Unterricht Schüler wollen länger schlafen
Laut einer Umfrage des Kinderkanals würden viele Schüler gerne später in den Schultag starten. Im Jerichower Land ist die Resonanz geteilt.
Burg/Genthin l Jüngst brachte eine Schülerin eine Petition ins britische Parlament ein, die Schule möge erst um 10 Uhr beginnen. Eine Entscheidung steht noch aus, die Briten haben derzeit anderes zu tun. Auf der Insel beginnt die Schule allerdings bereits jetzt um 9 Uhr, genauso wie beispielsweise in Frankreich, Italien und Spanien. In Deutschland wird am Schulbeginn um 8 Uhr festgehalten und genauso flammt immer wieder die Diskussion auf, ihn doch eine Stunde nach hinten zu legen.
Eine bessere Leistungsfähigkeit wird dafür ins Feld geführt. Wissenschaftliche Studien würden belegen, wie wichtig ausreichend Schlaf sei. Besonders hart treffe es Jugendliche in der Pubertät. Da sich ihr Schlafrhythmus durch die Umstellung des Körpers verschiebe, würden sie extrem unter dem frühen Aufstehen leiden. Eine repräsentative Umfrage des Kinderkanals hat nun ergeben, dass sich Schüler einen Unterrichtsbeginn um 8.40 Uhr wünschen.
Prof. Ilona Weißenfels von der Hochschule Magdeburg-Stendal meint, dass die Diskussion auch damit zusammenhänge, dass die Erziehung nicht mehr so streng wie früher sei, Kinder oft später ins Bett gingen. „Morgens sind sie dann natürlich müde“, schlussfolgerte sie. Sie ist vom Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften aus Stendal, war zuvor lange in der Grundschullehrerausbildung tätig an der Uni Rostock.
Grundsätzlich könne man aber auch nicht sagen, dass Kinder grundsätzlich gerne länger schlafen würden. „Wie bei den Erwachsenen auch gibt es bei Kindern Lerchen und Eulen“, erklärte sie. Die Lerchen sind die Frühaufsteher, die schon am Morgen fröhlich und zu Höchstleistungen bereit sind, dafür aber auch früh am Abend ins Bett gehen. Die Eulen sind das ziemliche Gegenteil, die sind am Morgen noch nicht ansprechbar, machen dafür aber die Nacht zum Tage. Bestimmt wird das durch die innere Uhr, die genetisch festgelegt ist.
Aus ihrer eigenen Schulzeit kann Weißenfels nicht mehr genau sagen, zu welcher Sorte sie gehört hat, „aber damals war klar, dass man frühauf stehen musste, da gab es gar keine Frage“. Von ihren Enkelkindern allerdings kennt sie die unterschiedlichen Arten einen Tag anzugehen. „Die Große ist ein richtiger Langschläfer und die beiden Kleinen sind schon am frühen Morgen wie auf Knopfdruck fit“, erzählte sie.
Allerdings hält sie einen späteren Schulbeginn für wenig praktikabel, vor allem für die Kinder, die im Hort betreut werden. „Die Arbeit der Eltern beginnt ja deshalb nicht später, also gibt es einen längeren Leerlauf“, sagte sie. Auch die Schülerbeförderung könnte dadurch in Schwierigkeiten geraten. Allerdings will sie die Initiative auch nicht von vornherein ablehnen. „Man sollte vielleicht den Schulen eine größere Freiheit geben, wann sie mit dem Unterricht beginnen, um es auszuprobieren“, schlug sie vor. Sollte der Probelauf ergeben, dass die Schüler bessere Leistungen bringen, könnte man sich für den späteren Beginn entscheiden.
Bei den Lehrern stößt die Idee auf ein geteiltes Echo. An der Sekundarschule „Am Baumschulenweg“ in Genthin würden sich die Lehrer über einen späteren Beginn freuen – dort startet der Unterricht bereits um 7.10 Uhr. Etwas daran zu ändern sei schwierig und derzeit nicht möglich, wie Schulleiterin Monika Reinhold erzählt. „Etwa 80 Kinder kommen jeden Montag mit dem Bus, daher müssen wir uns an diese Fahrzeiten anpassen. Wir können uns keinen extra Schulbus leisten.“ Wenn der Unterricht später beginnen würde, müssten die Schüler, die aufgrund des Busses dennoch früher erscheinen, beaufsichtigt werden. „Doch dazu fehlt uns schlicht das Personal“, sagt Reinhold. Dennoch funktioniere der Schulablauf, die Kinder und Lehrer seien einfach an die frühe Zeit gewöhnt. Immerhin passen die Rückfahrzeiten zum Unterrichtsschluss.
Das gleiche Bus-Problem herrscht auch an der Grundschule Stadtmitte in Genthin. Dort beginnt der Unterricht um 7.25 Uhr. Doch Schulleiter Ingo Doßmann befürwortet den frühen Beginn. Neben der Frage der Eltern, wohin mit dem kleinen Nachwuchs, würde auch das Nachmittagsangebot der Schule darunter leiden, wenn der Unterricht nicht mehr um 12.20 Uhr oder 13.05 Uhr enden würde. „Wenn die Kinder später anfangen, wie sieht ihre Konzentration dann ab Mittag aus?“, hinterfragt Doßmann. „Besonders Gymnasialschüler haben jetzt schon lange Unterricht. Wenn der Schultag noch später enden würde, welche Folgen hat das für ihre Freizeitkultur?“
Ob Kinder morgens müde oder munter zur Schule kommen, hänge laut Doßmann mit ihrem Tagesablauf zusammen. Und auf den wiederum haben die Eltern Einfluss. „Wenn ein Kind früh genug ins Bett geht und ausreichend geschlafen hat, ist es durchaus in der Lage morgens konzentriert zu arbeiten“, sagt der Schulleiter. Zeit an der frischen Luft, Bewegung - das sei wichtig. „Sehe ich Montagmorgen, dass die Kinder hibbelig sind, frage ich mich, was sie am Wochenende gemacht haben“, sagt Doßmann. Bei regnerischen Tagen könne er es verstehen. „Doch ansonsten haben die Kinder die Sonne wohl nur durch die Fensterscheibe gesehen.“ Nur, weil die Schule später beginnen würde, würde sich an solchen grundsätzlichen Abläufen nichts ändern, meint er.