Zu den ersten Arbeiten auf dem Feld gehört das Absammeln von Steinen, Steinen und Steinen Steinreich, aber krummer Buckel: An der ersten Ernte im Jahr ist schwer zu knabbern
Ein Feld zwischen Tryppehna und Möckern. Der Winterweizen lugt schon gut zehn Zentimeter hoch aus der Erde. Doch bevor hier irgendetwas geerntet werden kann, muss erst einmal kräftig abgesammelt werden: und zwar jede Menge Steine.
Möckern/Tryppehna l Der Traktor und die drei Männer auf dem weiten Feld wirken auf die Distanz verloren, und ihre Aufgabe scheint kaum zu schaffen zu sein. Es gilt, etliche Steine aufzusammeln, die der Frost des vergangenen Winters durch das Erdreich nach oben gedrückt hat. Feldsteine heißen die Brocken, aus denen in der Region so ziemlich jede romanische Dorfkirche errichtet worden ist. Heutzutage können die Brocken am modernen landwirtschaftlichen Gerät aber großen Schaden anrichten, weiß Timo Keunecke. Die Schneidewerkzeuge können verbiegen oder brechen. Und später, beim Einholen der Ernte kann ein hervorstehender Stein durchaus einen Funken entstehen lassen, wenn ein Metallteil des Mähdreschers ihn ungünstig anschrammt. Ein Flächenbrand kann die Folge sein.
"Als ob die Steine jedes Jahr Junge bekommen"
Keunecke lässt den Traktor der Betriebsgemeinschaft Reimann GbR mit Sitz in Möckern-Lühe im Schneckentempo über das etwa 75 Hektar große Feld rollen. Alle 24 Meter wendet der rote Traktor und folgt einer deutlich sichtbaren Spur.
Dahinter sammeln seine Kollegen Guido Neumann und Karl Brennenstuhl alle Steine auf, die dem Ernteerfolg in irgendeiner Form gefährlich werden könnten.
"Als ob die Steine jedes Jahr Junge bekommen", grummelt Guido Neumann. Immer wieder finden sich neue Steine, Zeitzeugen der Vorzeit, in der die Gletscher Geröll vor sich her trieben, Brocken die heute in der Jetztzeit den Menschen wieder zum Sammler mit krummem Buckel werden lassen. Dass die Steine scheinbar immer zahlreicher werden, obwohl man doch ständig sammelt, hat zwei Gründe: Zum einen bringt der Bauer selbst durch das Pflügen Steine aus den Oberflächenschichten des Ackers ans Tageslicht. Zum anderen spielt die "Pedoturbation" beim Frost eine Rolle. "Steine leiten die Temperatur viel besser als lockeres Erdreich", erklärte Christoph Drösser bereits vor einigen Jahren in der Wochenzeitung "Die Zeit": "Wenn die Kälte in den Boden kriecht, dann leiten Steine sie schnell nach unten. Unter einem Stein bildet sich so eine gefrorene Schicht, und da sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt, wirkt ein Druck auf den Stein - das direkt darüberliegende, noch nicht gefrorene Erdreich gibt nach, der Stein rückt nach oben. Beim Auftauen sackt er nicht wieder zurück, weil sich eventuelle Hohlräume schnell mit Erde füllen. Der Pflug befördert ihn dann endgültig ans Licht."
Jeden Tag fünf Tonnen Steine auf dem Anhänger
Etwa fünf Tonnen kommen pro Tag beim Sammeln zusammen, wissen Guido Neumann und Karl Brennenstuhl aus Erfahrung. Für den Schlag, auf dem sie derzeit zugange sind, werden erwartungsgemäß drei Tage draufgehen.
Die steinerne "Ernte" wird an einem zentralen Punkt abgeladen. Dort bleibt sie auch weiterhin Eigentum des Landwirtschaftsunternehmen. "Es geht nicht, dass sich da die Leute einfach etwas wegholen, um ihren Garten hübsch zu dekorieren", mahnen die Steinesammler. Wer Interesse hat, sollte sich einfach beim Landwirt melden.
Außergewöhnliche Funde können die drei übrigens nicht vermelden. Ausnahmen bilden ab und zu von Kindern in die Luft gelassene Luftballons mit einer Postkarte. Und auch wenn man im Einzugsgebiet des siegreichen Gefechtes von 1813 liegt - keine Kanonenkugeln, keine Uniformknöpfe, keine Bajonette: Auf dem Anhänger landen immer wieder nur Steine, Steine und noch mal Steine. Zugegeben, manche sehen besonders schön aus, schmunzelt Timo Keunecke und hält einen Stein hoch. Er hat eine perfekte Herzform.
Das Steinesammeln hat speziell in Möckern übrigens für eine ganz andere Erscheinung gesorgt: Die "Möckeraner Himmelfahrtsgesellschaft" soll vor über 30 Jahren aus einem Arbeitseinsatz zum Steinesammeln hervorgegangen sein.