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Rechtsextremismus Rechte Gewalt bleibt ein Problem

Die Mobile Beratung hilft Betroffenen in Burg. 2016 gab es sogar 40 Übergriffe in Burg und in der Region.

Von Nicole Grandt 28.02.2020, 05:00

Burg l Um dem Phänomen rechter Gewalt auf den Grund zu gehen, traf sich die Volksstimme mit dem Kleinteam der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt in deren Anlaufstelle in Magdeburg. Die Beraterinnen baten allerdings darum, nicht namentlich genannt zu werden, da sie aufgrund der Brisanz ihrer Tätigkeit nicht in den Fokus von potenziellen Tätern geraten wollen. „Wenn man Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt solidarisch und parteilich unterstützt, gerät man zwangsläufig ins Visier organisierter Rechter", erklärt eine Beraterin.

Dass politisch rechts motivierte Angriffe ein Problem sind, das in Sachsen-Anhalt zahlreich vertreten ist, zeigt die Statistik, die die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt vorlegt. Im Jahr 2018 gab es 154 Angriffe mit 290 betroffenen Personen, 2017 waren es 198 Fälle und 2016 sogar 290.

Auch im Jerchiower Land gab es rechte Gewalt. 2018 wurden sechs Fälle dokumentiert, 2017 waren es neun und 2016 sogar 40. Für 2019 liegen die aktuellen Zahlen noch nicht vor. Diese würden erst Anfang April veröffentlicht. Am häufigsten sind Personen betroffen, bei denen die Täter ein rassistisches Motiv hatten. Allerdings geraten auch Menschen, die eine andere politische Gesinnung haben, ins Visier der Täter. Auch Personen, die beispielsweise homo- oder transsexuell sind, haben unter den Angriffen zu leiden.

„Das Besondere an rechter Gewalt ist, dass sich Täter und Opfer oft nicht kennen. Personen werden aufgrund von äußerlichen oder zugeschriebenen Merkmalen wie beispielsweise Hautfarbe, Religion, politischer Gesinnung stellvertretend für eine abgewertete Gruppe angegriffen. Deshalb gibt es neben den körperlichen Folgen immer auch die Signalwirkung: Ihr seid hier nicht willkommen", erklärt eine Beraterin. Dies seien auch Folgen nach Attentaten wie in Hanau oder Halle gewesen. „Ich hatte danach zum Beispiel eine Beratung, die maßgeblich von den Nachrichten zum Anschlag in Hanau geprägt war", erinnert sich ein Team-Mitglied. „Diese hatten so eine starke Auswirkung auf die Familie." Die Familie sei völlig aufgelöst und verängstigt gewesen, hätte sich in ihrem bisher angenehmen Umfeld nicht mehr sicher gefühlt. In vielen Fällen berät das Team nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Familien, besonders, wenn Kinder Opfer von rechter Gewalt geworden sind. Diese trauen sich dann nicht mehr in die  Schule oder an die Orte wie Spielplätze oder Freibäder, wo der Angriff passiert ist. „Wir versuchen dann mit der Familie eine Strategie zu entwickeln, wie die Kinder ihr Sicherheitsgefühl wiedererlangen und das Geschehene verarbeiten können", erklärt eine der Beraterinnen.

Wie die Zahlen aus dem Jerchiower Land und ganz Sachsen-Anhalt zeigten, war 2016 eine regelrechte Spitze bei den Zahlen der Angriffe zu verzeichnen. In dieser Zeit sei nicht zuletzt die Darstellungen von „geflüchteten als "Krise" als Legitimation für ein gewaltvolles Vorgehen gegen Menschen mit vermeintlicher Migrationsgeschichte gesehen worden. „2015 waren die Zahlen schon angestiegen, aber im Vergleich zu 2014 hatten sich die Angriffe schon mehr als verdoppelt, das war kaum noch zu schaffen, ausreichende Beratungen anzubieten", erinnert sich eine der Beraterinnen. Insgesamt zwei Personen bilden das Team des Magdeburger Büros, zusätzlich gibt es Anlaufstellen in Salzwedel und Halle. Um beispielsweise auch im Jerchiower Land Hilfe anbieten zu können, arbeiten die Beraterinnen des vom Verein Miteinander getragenen Beratungsprojekts aufsuchend und fahren vor Ort.

Bei dem professionellen Angebot handelt es sich vor allem um eine freiwillige, vertrauliche und parteiliche Unterstützung: „Die Betroffenen entscheiden selbst, welche unserer Angebote sie annehmen wollen. Unsere Unterstützung ist auch unabhängig davon, ob Betroffene die Täter anzeigen wollen. Wir zeigen uns auf jeden Fall solidarisch mit Betroffenen, das heißt wir unterstützen ihre Wünsche und Forderungen", heißt es von den Beraterinnen. Sie sehen es kritisch, dass in vielen Fällen der Täter im Vordergrund steht und dabei vergessen wird, was Betroffene brauchen. Neben der Behandlung von körperlichen Verletzungen gehe es auch oft um psychosoziale Beratung. „Viele Betroffenen sind traumatisiert, haben Schlafstörungen oder leiden unter Vertrauensverlust. Die Folgen können ganz unterschiedlich sein. Dann schauen wir, was helfen könnte. Manche wollen über ihre Ängste reden, anderen hilft ein Selbstverteidigungskurs und bei anderen vermitteln wir an therapeutische Stellen", erklären die Beraterinnen das Vorgehen. Es gehe ihnen darum, dass Betroffene einen Weg zurück in einen strukturierten Alltag finden oder sich während eines laufenden Strafverfahrens gut beraten und unterstützt fühlen. Dabei haben sie festgestellt, dass es Betroffenen nicht vorrangig darum geht, dass die Täter bestraft werden. „Vielen Betroffenen rechter Gewalt ist wichtig, dass das Motiv für die Tat deutlich benannt wird. Und damit klarzustellen, dass es nicht um sie als Person ging, sondern die Einstellung des Täters das Problem ist", so die Berater.

Weitere Informationen gibt es online unter

https://www.mobile-opferberatung.de/.