Ausbildung Von Hanoi nach Burg

Zehn Vietnamesinnen haben ihren Ausbildungsvertrag in Burg unterschrieben: Sie wollen Altenpflegerinnen werden.

Von Madlen Bestehorn 13.07.2018, 13:00

Burg l Eine riesige Wanne, deren Seitenwand sich wie bei einem Sportwagen nach oben öffnen lässt – so etwas haben die vietnamesischen Auszubildenden (Azubis) noch nie gesehen und staunen. Wenn sie ab September 2018 ihre Ausbildung zum Altenpfleger im Seniorenzentrum „Carl August Gottfried Pieschel“ Burg beginnen, werden sie mit diesem und anderen Arbeitsgeräten häufiger zu tun haben.

Insgesamt zehn Azubis haben am Dienstag ihre Ausbildungsverträge in Burg unterschrieben – sieben von ihnen werden in Burg bleiben, drei ihre Lehre in Gerwisch absolvieren. Zustande gekommen war diese ungewöhnliche Besetzung über Rüdiger Bartsch. Bartsch ist Referent für Kundenbeziehungen bei WBS Training, einem deutschen Weiterbildungsanbieter. Er erklärt: „Seit März dieses Jahres haben wir eine Niederlassung in Vietnam. Über unser ‚Azubi Welcome Programm‘ vermitteln wir Lehrlinge nach Deutschland.“ Dazu gehört, im Vorfeld die Qualifikation der Bewerber zu prüfen und sie bis zum Beginn der Ausbildung auf ein Fortgeschrittenenniveau (B1-Zertifikat) an die deutsche Sprache heranzuführen. Parallel zur Ausbildung soll der weitere Deutschunterricht erfolgen um die Azubis auf ihre mündlichen Abschlussprüfungen vorzubereiten.

Frank-Michael Ruth, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes im Jerichower Land, sagt über die neuen Azubis, dass er sie als Bereicherung für die Seniorenheime ansehe – zumal nicht genügend Bewerbungen aus Deutschland eingingen. „Wir hatten uns explizit weibliche Azubis gewünscht, weil die Akzeptanz seitens der Bewohner größer ist“, erklärt Ruth. „Besonders im ambulanten Bereich wollen die Bewohnerinnen keine Hilfe von einem Mann“, so Ruth weiter. Den Azubis werde ein Praxis-, den Ausbildungsbetrieben ein Integrationsbegleiter zur Seite gestellt, um bei Bedarf kulturelle Hintergründe zu erklären und so Missverständnisse zu vermeiden.

Seit vier Monaten leben die vietnamesischen Azubis in Deutschland, momentan noch in Schwerin, um dort die Sprachschule zu besuchen. Dass die künftigen Burger Azubis bereits gut Deutsch sprechen, zeigt sich beim Rundgang durch das Seniorenzentrum: Jedes neue Wort saugen sie wie ein Schwamm auf und wenden es direkt bei der nächsten Gelegenheit an. Spricht Heimleiter Sebastian Rudolph etwa über Automatiktüren, die sich von alleine öffnen, sagt Tran Thuy Tien bereits bei der nächsten Tür zu ihrer Kollegin: „Warte, das ist Automatik.“

Zwischen 26 und 31 Jahren sind die vier Azubis, die Sebastian Rudolph begleiten, alt. Sie sollen sich künftig um die insgesamt 70 Heimbewohner im Burger Seniorenzentrum in der Berliner Straße kümmern. Als Orientierung für die Bewohner – und gleichzeitig praktisch für die Vietnamesinnen, die die deutsche Sprache noch nicht sicher beherrschen – arbeitet das Heim mit einem Farbleitsystem. Das heißt: Jeder der drei Wohnbereiche ist mit einer Farbe versehen, zum Beispiel Grün für den Wohnbereich II. Auch die Farbe der Arbeitskleidung zeigt an, wer was ist: Fachkräfte tragen Orange, Hilfskräfte grün und Azubis Blau.

Zurechtfinden müssen sich vor allem die Heimbewohner – auch, was die neuen Pflegekräfte angeht. In einem der Gemeinschaftsräume äußert eine Bewohnerin, als sie die Vietnamesinnen sieht: „Die werden auch immer kleiner, die Azubis.“ Heimleiter Sebastian Rudolph zeigt sich optimistisch, dass die Pflegekräfte positiv auf die neuen Auszubildenden reagieren werden: „Die Bewohner sind froh, Hilfe zu bekommen. Und das Deutschniveau der Frauen ist schon gut, sodass sie sich verständigen können.“ Der erste Eindruck, den diese von der Burger Einrichtung erhalten, scheint ein positiver zu sein. Duong Kein Trang sagt: „Das Haus ist sehr schön und sauber. Und der Arbeitgeber, Herr Rudolph, ist sehr nett.“ Ihre Kollegin Do Thi Hien antwortet auf die Frage von Rudolph, ob es in Vietnam ebenfalls Pflegeheime gebe: „Nur wenige. Die meisten Älteren bleiben zu Hause bei der Familie.“

Damit sich Do und die anderen Azubis aus Vietnam in Deutschland nicht einsam fühlen, wollen Rudolph und Praxisanleiter Christoph Stobbe dafür sorgen, dass sie möglichst viel Kontakt zu anderen Auszubis erhalten – damit diese sie trösten, wenn das Heimweh einmal doch zu groß werden sollte.