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Pionierarbeit zur Schaffung kommunaler Strukturen wird mit Bundesverdienstkreuz anerkannt Bernd Kregel verzichtet auf Beamtenstatus, um nach der Wende im Osten zu helfen

Von Thomas Rauwald 04.05.2012, 05:21

Dr. Bernd Kregel aus Biederitz ist kürzlich mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Der 64-Jährige versteht die Auszeichnung auch als Anerkennung und Würdigung der vielen Kommunalpolitiker und Bürgermeister der ersten Stunde nach der Wende.
Biederitz l Strafrecht, nein, das sei nicht sein Ding gewesen, sagt Dr. Bernd Kregel, der studierte Jurist. Menschen bestrafen, nur weil es Paragrafen so verlangen und begleitende Umstände in den Hintergrund geschoben werden, das wollte er nicht, da sträubte sich alles in ihm.
Der Mann will gestalten, sein angehäuftes Wissen in den Dienst vieler stellen. Ehrgeiz treibt ihn. In Rotenburg (Wümme) schließt er im Jahre 1965 die Mittelschule ab und beginnt eine Ausbildung zum gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst. In Soltau bekommt er einen Job. Als Oberinspektor lenkt er stolz einen maisgelben Ford Capri mit schwarzem Venyldach über die Straßen. Aber er will weiterkommen, will noch eins draufsetzen und studieren. Es soll unbedingt Jura sein. Er erwirbt auf der Abendschule die Zulassung zum Hochschulstudium, das er 1973 in Göttingen beginnt. Knapp zehn Jahre später nimmt er seine Tätigkeit in der Stadtverwaltung Wunstorf auf.
Dr. Bernd Kregel reist durch die Welt, schließt den Osten bewusst nicht aus. "Die eine Seite der beiden Machtordnungen kannte ich ja", erklärt der besonnene Mann, "aber ich wollte auch die andere kennenlernen." Noch als Student bereist er gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau Stefanie die UdSSR. Mitte der 80er Jahre besucht er Ost-Berlin, Leipzig, den Spreewald, Dresden, Weimar und Naumburg.
Im Elternhaus in Rotenburg habe die Zeitgeschichte immer eine bedeutende Rolle gespielt, sagt Dr. Bernd Kregel. Der Bruder hatte Geschichte studiert. Diese aberwitzige Grenze und die Politik seien immer im Bewusstsein gewesen, fügt er an. Ein Volk, das getrennt leben muss...
Dass dieser unnatürliche Zustand plötzlich beendet wird, überrascht natürlich auch Dr. Kregel völlig, obwohl er schon einige "Ostkontakte" hatte. Als die von Honecker abgesegnete Städtepartnerschaft zwischen Leipzig und Hannover geknüpft wird, hat man sich auch in der Wunstorfer Stadtverwaltung die Frage gestellt, ob man sich nicht auch um eine Oststadt bemühen sollte. Zu fünft im Auto stehen im so genannten kleinen Grenzverkehr die Städte Haldensleben, Aschersleben, Halberstadt, Oschersleben, Wanzleben, Quedlinburg, Staßfurt, Wernigerode auf dem Tourenplan. Auch durch eine persönliche Komponente sei dann im November 1996 eine Partnerschaft mit Wolmirstedt zustande gekommen, blickt Dr. Bernd Kregel zurück. Der Weg gen Osten ist vorgezeichnet.
Um ihn nach der Wende mit vollem Elan und Enthusiasmus angehen zu können, bittet Kregel um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. "Nee, nee, mich hätte da keiner schicken können, ich wollte selber gehen", erinnert er sich. Die Stelle des stellvertretenden Landesgeschäftsführers des sachsen-anhaltischen Städte- und Gemeindebundes war ausgeschrieben worden. Später rückt er zum Geschäftsführer auf. Sein Hauptverdienst liegt in der Schaffung der neuen kommunalen Strukturen in Sachsen-Anhalt. Er stritt und streitet noch heute für die kommunale Selbstverwaltung, sieht die Gemeindegebietsreform mit der Schaffung von Einheitsgemeinden differenziert und sagt, dass die Bürger vor dem Gefühl bewahrt werden müssen, man brauche ihr Engagement für die gemeindliche Gesellschaft nicht mehr. Die Landespolitik müsse begreifen und auch so handeln, dass sie mit den vielen engagierten Kommunalpolitikern einen Schatz habe, den es zu heben und zu erhalten gilt.
Dr. Bernd Kregel analysiert, dass diese Reform, die in Sachsen-Anhalt einen sehr langen Geburtsweg und viele politische Väter hatte, eine Gratwanderung ist. Es ist der Versuch, zwischen der Effizienz der Verwaltung auf der einen Seite und der Identifikation und dem Engagement der Bürger auf der anderen, einen Ausgleich hinzubekommen. Dieser Obersatz sei leichter formuliert, als in der Praxis umgesetzt. Aber man dürfe beides nie aus den Augen verlieren, warnt Kregel. Sein Eindruck sei, dass man an einigen Stellen - nicht generell und nicht überall - Zahlen hinterhergelaufen sei, anstatt die Identifikation, die Bereitschaft der Bürger mehr im Blick zu haben, die sagen, das ist meine Gemeinde, das ist mein Ding und es kann nicht egal sein, ob es hier Löcher in den Straßen gibt oder ob die Laterne nicht brennt, oder ob es Vandalismus gibt oder was auch immer.
Den Einheitsgemeinden Biederitz und Möser räumt Dr. Bernd Kregel gute Chancen ein. Sie werden ihre Zeit brauchen, bis sie ihre historischen oder sonstigen Grabenkämpfe erledigt haben. Doch wenn Bürgerwohl und Selbstverwaltung über zum Teil hochtheoretischen Effizienzberechnungen gestellt werden, dann haben die Gemeinden eine Zukunft.