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Grundschule Ausgelesen und zum Papierhut gefaltet

25.03.2021, 23:15

Von Thomas Linßner Barby Keine Frage: Ein disziplinierter Trupp sind sie ja, die 16 Schüler der Klasse 4a der Grundschule „Am Prinzeßchen“. Und kreativ sind sie.

„Wir wollen nicht so ein Hochhaltefoto machen, wie man es immer sieht“, sind sich die 10-Jährigen einig. Derweil funktioniert Lehrerin Dietlinde Halle, die von ihrem kollegialen Umfeld nur Diete genannt wird, lächelnd und wie nebenbei eine Volksstimme zu einem „Malerhut“ um. Damit fängt sie mich! Habt ihr auch eine Wandzeitung? Oder gibt es heute sowas in den Schulen nicht mehr!?

Das potenzielle Gruppenfoto im Hinterkopf kann ich nicht anders: „Toll! Jetzt faltet sich jeder einen Hut und dann machen wir ein Gruppenbild“, übernehme ich keck das Sagen in der 4a. Meine kleine Unsicherheit, ob man das zu Corona darf, nickt Diete Halle ab. Dabei lächelt sie schon wieder. Und als sich ihre Schutzbefohlenen lachend und glucksend die Hüte aufsetzen, sowieso. Man hat den Eindruck, die Barbyerin ist auf die Welt gekommen, um Lehrerin zu werden. Und nichts anderes!

Kinder quetschen Reporter mit Fragen aus

Doch der Reihe nach. Die 4a hat mich eingeladen, um ein bisschen aus dem Alltag eines Reporters zu erfahren. Dabei stellen die Kinder nicht nur vorbereitete Fragen – sie sind wirklich interessiert. Niklas trifft gleich zu Beginn meinen Nerv: „Wollten sie schon immer Reporter werden?“ „Danke, dass du das fragst, Niklas!“ Ich erzähle die Geschichte, wie ich in der 6. Klasse Wandzeitungsredakteur war. Neben der üblichen Pflichtgestaltung machte unser Wandzeitungskollektiv eine „Geschichte“ über einen Problemschüler. Das verordnete Medium „Wandzeitung“ interessierte in jener Zeit kaum jemanden wirklich.

Doch als der Rabauken-Text (sogar mit 6x6 Foto) angepinnt war, bildete sich eine Traube. Sogar die Lehrer blieben stehen. Das war eine gute Erfahrung, was die Massen so interessiert. „Habt ihr auch eine Wandzeitung? Oder gibt es heute sowas in den Schulen nicht mehr!?“, will ich etwas unbedarft wissen. Die 10-Jährigen zucken mit den Schultern. Diete Halle erklärt: „Das ist so was Ähnliches, wie es bei uns im Eingangsbereich hängt.“ Quasi ein analoges Aushängeschild mit Fotos, Bildern und Zeitungsausschnitten in digitaler Zeit. Ich fand den Grenzstein interessant.

Die Fragen, die nun kommen, bedürfen keiner Gleichnisse aus einer Zeit, in der die Schlacht im Teutoburger Wald stattfand. So müssen es die Kinder empfinden, wenn man Geschichten aus tiefster DDR-Zeit erzählt. Ein Schüler will wissen, ob ich ein freier Mitarbeiter oder ein „richtiger“ Reporter bin. Ich erkläre amüsiert den Unterschied.

Kinder interessieren sich für viele Themen

Weitere Fragen prasseln durch den Raum der 4a. Woher kommen die Themen für die Artikel? Gibt es Informanten? Ist die Arbeit gefährlich? ... Ich freue mich über so viel Neugier und bestärke die Kinder darin, auch zukünftig wissbegierig zu sein.

Dann dreht Lehrerin Halle den Spieß um. „Nun erzählt mal, was euch in der Volksstimme am meisten interessiert hat.“ Sport, die Pusteblume-Seite, das Fernsehprogramm, Hägar. Bella, die Sternzeichen Krebs ist, liest sogar ihr Horoskop. Niklas’ Interesse ist irdischer: „Wenn was über den Fabrikhof drin stand.“ Dabei deutet er zum Fenster, wo sich seit einigen Monaten die Aussicht verändert hat. Die Schule ist in direkter Nachbarschaft des Farbrikenhofs, der neu bebaut werden soll. Die Volksstimme berichtete mehrfach. Schwierig werde es bei der Zuordnung der Karikatur.

Sie bediene oft einen Artikel, der auf einer andere Seite steht. Dann hebt Isabell die Hand: „Ich fand den Grenzstein interessant.“ Dabei wurde über eine alte Gemarkungsgrenze in den Eschen berichtet. Und Annalenas Opa schneidet für sie immer die Beiträge der „Pusteblume“ aus. All das freut mich, zeigt es doch auch, dass Heimatgeschichte nicht nur etwas für „alte Leute“ ist.

Zum Abschluss kriegen die aufgeweckten Viertklässler noch eine Hausaufgabe. Sie sollen mal bitte aufschreiben, was sie in der Corona-Zeit erlebten und was sie bedrückt. Ich verspreche, die Quintessenz zu veröffentlichen. Die Kinder freuen sich. Ich auch. Dietlinde Halle sowieso.