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Stollen Eine mächtige Verführung

Die Adventszeit wäre nur halb so schön ohne Leckereien. Was einen guten Stollen ausmacht, erklärt Stollenprüfer Michael Isensee.

Von Bettina Schütze 25.12.2018, 07:00

Burg/Genthin l Zweimal „sehr gut“ für das zuckrig funkelnde Gebäck – Bäckermeister Thomas Osterburg aus Tucheim hat mit seinem Cranberrystollen und einer traditionellen Butter-Variante bei der diesjährigen Stollenprüfung vom Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks abgesahnt. „Vom Grundprinzip sind beide Stollen aber gleich gebacken“, erzählt der Tucheimer.

Das bedeutet vor allem eins: Ganz viel Butter. Die sorgt dafür, dass das Gebäck schön saftig bleibt. Worauf es sonst noch beim richtig traditionellen Stollen ankommt? Das weiß Bäckermeister und Stollenprüfer Michael Isensee. Er selbst nimmt seit über zwei Jahrzehnten Stollen- und Brotprüfungen ab. Dieses Jahr war er in Magdeburg – und hat auch den Cranberry-Stollen von Bäckermeister Thomas Osterburg und Stollen der Bäckerei Delorme aus Burg probiert.

Michaela Delorme hatte drei Stollen ins kulinarische Back-Rennen geschickt. „Wir haben für unseren Pflaumenstollen die Note Sehr gut und für den Butter- und Cranberrystollen jeweils ein gut erhalten“, erzählt die Burgerin. Bei diesen beiden Rezepten heißt es: Nachsitzen für die Bestnote im kommenden Jahr.

Prüfer Michael Isensee weiß genau, was den perfekten Weihnachtsstollen ausmacht: „Eine helle Bräunung, eine dünne Kruste, von innen eine saftige Krume, ein fruchtiges Aroma, nicht zu würzig.“

Die Prüfung solle den Bäckern helfen, ihre Rezeptur noch weiter zu verfeinern, so Isensee. Ein leckerer und ernster Job, wie Isensee erklärt: „Die Stollenprüfung ist eine sensorische Prüfung, bei der wir sechs Kriterien im Blick haben.“ Dazu gehören Oberflächen- und Krusteneigenschaften, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizität, sowie Geruch und Aroma. Am Ende bekommt jeder Bäcker ein Gutachten.

Wer mit seinem Stollen ein „sehr gut“ erhalten möchte, darf keine Punktabzüge erhalten. Jeder Stollen startet mit 100 Punkten in die Prüfung. Bei Fehlern im Produktionsprozess werden Punkte abgezogen. Hauptaugenmerk liegt zwar auf dem Aroma, aber dennoch müsse das Gesamtkonzept stimmig sein.

Ein einziger Backfehler bedeutet unter Umständen Abzüge in mehreren Kategorien. „Ist ein Stollen zum Beispiel zu heiß gebacken worden und liegt einige Zeit, ziehen die Röstaromen von der Kruste in die Krume. Dann ist der Stollen nicht nur zu dunkel, sondern auch das Aroma verfälscht. Denn Röstaromen möchte man zwar bei Brot, aber im Stollen soll es fruchtig sein“, erklärt Prüfer Michael Isensee.

Was genau in den Stollenteig darf, erklären die „Leitsätze für Feine Backwaren“ im Deutschen Lebensmittelbuch. Auf 100 Teile Weizenmehl/Stärke kommen mindestens 40 Teile Butter, Butterreinfett und/oder Butterfett – Margarine ist verboten.

Diese ist wiederum beim Rosinenstollen erlaubt, einer der häufigsten Stollensorten, die Michael Isensee prüft. „Auch weil die Rohstoffpreise so gestiegen sind“, erzählt Michael Isensee. Allein die Butter habe dieses Jahr Preissprünge auf bis zu 1,95 Euro pro 250 Gramm gemacht.

Manche Bäcker probieren auch mal ganz andere Stollenvarianten aus. „Ich hatte auch mal einen ‚Spanischen Stollen‘, in dem Oliven statt Früchte drin waren“, erzählt der Bäckermeister. Seinen Geschmack traf das mediterran angehauchte Gebäck jedoch nicht. „Ein Stollen, den die Welt nicht braucht.“