Kiez. Zusammen mit Geschäftspartnerin Nadine Grümme öffnete sie dann das Café in einem ehemaligen Spätkauf, wie sie erzählt.

Auch architektonisch findet die 45-Jährige Weißensee reizvoll. Weil es noch nicht so glatt gezogen ist. Neben Altbauten gibt es dort auch Einfamilienhäuser und inzwischen so manchen Neubau. Zumindest bei ihrem Umzug sei der Wohnraum bezahlbar gewesen, sagt Krüger.

Das entdecken auch andere: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erwartet bis 2030 ein Einwohnerplus von 16 Prozent im Bezirk Pankow, zu dem die Stadtteile Weißensee und Prenzlauer Berg gehören. Das wäre der größte Zuwachs aller Berliner Bezirke. Genaue Prognosen für die einzelnen Stadtteile gibt es jedoch nicht.

Es ist ein Mythos zu glauben, dass Pankow wächst, weil der Prenzlauer Berg da ist, betont Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD). Derzeit werde etwa im sogenannten Komponistenviertel von Weißensee viel gebaut und saniert. Baugruppen sind das erste Zeichen, dass sich etwas verändert.

Ob die erfolgreiche ARD-Serie Weissensee etwas mit der Entwicklung zu tun hat, ist freilich Spekulation. Was den Reiz von Weißensee ausmacht, ist hingegen eindeutig: Dass es noch nicht so überlaufen ist, sagt Köhne. Dass man relativ schnell in die Stadt kommt. Möglicherweise sind die Mieten auch noch nicht so hoch.

Der 39-jährige Christian Luchmann nennt auch den gleichnamigen See mitten im Kiez und den Vorzug, innerhalb von 20 Fahrradminuten im Grünen zu sein. Der Stadt- und Regionalplaner zog vor einigen Jahren mit seiner Familie her - aus dem hippen Neukölln, das als Nachbarkiez von Kreuzberg einst selbst eine Art Weißensee war. Wir haben eine Wohnung mit Garten gesucht, erzählt er. Inzwischen gebe es in Weißensee Bio-Supermärkte. Das Klientel ändere sich.

Der Prenzlauer Berg ist vor allem für gut betuchte Familien - häufig Bio-Käufer und zugezogene Schwaben - bekannt und wird dafür nicht selten verspottet. Böse Zungen nennen den kinderreichen Stadtteil Pregnancy Hill in Anspielung auf die vielen Frauen mit runden Bäuchen. Ob sie bald durch Weißensee flanieren?

Was wir schon sehen, ist, dass sich dort Familien ansiedeln, die nicht mehr im Prenzlauer Berg wohnen können, sagt der Chef der Gastrokette Schiller-Burger, Ali Cengiz. Die Burger-Braterei öffnete vor etwa einem Jahr eine Filiale in Weißensee. Kunden der Kette seien in der Regel 24 bis 35 Jahre alt. Weißensee wird kommen, glaubt Cengiz. Aber ob das ein Jahr dauert oder fünf, das kann ich schwer abschätzen.

Und natürlich ist Weißensee nicht der einzige Berliner Stadtteil, der als nächstes In-Viertel gehandelt wird. Seit Jahren schon heißt es, der Wedding, der in direkter Nachbarschaft zur Stadtmitte liegt, sei im Kommen. Szenegänger wähnen auch den Stadtteil Lichtenberg im Aufwind, der an den Hipster-Kiez Friedrichshain anschließt.

Was Weißensee angeht, gibt es allerdings auch Skeptiker. Die Macher der Seite Spirit of Berlin betonen, der Kiez habe ein großes Manko: Keine S-Bahn, keine U-Bahn, heißt es dort. Tatsächlich verkehren dort lediglich Busse und die Tram. Und ehrlich gesagt: In Weißensee gibt es den See, zwei Kinos und eine vielbefahrene Hauptstraße. Nebenstraßen mit gemütlichen Kneipen: Fehlanzeige.

Das beobachten auch Stadtplaner Luchmann und Eisspatz-Betreiberin Krüger, die für besondere Restaurantbesuche noch immer in den Prenzlauer Berg fahren. Hier gibt es noch zu wenig gute Gastronomie, räumt Krüger ein. In ihren alten Kiez zurück will sie allerdings nicht. Man ist gleich wieder genervt, wenn man in den Prenzlauer Berg geht.