Bodetal-Therme Thale 54 Jahre Schwimmmeister: Bei ihm haben Generationen von Harzern Schwimmen gelernt
Wie in vielen Branchen fehlt in Frei- und Hallenbädern Personal. Ein Wahl-Blankenburger trotzt dem Trend, ist seit 54 Jahren als Schwimmmeister aktiv: Denkt Horst-Dieter Harms nun mit 78 ans Aufhören?

Blankenburg/Thale - Auf die Wiedereröffnung der Bodetal-Therme in Thale am Samstag (12. August) fiebert Horst-Dieter Harms schon seit Wochen hin: „Ich muss meinen aktuellen Seepferdchen-Kurs durchbringen, der nächste wartet schon“, sagt der 78-jährige Schwimmmeister. Der gebürtige Altenbraker lebt seit fünf Jahren wieder in Blankenburg, hat sein ganzes Leben dem Wasser gewidmet.
Wie viele Harzer bei ihm das Schwimmen gelernt haben, lasse sich nur schätzen. „Aber wenn man Seepferdchen, Bronze, Silber und Gold sowie das Totenkopf-Ausdauerabzeichen zusammenrechnet, kommen mehr als 6.000 Schwimmer zusammen“, vermutet er.
Schwimmschüler kommen nicht nur aus dem Harz nach Thale
An seinen Kursen nähmen nicht nur Kinder aus der unmittelbaren Umgebung teil. „Wir hatten auch schon Schüler aus Vienenburg, Egeln oder Aschersleben – und eine junge Dame aus Paris, deren Oma aber aus Thale stammt“, berichtet Harms. Mit „wir“ meint er sich und seine Frau Petra – sie begleitet ihn stets bei den Schwimmstunden, wartet am Beckenrand, wenn er im Wasser ist, schießt Erinnerungsfotos für die jungen Schützlinge.
„Unser Ziel ist immer, dass es alle schaffen – dafür muss ich als Trainer zu jedem einzelnen einen Draht finden. Die einen brauchen mehr Motivation und Anleitung, andere weniger“, erläutert Harms. Für gemeisterte Übungen gibt er den Schülern eine „Fünf“ – also ein Abklatschen mit der flachen Hand.
Bei Harms lernte Olympiasiegerin Dagmar Hase schwimmen
Das Konzept scheint anzukommen: „Von einigen meiner aktuellen Schüler kenne ich schon die Eltern und Großeltern aus dem Schwimmunterricht“, sagt Horst-Dieter Harms. So habe sich zu vielen seiner Schützlinge von einst eine Verbindung erhalten – darunter prominente Namen wie die gebürtige Quedlinburgerin Dagmar Hase. Die mehrfache Medaillengewinnern bei olympischen Spielen – unter anderem errang sie in Barcelona 1992 Gold über die 400 Meter Freistil – „hat ihr Schwimm-Abc bei mir gelernt“, so Horst-Dieter Harms stolz.
Ihn selbst habe es ins Wasser gezogen, „weil ich sonst zu nichts taugte“, gibt er mit einem Augenzwinkern zu. Der Schlosser – den Beruf erlernte er bei der Reichsbahn in Blankenburg– avancierte in der Blütenstadt zum Übungsleiter Schwimmen bei der BSG Lok, wurde Schiedsrichter und absolvierte 1969 seine Prüfung zum Schwimmmeister in Magdeburg. In dieser Rolle betreute er von 1970 bis ’73 den heutigen Angelteich in Timmenrode, damals noch ein Badegewässer. Dabei lernte er auch seine Frau, eine gebürtige Thalenserin kennen.
So ließ er sich 1974 zum Umzug in die Bodetal-Stadt überreden, um als Chef im Sommerbad anzuheuern. In Thale baute er die Schwimmsektion der BSG Stahl auf und wirkte beim entstehenden Kreis-Leistungszentrum gemeinsam mit Quedlinburg als Übungsleiter mit. Einige seiner Talente schafften den Sprung an die Sportschulen in Magdeburg und Halle.
Wende bringt Ende des Leistungszentrums Quedlinburg-Thale
Die Wende brachte Harms einen Einschnitt – sie bedeutete nicht nur das Ende des Leistungszentrums: Weil seine bisherigen Qualifikationen aus der DDR nicht mehr galten, legte er Anfang der 1990er Jahre die Meisterprüfung nach bundesdeutschem Recht ab. So konnte er weiter als Schwimmmeister arbeiten.
Aus seiner Sektion bei Stahl Thale wurde 1992 eine Ortsgruppe der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft: „Die Wettkämpfe der Rettungsschwimmer waren wesentlich vielseitiger als die normalen“, resümiert er. Seine Schützlinge sammelten immer wieder Podestplätze bei Landesmeisterschaften.
Abwechselnd in Thales Bodetal-Therme und Altenbrak
Dem Sommerbad blieb er treu – bis zu dessen zwischenzeitlicher Schließung am Saisonende 2010 wegen undichter Becken und fehlender Wasseraufbereitungsanlage. Obwohl er eigentlich schon hätte in Rente gehen können, übernahm Harms 2011 mit seiner Petra die Geschicke des Bergschwimmbads in Altenbrak.
Danach ging es für ihn bis 2018 in die Bodetal-Therme, im Anschluss bis 2021 wieder nach Altenbrak. „Das war herrlich – mit den Stammgästen ging es in meinem Geburtsort immer zu wie in einer Familie.“
Was ewiger Schwimmmeister Schülern nach dem Seepferdchen rät
Seine echte Familie sei allerdings bei einer anderen Frage entscheidend, sagt der rüstige Senior: „Ich habe zwei Söhne, der ältere gelernter Fachangestellter für Bäderbetriebe, und zwei Enkel: Sie müssen mitentscheiden, wie lange ich noch weitermachen soll und wann aufhören.“ Zwar würden „die kleinen Zipperlein“ langsam wachsen, aber dieses Jahr ziehe Harms noch voll durch: „Der Zuspruch fehlt nicht – unsere Kurse sind bis Dezember ausgebucht, im Dezember ist noch etwas Luft.“
Was nächstes Jahr werde, wisse er noch nicht. „Vielleicht konzentriere ich mich dann auf Totenkopf-Schwimmen im Biobad ‚Am Thie‘ in Blankenburg – das wäre direkt um die Ecke von unserer Wohnung“, überlegt Horst-Dieter Harms. Bevor er aber die Badehose an den Nagel hängt, rät er allen Eltern: „Sie müssen auch nach der Seepferdchen-Prüfung ihres Kindes dranbleiben – sonst geht viel wieder verloren.“