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Migration Wohnblock von Rumänen in Parey macht Ärger

Abfall, Lärm und möglicher Sozialbetrug: 400 Rumänen sorgten in Parey für Konflikte. Seit ein paar Monaten sind sie weg.

Von Marco Hertzfeld 16.08.2018, 09:00

Parey l Das Unkraut auf den Wegen steht kniehoch. Einige wenige Fenster sind angeklappt, eine der fünf Eingangstüren steht sperrangelweit offen. Auf dem Boden stapeln sich Briefe und Werbesendungen. Der Block im 2400-Seelen-Ort Parey scheint menschenleer. „Sie sind alle weg, schon vor Monaten“, ruft ein junger Mann und kommt langsam mit dem Fahrrad näher. Vor mehr als einem Jahr lebten noch 400 Rumänen in dem unsanierten Plattenbau aus DDR-Zeiten. „Nach und nach sind sie verschwunden“, sagt der Einheimische unaufgeregt. Zuvor schlugen die Wellen noch hoch, zwei Welten prallten aufeinander. Behörden ermittelten wegen Sozialbetrugs gegen etliche Familien.

„Der Verdacht war da und begründet, Strafanzeigen hat es nicht gegeben“, weiß Landrat Steffen Burchhardt noch ganz genau. Zum einen sollen Eltern mehr Kinder als vorhanden angeben haben, um höhere Sozialleistungen zu erhalten. „Wir haben irgendwann alle Familien ins Jobcenter einbestellt und als Landkreis die Speerspitze gebildet. Wir haben alle Fälle in Kleinstarbeit unter die Lupe genommen.“ Ein weiterer Verdacht: Erwachsene sollen nur zum Schein selbstständig oder angestellt gewesen sein, damit sie ihr Einkommen an den Wohnorten mit Hartz IV aufstocken konnten. Kurz darauf verließen die ersten Familien Parey. „Wir waren einfach unbequem. Als ungerecht empfinde ich das nun wirklich nicht“, meint der Sozialdemokrat.

Bei den Rumänen hat es sich zum größten Teil um Sinti und Roma gehandelt. Allesamt lebten sie im Dorf nicht als Flüchtlinge, sondern mit allen Rechten eines EU-Bürgers. Fünf Kinder pro Familie sollen eher die Regel als die Ausnahme gewesen sein. Die meisten Männer schufteten auf dem Bau, die Frauen blieben daheim. „Die Leute haben bei jeder Gelegenheit gegrillt und sind ständig mit Autos umhergefahren“, meint ein Rentner am Fenster und zieht an seiner Mittagszigarette. „Aber ansonsten? Sie haben eben ihre eigenen Regeln.“ Am Ende soll ein Großteil des Inventars vor das vierstöckige Gebäude geworfen und liegen gelassen worden sein. „Das geht natürlich gar nicht.“

Was aus dem maroden Block im Wohngebiet Lustgarten wird, steht in den Sternen. Der Kommune dürften nach wie vor die Hände gebunden sein, für den Abriss sowieso. Nach Volksstimme-Informationen sollen die Besitzverhältnisse so gestrickt sein, dass quasi Eigentumswohnungen vorliegen. Dem Eigentümer eine Steuerschuld nachzuweisen und darüber eine Zwangsversteigerung in die Wege zu leiten, scheint fast unmöglich. Wahrscheinlicher dürfte es sein, dass der Besitzer, der Grieche sein soll, das Interesse an dem Objekt verliert und es von sich aus abstößt. Nicole Golz (parteilos), die Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde Elbe-Parey, hat auf mehrere Anfragen dieser Zeitung nicht reagiert.

Ortsbürgermeisterin Cora Schröder will, wie sie selbst sagt, nicht alle Familien über einen Kamm scheren. „Es gab ein, zwei, die hätte man noch irgendwie erreichen und an die Gepflogenheiten hier gewöhnen können. Und Kinder können ja sowieso am wenigsten dafür“, findet die Christdemokratin. Es habe durchaus auch Bürger gegeben, die den Rumänen beim Gang zu den Ämtern geholfen hätten. „Doch: Wenn plötzlich 400 fremde Menschen in ein Dorf kommen, oftmals weder Deutsch noch Englisch sprechen und andere Vorstellungen von Müllentsorgung, Nachtruhe und Eigentum anderer haben, führt das automatisch zu Konflikten“, ist sie überzeugt. „Wichtig ist, dass nun wieder Ruhe herrscht.“

In der Gemeindeverwaltung sollen sich Beschwerden wegen Dreck, Lärm und Diebstahl getürmt haben. Kein Bewohner wollte sich damals gegenüber der Volksstimme dazu äußern. Drei Jahre und mehr lebten Rumänen in dem Block. Im Sommer 2017 war die Hälfte quasi über Nacht verschwunden. In diesem Frühjahr folgte ein weiterer Schwung. Wann die letzte Familie den Ort im Jerichower Land verlassen hat, vermag Schröder nicht genau zu sagen. Was aus dem Block werden soll, wisse auch sie nicht. „Mittlerweile ist sogar von einem Antrag der Einheitsgemeinde Elbe-Parey auf Fördermittel für einen Abriss die Rede. Doch solange sie nicht der Eigentümer ist, läuft alles ins Leere.“

Wohin die Rumänen gezogen sind, darüber kann Landrat Burchhardt nur spekulieren. Die Wenigsten meldeten sich bei den Behörden ab. Der SPD-Mann vermutet den Großteil in Magdeburg-Neustadt. Rund um den Moritzplatz sorgen mehr als 700 Rumänen und Bulgaren seit längerer Zeit für Aufregung. Die Vorwürfe ähneln denen in Parey: Sperrmüll, nächtlicher Lärm, fehlender Wille zur Integration, Ausnutzung der Sozialkassen. Die Landeshauptstadt will das Problemviertel nicht aufgeben, setzt auf Kontrollen, Beiräte und Runde Tische. Wie viele der Menschen vorher in Parey lebten, sei auf die Schnelle nicht zu ermitteln, meint Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra auf Nachfrage der Volksstimme in Burg.

„Es ist schade, dass sie nach Magdeburg gezogen sind. Sie hätten etwas anderes verdient, als mit 18 Jahren zu heiraten und hinterm Herd zu stehen“, überspitzt Ingo Koch bewusst. Der Schulleiter, damals noch Vize, will differenzieren, vor allem einige Mädchen hätten durchaus Chancen auf ein Weiterkommen gehabt. „Viele Jungen, Sinti mehr als Roma, haben sich nichts sagen lassen, achten unsere Kultur und Werte nicht, wurden ausfallend, vor allem den Lehrerinnen gegenüber.“ Insgesamt 54 Zugezogene durchliefen die Sekundarschule in Parey. Ein Problem für die Bildungsstätte: „Fast alle Schüler haben ausgeliehene Bücher mitgenommen. Sie kriegen wir wohl nie wieder.“