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Gärten Grün - grüner - Gommern

Politische Entscheidungsträger in Gommern beziehen Stellung zu Schottergärten und unterbreiten Vorschläge.

Von Thomas Schäfer 04.08.2020, 04:00

Gommern l „Seit einigen Jahren greift ein Negativtrend um sich“, ist auf der Internetseite des Naturschutzbundes Deutschland zu lesen. Gemeint sind Schottergärten – Grundstücksflächen, die großflächig mit Steinen bedeckt sind. Pflanzen kommen hierin so gut wie gar nicht vor. Weiter heißt es auf der Webseite des Nabu: „Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer setzen auf Schotter, statt auf Pflanzen. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich: Einige streben damit eine Minimierung der Pflege an, einige schätzen die reduzierte Erscheinung und Ästhetik.“ Weiterhin weist der Nabu darauf hin, dass viele dieser Gärten zudem biologisch gesehen tot sind, denn sie bieten den meisten Tieren und Pflanzen weder Nahrung noch Lebensraum.

Die Schottergärten waren kürzlich Thema im Bauausschuss der Gemeinde Möser. Es wird darüber nachgedacht, diese dort per Gestaltungssatzung zu verbieten.

Wäre eine solche Satzung auch in Gommern denkbar, ein Verbot von Schottergärten? Wie schätzen die hiesigen politischen Entscheidungsträger die Situation ein? Mit diesen Fragen hat sich die Volksstimme an die im Stadtrat vertretenen Fraktionen und an Bürgermeister Jens Hünerbein (parteilos) gewandt.

„Die Fraktion SPD/Die Grünen lehnt Schottergärten eindeutig ab“, bezieht Walter Schmidt im Namen seiner Fraktion Stellung. „In der Sache geht es hier um die Flächen, die zwischen dem Wohnhaus und der Straße liegen und oftmals nur schlecht gepflegt werden können. Entweder aus Gründen der Berufstätigkeit, des Alters oder einfach nur aus Bequemlichkeit. Man spricht dabei auch schon von ‚Vorgärten des Grauens‘. Ökologisch wird hier wertvoller Naturraum versiegelt, der Insekten und Pflanzen Lebens- und Nahrungsraum bietet. Vor dem Hintergrund zunehmender Versiegelung von Flächen und des Rückganges von Insekten und anderen Tieren sollte jeder etwas dafür tun, um hier gegenzusteuern“, heißt es in der Stellungnahme der Fraktion SPD/Die Grünen weiter.

In diese Kerbe schlägt auch Die Linke: „Schottergärten sind einfach nur fürchterlich. Diese sind weitgehend ökologisch wertlos und haben einen ungünstigen Einfluss auf das örtliche Mikroklima. Die Steinflächen heizen sich unter Sonneneinstrahlung stark auf und speichern die Wärme bis in die Abendstunden. Durch den Wegfall der Verdunstung von Pflanzen sinkt die Luftfeuchtigkeit, und die kühlende Wirkung fällt weg. Vor allem bei gehäuftem Vorkommen solcher Flächen in bebauten Gebieten wird von einer verstärkten Sommerhitze und Trockenheit in der Umgebung ausgegangen. Darüber hinaus bieten diese ‚Gärten‘ kaum Lebensraum für Lebewesen.“

Gommerns Bürgermeister Jens Hünerbein (parteilos) stellt bisher keine zunehmenden Versiegelungen von Flächen durch Schottergärten fest. „Ich glaube, wer heutzutage aus seinem Fenster heraus schaut, der möchte nicht nur auf Asphalt oder Pflaster schauen, sondern möchte es sicher auch ein bisschen grün vor der Tür haben. Daher gehe ich davon aus, dass die Vernunft hier eher in die grüne, statt in die Versiegelungs-Richtung geht“, hofft er.

„Natürlich gibt es in der Einheitsgemeinde den einen oder anderen, der seinen Vorgarten mit Schotter gestaltet - aber ich denke nicht, dass wir hier unbedingt eingreifen sollten. Nach meiner Auffassung ist ein Verbot per Satzung momentan kein Thema“, so Bürgermeister Hünerbein.

Dieser Meinung ist auch die Fraktion SPD/Die Grünen. „In der Vergangenheit wurde die Baumschutzsatzung der Einheitsgemeinde leider so geändert, dass Baumfällungen in Privatgärten nicht mehr angezeigt, beziehungsweise genehmigt werden müssen. Dies hat die Fraktion SPD/Die Grünen mehrfach kritisiert und diese Frage soll nun demnächst wieder im Stadtrat diskutiert werden. Dann kann man auch die Problematik der Vorgärten besprechen. Hinsichtlich der Vorgärten aber mit Verboten arbeiten zu wollen, wird seitens der Fraktion SPD/Die Grünen eher kritisch gesehen. Zum einen handelt es sich um einen nicht unerheblichen Eingriff in das Privateigentum, und zum anderen werden viele Eigentümer feststellen, dass auch Gesteinsgärten ohne entsprechende Pflege schnell unansehnlich werden, so dass diese Modeerscheinung auch schnell wieder verschwinden kann. In der jetzigen Phase sollte vor allem an die Vernunft und Naturliebe der Bürgerinnen und Bürger appelliert werden. Sollte das Phänomen aber in der Einheitsgemeinde überhand nehmen, wird man auch andere Maßnahmen überlegen müssen“, so Walter Schmidt.

„So sehr viele Schottergärten sind uns eigentlich in der Einheitsgemeinde nicht bekannt“, heißt es von Mario Langer, Die Linke. „In einigen Bundesländern gibt es bereits solche Verbote oder sie sind in Arbeit. Es ist allerdings ungünstig, mit Verboten zu arbeiten. Steinschüttungen an Fassaden oder auch an Zäunen sind wiederum notwendig, um diese zu schützen.

Besser wären Hinweise und Anregungen, auf solche Gestaltungsform zu verzichten. Allgemein sollten die Bürgerinnen und Bürger über die Unsinnigkeit von Steinschüttungen auf größeren Flächen aufgeklärt werden. Zum Beispiel kann bei Erteilung von Baugenehmigungen darauf hingewiesen werden“, geht Mario Langer mit Jens Hünerbein und Walter Schmidt d‘accord.

Frank Krehan von der Freien Wählergemeinschaft Leitzkau/Gommern sieht bezüglich eines Verbotes von Schottergärten mittels einer Satzung keinen Diskussionsbedarf. Weiterhin weißt er darauf hin, dass die Einheitsgemeinde Gommern ländlich geprägt ist und man sie „sicherlich auch als ‚Grün‘ bezeichnen kann“.

„Im Sinne einer stetigen Fortentwicklung verweise ich aktuell auf das Anlegen von Blühwiesen und das Bekenntnis zum Erhalt der bewirtschafteten Kleingartenanlagen in der Einheitsgemeinde“, heißt es weiter von Frank Krehan.

So sieht es auch Walter Schmidt. „Die Einheitsgemeinde Stadt Gommern ist ländlich geprägt und schon deshalb per se ziemlich ‚grün‘. Deshalb sind ja auch viele nach der Wende etwa aus Magdeburg in die Einheitsgemeinde gezogen, wodurch sich die Einwohnerzahl etwa der Ortschaft Wahlitz mehr als verdoppelt hat. Trotzdem hat die Stadt Gommern zusätzlich noch mehrere Gärten, die auch die Stadt selbst noch grüner und lebenswerter machen. Da ist dann auch der Gesteinsgarten am Kulk eine wirkliche Bereicherung. Insofern ist die Gesamtsituation in diesem Bereich sicherlich nicht schlecht, und derzeit hat Gommern drängendere Probleme, etwa den defizitären Haushalt oder die Folgen der Corona-Pandemie.“

Ein grünes Gommern attestiert auch Mario Langer von den Linken. „Gommern schätzen wir als ‚gut grün‘ ein. Das betrifft die Wohngebiete der Stadt und der Dörfer. Fotos von Stadt- und Dorfansichten dokumentieren dies. In den entstandenen Eigenheimsiedlungen sind die Bäume, Hecken und Sträucher inzwischen tüchtig gewachsen und es sieht gepflegt aus.“

Auch Bürgermeister Jens Hünerbein schätzt die Gemeinde als sehr grün ein. „Das lässt sich sehr leicht dokumentieren. Wenn man im Internet auf Seiten wie Google Earth oder Google Maps geht, sieht man sehr gut, wie grün Gommern ist. Außerdem: Wenn ich den Pflegeaufwand des Bauhofes für unsere Grünflächen sehe, ist das auch eine große Bestätigung“, schätzt Jens Hünerbein ein.

Also alles „grün“ in der Einheitsgemeinde? Oder könnte es nicht doch etwas umwelt-, insekten- und bienenfreundlicher sein? Welche Maßnahmen wären denkbar, Gommern in dieser Hinsicht weiter nach vorn zu bringen?

„Natürlich dürfen wir uns auf der derzeitigen Situation nicht ausruhen und es geht alles immer noch ein Stück besser“, so Walter Schmidt, Fraktionsvorsitzender SPD/Die Grünen. „Einzelne Ortschaften legen auch Blühwiesen an; dies gilt es ebenfalls zu unterstützen. Aber auch hier ist dies keine alleinige Aufgabe der Politik oder der Verwaltung, sondern der ganzen Bevölkerung. Jeder kann und sollte etwas dafür tun, dass die Einheitsgemeinde schöner und umweltfreundlicher wird.“

Konkrete Vorschläge kommen ebenfalls aus der SPD/Die Grünen-Fraktion. „Als erstes sollte die Baumschutzsatzung geändert werden, damit wertvoller Baumbestand erhalten bleibt. Weiterhin hat die Fraktion SPD/Die Grünen schon in der letzten Wahlperiode einen Bürgerdialog ins Leben gerufen, um Gommern naturnaher und umweltfreundlicher werden zu lassen. Die Volksstimme hatte darüber berichtet. Leider kam zur ersten Sitzung nur ein einziger Bürger“, bedauert Walter Schmidt.

„Hier sollte die Stadt nochmals einen entsprechenden Aufruf starten und die Bürgerinnen und Bürger zu Vorschlägen aufrufen“, so Schmidt weiter. „Denn, wie gesagt: Nur mit der Bevölkerung und deren Initiativen und deren Verständnis und Mitziehen lässt sich hier ein wesentlicher Fortschritt erreichen. Und einzelne Initiativen, wie zu Blühwiesen oder Blumen- und Baumpatenschaften, gibt es ja bereits.“

Und weiter: „Ein wichtiger Faktor ist zudem die Situation der Kleingärten in Gommern. Hier hat die Fraktion SPD/Die Grünen bereits vorgeschlagen, ein Kleingartenkonzept zu entwickeln, damit der Beitrag der Kleingärten zur Biodiversität und zum Klimaschutz auch weiterhin gesichert werden kann.“

Auch Mario Langer von den Linken bezieht Stellung zu einem grüneren Gommern. „Besser geht immer. Besonders bei diesem Thema. Es ist wichtig, wo die Möglichkeit besteht, Grünflächen zu erweitern. Eine sehr gute Maßnahme ist aktuell die Schaffung von Insektenwiesen. Im Prinzip kann jeder einen Beitrag leisten. Einfach schauen, wie und wo ‚Grün‘ erhalten und neu angelegt werden kann. Egal, ob auf dem eigenen Grundstück oder davor. Viele Einwohnerinnen und Einwohner sind aktiv und nehmen beispielsweise die Gießkanne und versorgen den Baum vor ihrer Tür.“

„Was fehlt“, bedauert Mario Langer, „ist der Blick auf die Flächen außerhalb der Ortschaften. Hier gibt es großes Potential für Gehölze. Insbesondere an Feldrändern, Gräben und Feldwegen. Leider wird bis an diese heran ‚geackert‘. Feldränder und damit der Wildpflanzenbestand werden abgemäht und dadurch Lebensraum zerstört. Leider verweigern sich hier oft die Nutzer der Ackerflächen.“

„Natürlich könnte Gommern noch grüner sein“, sagt auch Bürgermeister Jens Hünerbein. „Die Tendenzen gehen ja momentan auch in diese Richtung. Das beweisen viele Diskussionen zur Gestaltung der Gemeinde. Es findet derzeit eine Umorientierung und Besinnung auf Ökologie statt, dass mehr in Richtung Blühwiesen und Insektenschutz gegangen werden sollte“, sagt Jens Hünerbein.

Man sei im Gespräch mit den Ortschaften, die Ortschaftsräte und Ortsbürgermeister unterbreiten Vorschläge. „Vehlitz hat da zum Beispiel gute Vorschläge gebracht und geht voran“, lobt Hünerbein.

Lobend erwähnt Jens Hünerbein auch die Baumpflanzaktionen von Friedemann Barthels, Landschaftsgärtner aus Gommern, sowie diverse Baumpflanzungen durch den Stadtförderverein „Wir für Gommern“. „Leider ist es aber auch so“, gibt Jens Hünerbein zu, „dass wir momentan in den Waldgebieten erhebliche Defizite haben. Waldbruch durch Stürme und Borkenkäfer haben mehr weggenommen, als durch Nachpflanzungen ausgeglichen werden kann.“

(Auf die Anfrage der Volksstimme zum Thema Schottergärten und grüneres Gommern lagen bis zum Redaktionsschluss keine Antworten von CDU, AfD und FDP vor.)