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Leserbriefe Wunsch nach Anonymität respektieren

Von der namentlichen Nennung in Leserbriefen - Wo der Wunsch nach Anonymität zu respektieren ist:

Von Peter Wendt 03.06.2019, 11:45

Wenn in Magdeburg, Stendal oder einer anderen Stadt ein Leser, der Schulz oder Schulze heißt, einen Leserbrief schreibt, wisse niemand, welcher Schulz oder Schulze das ist, weil es bestimmt mehrere von ihnen selbst mit demselben Vornamen gibt. „Auf dem Land ist das ganz anders. Während der Städter anonym bleibt, weiß jeder im Dorf, wer geschrieben hat, was ein Problem ist“, legte Herr Schulze dem Leser-Obmann dar. Er finde es deshalb „nicht in Ordnung“, dass Leserbriefe immer nur mit Namen veröffentlicht werden.

Dass es sich so verhält, wie der Leser schilderte, daran kann es keinen Zweifel geben. Doch scheinen mir da zwei Seelen in seiner Brust zu wohnen – der Wunsch nach Anonymität und das Bedürfnis, sich mitzuteilen, die Meinung zu einem Artikel oder Foto in dieser Zeitung kundzutun –, die miteinander im Widerstreit liegen.

Dieser Widerspruch lässt sich allerdings nicht auflösen, indem wir auf die namentliche Kennzeichnung von Leserbriefschreibern verzichten. „Es entspricht einer allgemeinen Übung, dass der Abdruck (von Leserbriefen) mit dem Namen des Verfassers erfolgt“, heißt es im Pressekodex. Und weiter: „Nur in Ausnahmefällen kann auf Wunsch des Verfassers eine andere Zeichnung erfolgen.“ Es müssten schon sehr schwerwiegende Gründe sein, die ein Leserbriefschreiber anführt, um die Redaktion zu bewegen, seinen Namen nicht zu nennen.

Ganz anders verhält es sich freilich, wenn die Zuschrift kein Leserbrief im eigentlichen Sinne ist, sondern es sich um eine Mitteilung über einen außergewöhnlichen Vorfall oder einen Missstand in der Gemeinde beziehungsweise ihrem Ortsteil handelt, den die Kollegen der Lokalredaktion als Thema aufgreifen sollten, weil er von allgemeinem Interesse scheint. Der Name des Briefschreibers oder Anrufers würde bei der Veröffentlichung nichts zur Sache tun. Unter dem Stichwort „Vertraulichkeit“ besagt Richtlinie 5.1 des Pressekodex nämlich: „Hat der Informant die Verwertung seiner Mitteilung davon abhängig gemacht, dass er als Quelle unerkennbar oder ungefährdet bleibt, so ist diese Bedingung zu respektieren.“