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Tongruben-Prozess Sechs Ermittler und ein Kronzeuge

Das Aussagenprotokoll des Kronzeugen Uwe S. war Thema beim Prozess gegen Ex-Landrat Lothar Finzelberg im Landgericht Magdeburg.

Von Franziska Ellrich 14.12.2016, 00:01

Magdeburg l Hat Lothar Finzelberg sich während seiner Zeit als Landrat bestechen lassen? Hat er Bargeld kassiert und mit teuren Wagen Wochenendausflüge gemacht, ohne dafür zu bezahlen? Seit einem Jahr sitzt er wegen Korruptionsverdacht vor Gericht. Neben ihm einer der ehemaligen Tongrubenbetreiber, von ihm soll das Geld für Finzelbergs Einfluss auf Genehmigungen gekommen sein. Im Januar könnte nun das Urteil fallen.

Mitarbeiter der Kreisverwaltung, Angestellte aus Autohäusern im Jerichower Land, Polizeibeamte wurden befragt, Telefonüberwachungen abgespielt, Kontobewegungen aufgelistet und der Kronzeuge Uwe S. wiederholt vorgeladen. Seine Aussagen belasten den Ex-Landrat schwer.

Doch wie glaubhaft ist Uwe S., wie konstant seine Behauptungen? Um das zu überprüfen, wurde am Montag vor dem Magdeburger Landgericht die stundenlange Videoaufnahme einer Vernehmung von Uwe S. aus dem Jahr 2010 gezeigt. Drei Staatsanwälte, drei Polizeibeamte, eine Protokollantin, Uwe S. und sein Verteidiger nehmen dafür im Beratungsraum des Landeskriminalamtes Platz.

Zu diesem Zeitpunkt sitzt Uwe S. bereits seit zwei Jahren im Gefängnis. Lässt er sich ein, wird seine Haftstrafe verkürzt. Es folgen mehrere Befragungen. Bei der im LKA können direkt alle Ermittler das per Beamer an die Wand geworfene Protokoll mitlesen.

Uwe S. hat Notizblock und Lesebrille dabei, ist also vorbereitet. Er beginnt chronologisch: Über den Reitunterricht seiner Tochter lernt Uwe S. damals den heute mehrfach angeklagten Tongrubengesellschafter Edgar E. kennen. Der soll ihn später gefragt haben, ob er Kontakt zum Landrat Finzelberg herstellen könne. „Und das tat ich“, erklärt Uwe S. in der aufgezeichneten Vernehmung.

Alles soll dann mit der Übergabe von 10 000 Euro begonnen haben. Dann folgen laut dem damaligen Autohausbesitzer Uwe S. Neuwagen für die ganze Familie und noble Pkw, die er Finzelberg kostenlos für Wochenendtrips leiht. „Finzelberg sollte unterstützt werden“, sagt Uwe S. Immer wieder wird der Kronzeuge in seinen Ausführungen unterbrochen. Doch dabei geht es nicht – wie bei einer gewöhnlichen Vernehmung – um Nachfragen, sondern es wird am Protokoll gefeilt. Es fallen Sätze wie: „Vielleicht sollten wir diesen Satz wegnehmen“; „Da fehlt mir noch was“ oder „Das hätte ich gern drin“. Genau aus diesem Grund empört sich der Verteidiger von Lothar Finzelberg: „Das ist keine Vernehmung, das ist ein Arbeitskreis.“ Man habe gemeinsam ein belastbares Vernehmungsprotokoll erarbeitet, „gesteuert von den Staatsanwälten“.

Einer der Staatsanwälte will in der gezeigten Vernehmung von Uwe S. wissen, wofür Finzelberg das ganze Geld brauchte. Uwe S.: „Er erzählte mir, dass er bei einem Heizungsbauer aus Burg Schulden hat. Der soll ihm damals ausgeholfen haben und macht ihm jetzt Druck.“ Diese Verbindlichkeiten würden Uwe S. zufolge aus Finzelbergs Zeit als Finanzdienstleister stammen. Während dieser Zeit habe der Ex-Landrat unter anderem mit Grundstücken gehandelt. Grundstücke, die er gekauft und erschlossen – aber nicht kostendeckend veräußert habe.

Als der Richter am Montag von Finzelberg Einzelheiten zu dessen Lebenslauf wissen will, spricht auch er von Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit. Vor seiner Wahl zum Landrat hat Finzelberg als selbstständiger Finanzdienstleister gearbeitet, mit Versicherungen und Möglichkeiten zur Geldanlage gehandelt. Das alles für den Finanzbetrieb AWD. „Ich dachte, ich sei gut abgesichert“, erklärt Lothar Finzelberg gegenüber dem Gericht. Doch offensichtlich würden Urteile in seiner Vita zeigen, dass das nicht der Fall war. Finzelberg musste Einnahmen zurückzahlen.

Sollte Finzelberg wirklich Geld angenommen haben, wofür soll das gewesen sein? Diese Frage taucht während der Vernehmung auf Videoband immer wieder auf. Uwe S. Antwort lautet: Finzelberg soll bei den entsprechenden Genehmigungen für die Tongruben und die Müll-Sortieranlage „behilflich“ gewesen sein. Als Landrat soll Finzelberg dem Kronzeugen zufolge sowohl eine höhere Durchlaufleistung als auch Lagerkapazität möglich gemacht haben. Und überall dort, wo der Landkreis nicht verantwortlich war, sondern zum Beispiel das Landesbergamt, habe Finzelberg „auf Entscheidungsträger eingewirkt“.

Am Montag, 19. Dezember, will die Staatsanwaltschaft ihren Schlussvortrag halten.