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Ärger Verloren im Behördendickicht

Horst Göring aus Köckte versteht die Welt nicht mehr. Der Altmarkkreis verbot ihm, die Hecken auf seinem Flurstück anzutasten.

Von Petra Hartmann 29.01.2019, 00:01

Köckte l Die Hecken wegreißen oder sie um Himmelswillen nicht berühren? Waldbesitzer Horst Göring aus Köckte steht vor einem Dilemma. Und egal, für welche von beiden Möglichkeiten er sich entscheidet, eine Strafe hat ihm der Landkreis für beides angedroht.

Es geht um einen Zaun, den der Köckter vor Jahren um eine Waldfläche gezogen hat. Und um Hecken, die inzwischen unter Naturschutz stehen und eigentlich nicht angetastet werden dürfen. Erworben hatte der ehemalige Schmied das 3,4 Hektar große Gelände kurz nach der Wende, da sein Schützenverein dort einen Schießstand bauen wollte und für den Bau Ausgleichspflanzungen vorgeschrieben waren. Es bestand vor allem aus Gräben, ein paar Pappeln und einem kleinen Stück Acker, erzählt der 72-Jährige. Eine Auflage sei gewesen, das als wertloses „Unland“ eingestufte Flurstück im Kiebitzsohl aufzuforsten. Dazu gehörte auch die Verpflichtung, Hecken zu pflanzen.

Im Jahr 2001 pflanzte Göring also seine Bäume – eine amtliche Zählung ergab allein rund 23.000 Eichen – und Hecken, vor allem Schlehen, Brombeeren und Rosen, er legte einen Teich an und umgab das Gelände mit einem Streckmetallzaun. „Wenn ich da Bäume pflanze, fressen die Rehe ja sonst alles ab.“ So weit, so gut. Am 29. September 2005 erhielt der Köckter einen Brief vom Altmarkkreis, in dem er darauf hingewiesen wird, dass nach dem Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, zuletzt geändert am 14. Januar 2005, Paragraph 37 (1) Nummer 7 Hecken und Feldgehölze unter besonderem Schutz stehen.

Der Kreis machte ihn in diesem Schreiben darauf aufmerksam, dass sich auf seinem Flurstück solche Hecken und Feldgehölze befinden. Ausdrücklich untersagt, so belehrte ihn das Amt, seien demzufolge „Handlungen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung“ dieser Gehölze „führen können“.

Damit konnte Göring bislang leben. Doch nun erhielt er von demselben Landkreis ein weiteres Schreiben: Mit Datum vom 25. Mai 2018 wird ihm mitgeteilt, dass eine Mitarbeiterin der unteren Forstbehörde sein Flurstück „in Augenschein genommen“ habe: „Hierbei war festzustellen, dass die ehemalige Kulturfläche noch immer eingefriedet ist.“ Zäune seien jedoch nur erlaubt, so lange gepflanzte Bäume noch jung sind, ein Zaun müsse nach „mindestens fünf Standjahren und einer Mittelhöhe (der Bäume) von 1,5 Metern“ abgebaut werden. Angeordnet wird deshalb: „Der Zaun ist zu beseitigen und (...) weiter zu verwerten oder ordnungsgemäß zu entsorgen.“ Grundlage sei hier das Gesetz zur Erhaltung und Bewirtschaftung des Waldes, zur Förderung der Forstwirtschaft sowie zum Betreten und Nutzen der freien Landschaft im Land Sachsen-Anhalt.

Aber wie soll er nun seinen Zaun wegreißen? Im vorderen Bereich ist die Absperrung ja noch frei zugänglich, aber im hinteren Bereich, wo die Hecken und das Metallgitter untrennbar miteinander verwachsen sind, sieht es anders aus. Allein schon, um mit Maschinen an den Zaun heranzukommen, müssten Bäume fallen, beim Herausreißen der Poller und Drähte würden die Hecken, die ja unter besonderen Schutz gestellt wurden, mit zerstört.

Inzwischen hat Göring sich nochmal an den Kreis gewandt. Daraufhin gab es eine neue Begehung mit einer Mitarbeiterin. „Sie hat sich das alles angeschaut und wieder gesagt: Der Zaun muss weg. Und als ich sie gefragt habe, was ich tun soll, damit keiner in den Teich fällt und absäuft, hieß es: Dann müssen Sie einen Zaun ziehen“, erzählt der Köckter von dem Besuch.

Der Landkreis teilte ihm mit, weder der Schutz der Bäume noch die Sicherung des Teiches seien Grund genug, den Zaun um das Waldstück stehen zu lassen. Und die Behörde weist den Köckter im jüngsten Schreiben auch gleich darauf hin, dass sie, sollte er dies nicht tun, „die notwendig werdenden Maßnahmen auch anordnen und im Rahmen des Verwaltungszwanges auf Ihre Kosten umsetzen kann.“

Dann dürfe also die Verwaltung des Kreises die geschützten Hecken herausreißen?, fragt sich Göring. Immerhin gibt es jetzt eine neue Frist: Bis zum 31. Dezember 2019 hat er nun noch Zeit, die Umfriedung wieder abzubauen. Was passiert, wenn er dabei die Hecken beschädigt, wurde ihm allerdings nicht mitgeteilt.

Folgendes Interview führte die Voljksstimme mit der Pressestelle des Altmarkkreises zum vorliegenden Fall:

Aus Sicht des Umweltamtes handelt es sich nicht um sich widersprechende Handlungen. Das Verbot der dauerhaften Sperrung der freien Landschaft ist nach Landeswaldgesetz und nach Naturschutzgesetz verboten, somit der Zaunrückbau notwendig. Hecken sind nach Bundesnaturschutzgesetz und Gehölzschutzverordnung des Altmarkkreises geschützt. Um den Zaunrückbau umzusetzen, ist es jedoch nicht notwendig die Hecke zu entfernen, sondern lediglich zurück zu schneiden oder in Teilbereichen auf den Stock zu setzen, was aus naturschutzfachlicher Sicht durchaus erlaubt ist. (...) Die Hecke muss nicht in vollem Umfang entnommen werden. 

Muss Herr Göring eine Strafe zahlen, wenn er den Zaun wegreißt und dabei die Hecken beschädigt? 
Altmarkkreis:     Einzelne Beschädigungen des Waldrandes führen nicht zu seiner Zerstörung. Oft ist (...) auch der Rückschnitt oder „das auf den Stock setzen“ nötig. Eine Beseitigung des Zaunes wäre auch von der waldabgekehrten Seite möglich.  
  

Herrn Göring wurde eine Frist gesetzt, den Zaun zu beseitigen. Was passiert, wenn er das nicht tut?
Altmarkkreis:     Der Sachverhalt ist nach Abfallrecht, Forstrecht, Gefahrenabwehrrecht, Naturschutzrecht zu prüfen, in deren Folge eine Anhörung, Anordnung und erneute Terminsetzung erfolgt. Die Ersatzvornahme muss angedroht und angeordnet werden. Erst wenn der Bürger die erneute Terminsetzung ignoriert, erfolgt die behördliche Ersatzvornahme.

Die Kosten soll er übernehmen. Wie hoch wären diese?
Altmarkkreis     Aufgrund der Betonpfähle, Streckmetall und Stacheldraht gibt es keine Erkenntnisse, wie hoch der finanzielle Aufwand wäre. Der Abbau orientiert sich an marktüblichen Preisen, die in Ausschreibungen zu ermitteln wären. (...) Auch wären Einnahmen aus Recycling oder dem Wiederverkauf zu erwarten.

Gibt es nicht auch eine Art Bestandsschutz?
Altmarkkreis:     Der Bestandsschutz ergibt sich aus der Nutzungsart. Unter Inanspruchnahme von Fördermitteln entstand eine Waldfläche, die im Rahmen der Bewirtschaftung, seiner Bedeutung für Umwelt, Klima, Wasserhaushalt, Reinhaltung der Luft, Bodenfruchtbarkeit, Landschaftsbild, Agrar- und Infrastruktur und die Erholung der Bevölkerung zu erhalten ist. Die Bewirtschaftung hat nachhaltig im Rahmen ordnungsgemäßer Forstwirtschaft zu erfolgen. Rechte und Pflichten des Besitzers werden in der Waldgesetzgebung geregelt.