Für Deutschrock-Festival mit sieben Bands wird morgen die Letzlinger Poststraße gesperrt / Veranstalter rechnet mit nur 200 Besuchern Anwohnerin: "Ich habe Angst davor, dass die Scheiben springen"
Letzlingen (iwi) l Dieter Langfeld ist wenig optimistisch, er fürchtet betrunkene Konzertbesucher und Schlägereien: "Die Typen liegen in den Rabatten und pennen dann hier." Langfeld ist ein Anwohner der Letzlinger Poststraße, die morgen für ein Deutschrock-Festival gesperrt werden wird. Die letzte Sperrung der Straße erfolgte für das Weihnachtsfest - um Tannenbäume aufzustellen.
"Für mächtig Druck auf den Ohren sorgen"
Auch Anwohnerin Giesela Volkmer ist entsetzt darüber, dass das Konzert mit sieben Bands im Kulturhaus überhaupt stattfindet: "Wir sind nicht damit einverstanden, dass so etwas im Ortskern genehmigt wird." Der Veranstalter, der Frei.Wild-Supporters-Club, der in Letzlingen sein zweites Regionstreffen veranstaltet, kündigt an: "Für mächtig Druck auf den Ohren werden insgesamt sieben Live-Bands wie zum Beispiel Zorn Winkler, Loz Tinitoz, NorFolk, Substanz P, Gotische Front, Sündflut und Rakar (Gardelegen) sorgen."
Am vergangenen Wochenende hatten die Anwohner der Poststraße Faltblätter zur Veranstaltung in ihren Briefkästen, "ansonsten wusste niemand davon etwas", ist Volkmer verärgert. Darin wird den Anwohnern mitgeteilt: "Zur Sicherheit unserer Gäste werden wir offiziell die Straße für den Zeitraum von 14 bis 3 Uhr komplett sperren lassen." Volkmer ärgert sich besonders über die letzte Zeile: "Vielen Dank für ihr Verständnis. Die Veranstalter" Keine Telefonnummer, kein Name, einfach gar nichts sei angegeben worden, wohin man sich wenden könnte, sagt die Letzlingerin kopfschüttelnd.
Entsetzt sei sie auch über die Bandnamen und dann sei da noch dieser Schriftzug "Leckt uns am Arsch" auf dem Faltblatt. Diese Formulierung werden die Anwohner den ganzen Tag ertragen müssen, denn er ziert die Rückseite des Frei.Wild-Trucks, "ein fahrendes Museum von Band und Club", so die Veranstalter. Der Truck wird auf der Poststraße stehen, erklärte Mitorganisator Steffen Haselau auf Anfrage.
"Wir distanzieren uns von braunem Müll"
Beginn wird am morgigen Nachmittag um 15.30 Uhr sein, wenn das AGF-Radio, ein Deutsch-Rock-Internetradio, im Kulturhaus für Musik sorgt. Die erste Band wird Rakar aus Gardelegen sein, die ab 17 Uhr spielt. Bis drei Uhr nachts soll dann ordentlich gerockt werden. Während die Anwohner womöglich tausende Besucher fürchten, sagt Haselau: "Es werden um die 200 sein, alles andere ist Quatsch." Auch dass im Internet kursiert, dass beim ersten Regionstreffen in Halle weit mehr als 1000 Gäste kamen, "ist absoluter Humbug", so Haselau. Das Problem sei, dass Deutschrock-Konzerte häufig ganz schnell als Faschokonzerte gesehen werden. "Wir distanzieren uns aber von diesem braunen Müll", stellt Haselau klar.
Auch in ihrer Pressemitteilung betonen die Veranstalter: "Der FWSC weist noch einmal daraufhin, dass er sich von jeglichem Extremismus distanziert und somit auf eine friedliche und entspannte Veranstaltung in Letzlingen hofft." Dass genau dies nicht eintritt, fürchten die Anwohner und auch Gisela Baldauf von der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt.
"Sollen ihren Müll mitnehmen"
Vor allem weil die Konzertbesucher in der Nähe des Jagdschlosses campieren können, in Zelten auf der Festwiese: "Mir geht es darum, dass sich die Konzertbesucher nicht ausbreiten und das Schlossparkareal in Mitleidenschaft gezogen wird." Baldauf: "Die können hier gerne spazieren gehen, aber sie sollen ihren Müll mitnehmen." Denn am Nachmittag findet im Schloss auch noch eine Hochzeit statt. Die Festwiese ist bereits gemäht, Toiletten sollen heute aufgestellt werden, sagte Haselau. Andreas Kriebel vom Landesforstbetrieb in Mahlpfuhl bestätigte gestern auf Anfrage, dass die Wiese gegen ein Entgelt vermietet worden sei: "Das ist nur die Eigentümerzustimmung und ersetzt nicht die behördlichen Genehmigungen."
Bei der Stadtverwaltung in Gardelegen wurde das Festival beantragt und genehmigt, bestätigte Ordnungsamtsmitarbeiterin Birgit Matthies auf Anfrage. "Das wurde ordentlich angemeldet und in enger Zusammenarbeit mit Polizei und zuständigen Behörden alles geprüft", so Matthies. Es handele sich um eine ganz normale Veranstaltung und der Veranstalter sei auch gehalten, die Türen des Kulturhauses geschlossen zu halten, damit auf der Poststraße nicht über Gebühr Lärm zu hören sei. Weil die Poststraße gesperrt sei, "ist zumindest nicht damit zu rechnen, dass die Besucher bei An- und Abfahrt hupen", so Matthies.
Doch der Lärm ist das Geringste, was die Anwohner fürchten: "Ich habe wirklich Angst davor, dass die Scheiben springen", sagt Giesela Volkmer. Und Dieter Langfeld ergänzt, "dass es Mord und Totschlag gibt", wenn Gäste des Festivals und der Disko an der Rennstrecke (siehe Infokasten oben) zusammentreffen.
"Wir gehen nicht von Störungen aus", sagte Polizeisprecher Frank Semisch dazu auf Anfrage. Derzeit lägen der Polizei keine Erkenntnisse vor, dass es sich um einen rechtsradikalen Hintergrund handeln würde. Es handele sich um ein ganz normales Konzert, das wie andere Veranstaltungen auch in der Dienstplanung berücksichtigt werde, so Semisch.
Mitorganisator Haselau, der einige Jahre in Letzlingen wohnte, erklärte, dass man für die Veranstaltung eigenes Sicherheitspersonal mitbringe, "zwischen vier und acht Personen". Volkmer, Langfeld und Baldauf fürchten allerdings auch eine Menge Müll, denn weil es sich um eine Single-Realease-Party von Frei.Wild - die Band wird allerdings nicht vor Ort sein - handelt, gibt es ein besonderes Angebot für Besucher: "Damit jeder auf seine Kosten kommt, haben wir zusammen ein Rundumsorglospaket geschnürt und vereinen in fast schon symbolischen 25 Euro sieben Frei.Bierdosen, ne Bratwurst und die aktuelle Single", schreiben die Veranstalter im Internet. Das sei so korrekt, bestätigte Steffen Haselau, allerdings handele es sich um pfandpflichtige Dosen: "So viel Müll sollte also nicht zustande kommen."
Morgen wird sich zeigen, ob bei den Auftritten von sieben Bands aus ganz Deutschland die geschätzte Besucherzahl von etwa 200 Personen realistisch ist. Die 14 Anwohner der Poststraße dürfen übrigens kostenfrei zum Festival - wenn sie ihr Faltblatt aus dem Briefkasten an der Kasse vorlegen.