Autorenlesung Dagmar Enkelmann blickt bei ihrer Lesung in Burg zurück auf die Gleichstellung in der DDR
Dagmar Enkelmann besuchte das Soziokulturelle Zentrum. Im Gepäck hatte sie ihr Buch „Emanzipiert und stark – Frauen aus der DDR“, aus dem sie einige Passagen auslas und damit Zustimmung von den Besucherinnen erntete.

Burg - Über Frauen, Frauenrechte und das Rollenbild der Frau kann Dr. Dagmar Enkelmann eine Menge berichten. Die Autorin, Historikerin und Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung wuchs in der ehemaligen DDR auf, schlug nach dem Studium eine politische Laufbahn ein und war von von 2005 bis 2013 parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Die Linke. Für die Rechte der Frauen hatte sie immer besonderes Interesse. „Es war mir ein Anliegen, mich gegen den Artikel 218 zu engagieren, der Frauen Abtreibungen verbot. Deswegen bin ich mit einem T-Shirt in den Bundestag gekommen, auf dem diese Botschaft aufgedruckt war. Stefan Heym (Abgeordneter der PDS im Bundestag - Anmerkung der Redaktion) bat mich, das Shirt auszuziehen, da so etwas im Bundestag nicht üblich sei. Ich weigerte mich mit der Begründung, dass ich außer dem Shirt nichts tragen würde und so durfte ich es weiter tragen, da man sonst einen noch größeren Skandal befürchtete“, erinnert sie sich amüsiert an eine ihrer Aktionen.
Besucherinnen diskutierten über das Thema
Dagmar Enkelmann besuchte nun das Soziokulturelle Zentrum in Burg, um aus ihrem Buch „Emanzipiert und stark – Frauen aus der DDR“ vorzulesen. Ehe die Lesung begann, hatte das Sokuz zu einem Frauenfrühstück eingeladen, bei dem das Thema des Buches schon einmal besprochen wurde. „Ich finde, nach der Wende hat sich die Stellung von uns Frauen schon verschlechtert“, meint Carola Zabel, die das Frauenfrühstück besucht. „Besonders negativ ist mir aufgefallen, dass Frauen jetzt oft schlechter bezahlt werden und Männer viel öfter in höheren beruflichen Positionen zu finden sind.“ Die Frauen, mit denen sie einen Tisch teilt, nicken. In der DDR hätten sie eine solche Benachteiligung nicht erlebt und hätten sich mit den Männern auf einer Stufe gefühlt.
Nachdem sich die Frauen beim Frühstück gestärkt haben, tritt Dagmar Enkelmann ans Mikrofon. Zunächst stellt sie sich und ihren Lebenslauf kurz vor, verweist auch darauf, dass sie drei Kinder und neun Enkelkinder hat. Gerade die Versorgung von Kindern sei besonders in den vergangenen Monaten während der Pandemie auf die Schultern der Frauen abgeladen worden. „Die Pandemie hat uns noch mehr verdeutlicht, welche Rollen Frauen erfüllen müssen und auch wie ihre Leistungen gewürdigt werden“, berichtet sie. Und diese Würdigung fällt ihrer Ansicht nach deutlich zu gering aus. „Ich denke, außer ein bisschen klatschen für das Geleistete, wird da nicht viel passieren.“ Arbeit in Familien müsste deutlich anders gewertet werden.
Arbeit und Familie seien leichter vereinbar gewesen
Von dem aktuellen Exkurs zum Thema Pandemie wendet sie sich dann ihrem Buch zu. Partei-Kollege Gregor Gysi hatte dazu eine Rezension geschrieben und es eine „Homage an emanzipierte Frauen“ genannt. Was zweifellos als Kompliment gemeint war, aber Dagmar Enkelmann hatte dies eher ein wenig verwundert. „Ich weiß nicht, wie Sie es erlebt haben, aber ich hätte mich als junge Frau in der DDR gar nicht als emanzipiert beschrieben. Wir waren es einfach.“ Die Frauen im Publikum nicken zustimmend. Die Autorin berichtet von ihrer Erfahrung, dass in der DDR das Arbeiten, das Studium oder eine Ausbildung mit Kind problemlos miteinander vereinbar gewesen wären. „Nach der Wende ist mir dann aufgefallen: So selbstverständlich ist es gar nicht, dass man ohne Sorge arbeiten gehen kann und den Nachwuchs betreut zu wissen.“
Gleichstellung ist nicht selbstverständlich
Die Lebensweise der Frauen aus der DDR wurde nach der Wende in Podiumsdiskussionen, Lesungen, Dokumentationen und Büchern betrachtet. „Offensichtlich war doch etwas Besonderes dran an der Ost-Frau. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass es ähnliche Betrachtungen für den Ost-Mann gab“, erklärt sie. Als Frau, die in der DDR aufgewachsen ist, habe es sie erstaunt, dass ihre Geschlechtsgenossinnen in Westdeutland bis 1977 die Zustimmung ihres Ehemanns brauchten, um überhaupt arbeiten gehen zu dürfen. „Und bis 1958 durften die Ehemänner die Arbeitsverträge ihrer Frauen kündigen und sie hatten auch das Recht, den Lohn der Frau zu verwalten.“ Dies sorgt für Raunen im Publikum. In diesem Bereich seien die Frauen in der DDR deutlich gleichgestellter gewesen, auch im Bereich des Lohns. „Inzwischen ist das für Frauen aber nicht mehr selbstverständlich“, gibt sie zu bedenken. Besonders bedenklich findet sie es, dass viele Frauen inzwischen in Teilzeit arbeiten und damit bei weiterem nicht mehr so ökonomisch unabhängig seien.
An den Zustimmung und dem Applaus des Publikums war zu erkennen, dass die Autorin mit ihren Ausführungen bei den Besucherinnen aus Burg durchaus einen Nerv getroffen hatte.
