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Pegelkontrolle Vandalismus am Fluss

Nico Wegner hat den Pegel der Elbe in Burg genau im Blick. Immer wieder sieht der Wasserbauer die Folgen der Zerstörungswut.

Von Marco Hertzfeld 19.06.2018, 09:44

Burg l Nico Wegner hat gute Augen und kann rechnen. Der 39-Jährige schaut über das Wasser auf die schwarzgelbe Messlatte in etwa 20 Metern Entfernung. Die Skala ist nicht ganz sauber und von der feuchten Umgebung leicht gezeichnet. Dennoch erfüllt sie ihren Zweck. Der Pegel Niegripp liegt an diesem Vormittag bei 2,28 Metern. In letzter Zeit ist selten Regen gefallen, von gefährlichem Niedrigwasser sind Elbe und Kanäle aber noch einiges entfernt. Der Mitarbeiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes startet seine wöchentliche Kontrollfahrt an der Schleuse Niegripp. Weitere acht Pegel-anlagen liegen vor ihm, bis nach Magdeburg hinein und weiter. Immer wieder muss er sich über Vandalismus ärgern.
In Niegripp hat noch alles seine Ordnung, keine Schmierereien, keine Glassplitter oder gar zerstörte Technik. "Das Jerichower Land ist immer friedlich", hatte Außenbezirksleiter Ulf Möbius der Volksstimme schon vorab mit Augenzwinkern angekündigt. Er sollte recht behalten. Dass die Schleuse von meterhohen Zäunen umgeben ist, hilft sicherlich auch. Pegellatte und die beiden digitalen Messpunkte scheinen sicher. Auch an Wegners zweitem Stopp des Tages, am Elbe-Pegel Schönebeck, ist alles heil. Der Wasserbauer braucht für die insgesamt 57 Kilometer bis zum letzten Pegelort im Schnitt sechs Stunden.
Wenn denn alles glatt läuft. Liegen zwischen Lattenpegel und Angabe des digitalen Gerätes mehr als drei Zentimeter, stellt Wegner nach. "Unser Auge hat Vorrang, die Elektronik kann auch einmal schief liegen und nicht ganz korrekte Daten melden, auch deshalb die Kontrollen. Alles soll stimmen, denn Schifffahrt und natürlich auch interessierte Bürger verlassen sich auf uns." Muss auf der Strecke von Nie-gripp bis Barby etwas repariert werden, dann greift der Magdeburger zum Werkzeug oder schickt Kollegen in die Spur. Sind Dinge mutwillig zerstört worden, kann schnell die Polizei im Spiel sein.
Ärger gibt es immer wieder in der Großstadt, insbesondere an der Strombrücke im Zentrum und in Buckau. "Das historische Pegelhaus im Herzen Magdeburgs ist mit großem Aufwand saniert worden. Immer wieder toben sich dort einige wenige Leute aus, beschmutzen Wände und zerschlagen unsere Anzeigetafel", schimpft Möbius. Die Tür aufzubrechen, sei erst recht ohne Sinn und Verstand. "Dort ist nichts drin, mit dem der normale Bürger etwas anfangen kann." Was der Vandalismus den Bundesbetrieb allein in diesem Abschnitt kostet, lasse sich auf die Schnelle nicht genau beziffern. "Unerheblich ist es nicht."
In Tschechien hat es ein wenig geregnet, das hilft der Elbe. Wobei Möbius die Schifffahrt momentan eh nicht in Gefahr sieht. Die flach gehenden Güterschiffe und Schubverbände mit Containern könnten noch bis zu zirka 70 Zentimetern am Pegel Magdeburg-Strombrücke fahren, die Ausflugsschiffe der Weißen Flotte sowieso. "Die Pegelstände entsprechen ja nicht der tatsächlichen Fahrrinnentiefe. Am Pegel Strombrücke müssen zum Beispiel 60 Zentimeter zum Wasserstand dazu addiert werden, da sich der Pegel-Nullpunkt nicht auf der Sohle des Flusses befindet." Bei einem Pegelstand von einem Meter stehe der Schifffahrt also noch eine Fahrrinnentiefe von 1,60 Metern zur Verfügung.
"Frachter mit großen Abladetiefen von 2,50 bis 2,80 Metern nutzen bei Niedrigwasser die Kanäle. Seit der Fertigstellung der Magdeburger Niedrigwasserschleuse im Jahre 2013 können alle großen Motorgüterschiffe unabhängig vom Wasserstand der Elbe vollschiffig vom Magdeburger Hafen über den Mittellandkanal in Richtung Hamburg oder Rotterdam fahren."
Am 11. Juni sind die bislang tiefsten Werte für dieses Jahr gemessen worden. An der Magdeburger Strombrücke zeigte der Pegel noch 79 Zentimeter an, der in Niegripp 2,24 Meter. "Bei Unterschreitung von 2,10 Metern wird es hier für die Schifffahrt allmählich schwierig." Der mit 1,79 Metern historisch tiefste Wert für den Niegripper Elbe-Pegel ist am 14. August 2015 registriert worden. Möbius erinnert sich noch gut an das extreme Niedrigwasser. Viele Augen sind immer auf die Magdeburger Strombrücke gerichtet. Am 22. Juli 1934 lag der Pegel bei gerade einmal 48 Zentimetern. Der mittlere Wasserstand beträgt 1,89 Meter. Und das höchste Hochwasser am 9. Juni 2013 lag bei 7,47 Metern.
"Es kommen also auch immer wieder bessere Zeiten für unsere Schifffahrt und das ist wichtig. Wir brauchen die Elbe." Gerade Schiffe mit sperrigen und schweren Brücken- oder Anlagenteilen, die nicht durch die Brücken der Kanäle passen, seien auf den Fluss angewiesen. Viele Stahl- und Maschinenbaubetriebe in Sachsen oder Sachsen-Anhalt könnten ohne den Elbstrom keine massigen und übergroßen Maschinenteile, die für Übersee bestimmt sind, produzieren, da sie nicht zu den Seehäfen transportiert werden könnten.
Möbius macht eine weitere Rechnung auf: "Ein Schiff auf der Elbe braucht für die Strecke von Magdeburg nach Hamburg zirka 13 Stunden, auf dem Kanal sind es zwei Tage." Zudem seien auf natürlichen Wasserstraßen wie der Elbe keine Abgaben fällig. "Das ist seit dem Wiener Kongress 1815 so und sollte auch so bleiben."