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Vorwürfe gegen Honorararzt der Gardeleger Neurochirurgie sorgen für Vertrauensverlust / Ärzte verwahren sich gegen "Kriminalisierung" Altmark-Klinikum: Gardeleger sind verunsichert

Von Gesine Biermann 09.11.2012, 02:15

Ein gekündigter Chefarzt erhebt schwere Vorwürfe gegen das Altmark-Klinikum (wir berichteten). Im Raum stehen Abrechnungsbetrug und angeblich unnötige Operationen. Die Nachrichten verunsichern offensichtlich auch die Gardeleger.

Gardelegen l Landrat Michael Ziche würde sich auch nach den jüngsten Negativschlagzeilen "jederzeit im Gardeleger Krankenhaus behandeln lassen", Bürgermeister Konrad Fuchs ebenfalls: "Immerhin haben mir die Ärzte hier bereits zweimal das Leben gerettet." Andreas Brendtner, niedergelassener Arzt in der Hansestadt, wird seine Patienten "weiterhin guten Gewissens" in das Altmark-Klinikum überweisen. Doch längst nicht alle Bürger teilen dieses Vertrauen, wie eine Umfrage der Volksstimme gestern ergab. "Ich bin absolut verunsichert", erklärte zum Beispiel Marion Vahldieck aus Jeseritz. Sie will künftig einen zweiten Mediziner zu Rate ziehen, ehe sie sich im Gardeleger Klinikum behandeln lässt. Ursula Barnieck aus Lüffingen hätte gar "Angst", sich in das Gardeleger Krankenhaus einliefern zu lassen.

Vorwürfe gegen Honorararzt sind schwerwiegend

Vier von sieben Befragten äußerten Bedenken. Sicher keine repräsentative Umfrage, dennoch zeigt sie deutlich, wie verunsichert die Bürger auf die jüngsten Nachrichten aus dem Altmark-Klinikum reagieren.

Die Vorwürfe, die der ehemalige Chefarzt der Chirurgischen Abteilung, Dr. Bernd Falkenberg, gegenüber dem Mediziner Michail T. vorbringt, sind schwer. Der Neurochirurg, der seit rund zwei Jahren mehrmals wöchentlich als Honorararzt im Neurologischen Zentrum in Gardelegen arbeitet, soll laut Aussagen von Falkenbergs Rechtsanwalt Uwe Bitter Patienten unter anderem wegen Bandscheibenvorfällen operiert haben, die ein Radiologe zuvor nicht bestätigen konnte.

"Die Entscheidung, ob eine Operation erfolgt", würde allerdings in "interdisziplinären Gesprächen diskutiert", versichert Dr. Michael Schoof, Ärztlicher Direktor im Gardeleger Krankenhaus. Befunde würden immer "im Dialog" erfolgen, sagt er: "Das ist für einen Laien oft nur schwer zu verstehen." Schoof, der sich während der Pressekonferenz am Mittwoch gemeinsam mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Ziche, Geschäftsführer Matthias Hahn und der für medizinisches Controlling zuständigen Oberärztin Erika Olbrich den Fragen der Journalisten zu den aktuellen Vorwürfen stellte, kann seinen Ärger nur schwer unterdrücken.

Medizinische Befunde erfolgen stets im Dialog

Als "unglaublich" bezeichnet Schoof am Mittwoch, "dass wir uns als Mediziner kriminalisieren lassen müssen". Er sei überzeugt, so Schoof, dass sich seine Kollegen an den Eid gebunden fühlen, "den wir geschworen haben".

Gegen die Vorwürfe verwahrt sich ebenfalls Erika Olbrich. "Alle Fälle wurden von uns korrekt abgerechnet", versichert die Oberärztin. Selbst der Medizinische Dienst der Krankenkassen - immerhin das Prüforgan der geldgebenden Krankenkassen -, der fast wöchentlich Akteneinsicht gehabt habe, habe in keinem Fall eine Fehlindikation festgestellt.

Rechtsanwalt Uwe Bitter hält indes an den Vorwürfen seines Mandanten fest. Seine Kanzlei versendet derzeit Anfragen an Patienten, die von Dr. T. operiert wurden. "Einige haben sich bereits gemeldet. Und auch Kollegen haben mich schon auf den Fall angesprochen", sagt Bitter gestern im Gespräch mit der Volksstimme.

Briefe erhalten ehemalige Patienten von beiden Seiten. Denn auch das Altmark-Klinikum hat kürzlich in rund 500 Schreiben, wie Aufsichtsratschef Michael Ziche beziffert, um eine Rückmeldung gebeten. "Sehr viele Anrufe von Patienten, die uns versichern, dass sie zu uns stehen", habe es gegeben, berichtet gestern Geschäftsführer Matthias Hahn. Das Klinikum hatte unmittelbar nach Kenntnis der Vorwürfe ein unabhängiges Wirtschaftsprüfungsbüro mit einer Sonderprüfung der Patientenakten beauftragt. Es hatte "keine Anhaltspunkte für Manipulationen oder Abrechnungsbetrug" festgestellt.

Gegen die Angst hilft nur lückenlose Aufklärung

Eine Überprüfung der Vorwürfe wird es zudem seitens der Krankenkassen geben, wie Volker Schmeichel, Sprecher des Landesverbandes der Ersatzkassen, der Volksstimme bestätigte. "Nur eine lückenlose Aufklärung kann dafür sorgen, den Menschen die Angst zu nehmen", betonte gestern auch Gardelegens Bürgermeister Konrad Fuchs, mit dem Umfrageergebnis der Volksstimme konfrontiert.

Ohne Angst sind indes offensichtlich die aktuellen Patienten des Neurochirurgen Dr. T. Nach Informationen der Volksstimme hatten am Mittwoch 30 Patienten im Gardeleger Altmark-Klinikum einen Termin in der örtlichen Sprechstunde des Berliner Facharztes. Keiner von ihnen hat seinen Termin abgesagt.