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Glasfaser Ohne Bagger keine Digitalisierung

Ministerpräsident Reiner Haseloff war prominenter Gast beim Genthiner Wirtschaftsgespräch. Er kritisierte mangelnde Tiefbaukapazitäten.

Von Thomas Pusch 22.08.2019, 06:00

Genthin l Die Digitalisierung und die Möglichkeiten des ländlichen Raums standen am Mittwochvormittag im Mittelpunkt des Wirtschaftsgesprächs des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektroindustrie (Zvei) bei der Firma Tür-Control-Systems (TCS), einem Hersteller von Türöffnungssystemen. Als prominente Gäste saßen Ministerpräsident Reiner Haseloff und der Ostbeauftragte der Bundesregierung Christian Hirte (beide CDU) mit am Tisch. Firmengründer Otto Duffner bekannte, dass er bereits seit 25 Jahren zwischen dem heimischen Schwarzwald und dem Jerichower Land pendelt. Haseloffs Avancen, ihn nach Sachsen-Anhalt zu locken, blieben allerdings ohne Erfolg. „Digitalisierung ist alles“, leitete er dann aber vom Vorgeplänkel zum Thema des Vormittags über.

„Industrie ohne Digitalisierung ist heute nicht mehr denkbar“, griff Marco Langhof, Vorsitzender des Verbandes der IT- und Multimediaindustrie Sachsen-Anhalt die These auf. Das sei auch eine Frage für das Bundesland und so habe er sich gefreut, dass die digitale Agenda zunächst in den Wahlprogrammen, dann auch im Koalitionsvertrag Niederschlag gefunden habe.

Damit allein sind natürlich noch nicht alle Probleme gelöst. Glasfaser solle in die Gewerbegebiete und Schulen, W-Lan in die touristischen Regionen. Aktuell stehe Sachsen-Anhalt bei den Verbindungsgeschwindigkeiten in Deutschland auf dem vorletzten Platz.

„In der Informations- und Kommunikationstechnik findet man wenige Marktführer aus Deutschland“, bemühte Michael Ziesemer, Präsident des Zvei, ein anderes Ranking. Im Bereich des Maschinenbaus und der Elektrotechnik sehe das schon ganz anders aus. Allerdings – kam er zum Thema Breitbandversorgung zurück – „sind 57 Prozent nicht mit ihrer Versorgung zufrieden“. Verheerend sei dabei, dass sich die Verbindungsgeschwindigkeit oft nach der Bevölkerungsdichte richte, in den Innenstädten also zumeist am höchsten sei. „Die Wirtschaft ist allerdings zumeist in den Gewerbegebieten und nicht in den Innenstädten“, erklärte er die Problematik.

In der Branche werde durch die Digitalisierung ein Wandel vollzogen, vor allem für die Fachkräfte in den Mint-Berufen, also aus den Bereichen, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Das heiße allerdings nicht, dass es weniger Stellen würden, nur eben andere, teilweise würden sogar Arbeitskräfte benötigt.

Arbeitskräfte würden durch die Digitalisierung auch in anderen Bereichen benötigt, bemerkte Haseloff. Er halte auch nichts von dem Motto, in Köpfe statt in Beton zu investieren. Man dürfe nämlich keine Seite vernachlässigen. „Es muss auch jemanden geben, der einen Bagger fahren kann, sonst können die Leitungen gar nicht verlegt werden“, fasste er zusammen. Aber auch er sieht die Schwierigkeit. Vor seiner Abfahrt nach Stendal, wo er das Berufsschulzentrum besuchte, zog er die Altmark zum Vergleich heran: „Sie ist doppelt so groß wie das Saarland und Luxemburg zusammen, hat aber nur ein Achtel der Einwohner“. Insgesamt müssten 650 Orte versorgt werden, die wiederum auch einige Kilometer voneinander entfernt liegen. Es gebe keine weitere so dünnbesiedelte Fläche in Deutschland.

Und natürlich gebe es nicht nur dort ein Problem mit der Internetversorgung. Das liege nicht an den finanziellen Mitteln, die zur Verfügung stehen. Oftmals seien es in der Tat die fehlenden Tiefbaukapazitäten. „Wer am Bau der A14 beteiligt ist, wird von uns schon herangezogen“, sagte Haseloff. Aber es müsse auch ein Umdenken bei der Berufswahl stattfinden. „Es können nicht alle als Wissenschaftler in einem weißen Kittel durch die Gegend wandeln“, betonte er.

Der Ostbeauftragte Christian Hirte ist derzeit unter dem Motto „Erinnerung – Wandel – Zukunft“ unterwegs. Die Tour führte ihn auch in den Landkreis Nordwestmecklenburg, wo 70 Bautrupps unterwegs seien, um Datenverbindungen zu verlegen. Das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben werde total umgekrempelt. „Und manchmal frage ich mich, wie sehr die Menschen eigentlich dazu in der Lage sind, das alles aufzunehmen“, sagte TCS Vorstandsvorsitzender Duffner.

Bei einem Firmenrundgang demonstrierte er den Besuchern dann, wie auch bei der Produktion von Türöffnungsanlagen die Digitalisierung Einzug gehalten hat. So kann mit einem Konfigurator über das Internet individuell eine Außenstation eingerichtet und per Knopfdruck ihre Produktion ausgelöst werden. Dank ihrer Innovationen verfügt die Firma über einen guten Zuwachs, hat erst vor fünf Jahren einen Anbau errichtet. „Sonst müssten wir sie ja auch wieder in den Schwarzwald schicken“, meinte der Ministerpräsident schmunzelnd.