Volksstimme-Serie "Urlaub vor der Haustür" / Wunderschöne Radwege - unter anderem die Milde-Biese-Tour - verlaufen rund um Kalbe Auf dem Rad unterwegs: An der Milde entlang
Urlaub auf dem Fahrrad - die Altmark ist dafür wie geschaffen. Gut ausgebaute Radwege führen durch die Region, zum Beispiel auch rund um Kalbe. Wer hier mit Muße Urlaub macht, kommt zwischen Vogelschutzgebiet und Feldsteinkirchen garantiert auf seine Kosten.
Kalbe l Nein, es geht nicht darum, irgendwo schnell anzukommen. Für Radtouristen ist der Weg das Ziel. Wer sich für einen Urlaub auf zwei Rädern entscheidet, muss keine Koffer packen, nirgendwo einchecken und nicht einmal Frühbucher sein, um Geld zu sparen. Einer der größten Vorteile dieser entspannten Art Ferien zu machen ist nämlich, dass man es fast überall tun kann. Dennoch gibt es natürlich Regionen, wo Fahrradfahren angesichts flacher Landschaften und intakter Natur besonders viel Spaß macht. Und dazu gehört unbestritten die Gegend um Kalbe. Gut ausgebaute Fahrradwege führen hier vorbei an Feldern, die bis zum Horizont reichen, durch lichte Laubwälder hindurch und an kleinen Flüsschen entlang.
Vor allem aber geht hier fast alles im ersten Gang. Schließlich ist die Region rund um die Mildestadt größtenteils flach. Hier muss man nicht schnaufen, hier kann man beim Radeln schauen und staunen. Schließlich bietet sich hinter jeder Kurve ein neuer Blickwinkel. Und wer, wie einst Rotkäppchen, mal ein bisschen vom Weg abweicht, der trifft zwar nicht auf den Wolf - obwohl auch der schon in altmärkischen Gefilden gesichtet wurde - dafür aber auf manch kleine Attraktion am Wegesrand, für die es sich ganz sicher lohnt, auch mal abzusteigen.
Vor dem Aufsteigen auf den Drahtesel, der angesichts der vielen Kilometer technisch möglichst in Ordnung sein sollte, lohnt allerdings zunächst ein Weg ins Stadtzentrum in Kalbe. Genauer zum Rathaus der Mildestadt, das vor kurzem auch saniert wurde und jetzt in frischem Glanze strahlt. Dort, im Erdgeschoss des Hauses, finden Radtouristen im Büro der Touristinformation das, was sie neben Flickzeug, Mückenspray und Wasserflasche für ihre Ausflüge wohl am dringendsten brauchen: eine gute Radwanderkarte.
Und die gibt es natürlich gratis. Unbezahlbar sind aber vor allem die Tipps, die man dort ebenfalls mitnehmen kann. Denn Sigrid Gassel und ihr Team kennen jeden Winkel der Region und können so gezielt beraten.
Denn auch Radler haben natürlich ganz individuelle Wünsche. Will der eine ganz unberührte Natur und absolute Stille erleben, möchte der andere auf seinen Fahrten gern mehr über Architektur und Geschichte der Region erfahren. Für den nächsten wiederum ist es der größte Spaß, Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten, und der vierte freut sich vielleicht besonders auf ein leckeres Essen auf dem Weg. Und selbstverständlich gibt es rund um Kalbe von allem etwas zu sehen und zu erleben.
Dabei kommt es aber auch und vor allem auf die Route an, die der Radler wählt. Immerhin drei ausgewiesene Fahrradtouren existieren derzeit, sagt Tourismusbürochefin Sigrid Gassel. Eine von ihnen, die Tour durch den Kalbeschen Werder - führt nördlich von Kalbe über die Dörfer Vahrholz, Güssefeld, Vietzen, Kahrstedt und Butterhorst wieder zurück in die Mildestadt. Mittendrin liegt Altmersleben mit seinem schmucken Bornholdteich und der Crosstrecke des Motorsportclubs - für alle Zweiradfans, die auch den motorisierten Kollegen mal gern bei ihren Stunts zuschauen. Zudem ist für Geschichtsinteressenten ein Abstecher zum einstigen Marine-Funkstützpunkt Goliath möglich. Der Langwellensender wurde zwischen 1943 und 1945 von der Kriegsmarine betrieben und war seinerzeit der stärkste Sender der Welt. Heute berichtet eine Infotafel vor den Ruinen über seine Geschichte.
Für Pferdefreunde lohnt sich zudem ein Besuch des Reiterhofes Dammkrug in Güssefeld. Hier gibt es, vor allem in den Ferien und an den Wochenenden, immer mal tolle Möglichkeiten, die Gegend vom Pferderücken aus zu erleben.
Die zweite Fahrradroute, die vom Tourismusverein Kalbe empfohlen wird, ist schließlich die Tour durch die berühmte Altmärkische Schweiz. Sie führt von Kalbe aus in Richtung Osten über Winkelstedt und Kakerbeck unter anderem in das idyllische Dörfchen Jemmeritz. Mit seinem schön gelegenen Waldcafé und den hügeligen Wäldern zieht es alljährlich viele Fahrradtouristen an. Und wer bis dahin auf dem Fahrrad ins Schwitzen gekommen ist - schließlich gibt es hier dann doch mal einige Steigungen zu überwinden - kann sich dort an der Wassertretstelle mitten im Wald die Füße in der glasklaren Bäke abkühlen. Denn es lohnt es sich - vielleicht nach einem Abstecher zum Naturlehrweg nach Neu Wernstedt - in Richtung Zichtau weiter zu fahren. Dort gibt es nicht nur ein echtes Waldbad, sondern auch den einstigen Gutshof, auf dem dank Besitzer Hasso von Blücher seit einigen Jahren viele Aktionen und Veranstaltungen stattfinden, die sich oft um Gartenbau oder Kultur drehen. Dort hat auch die Gartenbauakademie Sachsen-Anhalt ihren Sitz.
Zurück nach Kalbe können Radler dann ein Stück auf der Route des berühmten Altmark- rundkurses über Wiepke und Engersen fahren. Letzteres ist das einzige Rundlingsdorf in der Region und hat - wie natürlich viele andere Dörfer auch - eine sehenswerte Kirche.
Toll an der Route durch die Altmärkische Schweiz ist auch das große Angebot an Gaststätten. So können die Fahrradtouristen hier in fast jedem der Dörfer einkehren. Im Gasthaus Kuhstall in Klein Engersenkönnen Gäste nicht nur in einem ehemaligen Stall gemütlich Kaffee trinken, sondern im selben Objekt auch ein kleines Heimatmuseum besuchen.
Neben der Fahrt durch Kalbeschen Werder und Altmärkische Schweiz bietet indes auch die dritte Route schöne Zwischenstopps. Die Start- und Endpunkte der bekannten Milde-Biese-Tour liegen allerdings nicht in der Region Kalbe, sondern in den Nachbargemeinden Gardelegen und Arendsee.
So beginnt die Tour im Süden im Heidedorf Letzlingen, das zu Gardelegen gehört. Wer hier in den Sattel steigt kann zuvor das Letzlinger Jagdschloss im Tudor-Baustil bewundern, in dem sich noch bis 1912 Kaiser Wilhelm II. von seinen Jagdausflügen im Letzlinger Forst ausruhte. Ein Museum, ein Gasthaus und ein Hotel laden dort auch heute noch zum kurzen oder längeren Verweilen ein.
Weiter geht die Reise auf der Milde-Biese-Tour dann in die Hansestadt Gardelegen mit ihrem mittelalterlichen Charme, der schmucken Altstadt, beeindruckenden Stadttoren, dem Roland oder den Wallanlagen, die Teil des Netzwerkes Gartenträume Sachsen-Anhalt sind. Über Lüffingen, Hemstedt und Schenkenhorst führen die weiß-grün-braunen Milde-Biese-Tour-Schilder den Radfahrer schließlich nach Kalbe.
Und die Mildestadt selbst ist mit ihren sprichwörtlichen hundert Brücken natürlich ebenfalls ein beliebter Anlaufpunkt für Fahrradtouristen.
Die mittelalterliche Burg- ruine ist hier eines der beliebtesten Fotomotive. Im vorgelagerten Wachhaus gibt es neben einer ständigen Heimatausstellung fast immer eine Sonderausstellung zu bestaunen, und wer an diesem Wochenende in Kalbe vorbeischaut, kann erleben, wie "die Burg tanzt". Unter diesem Motto wird nämlich von heute bis Sonntag, 15. Juli, das traditionelle Burgfest mit vielen Höhepunkten, wie der Wahl der Blumenkönigin, Burgmesse und dem Entenrennen gefeiert.
Kalbe ist aber natürlich auch der Startpunkt für zahlreiche geführte Radwanderungen durch die Region. So bietet unter anderem Stadtführerin Elisabeth Ozminski Kalbensern, Touristen und auch Patienten der Median-Kurklinik in Kalbe ganz besondere Einblicke in die Region. Sie führt die Radler nämlich nicht nur auf den gut ausgebauten Radwegen entlang, sondern kennt auch die schönsten Plätze neben den Routen, die der Tourismusverein ausgewiesen hat.
Auch sie radelt mit interessierten Teilnehmern zuweilen auf der Milde-Biese-Route entlang. In nördlicher Richtung geht es hier dann weiter über Butterhorst nach Vienau, wo vor allem Tierfreunde auf ihre Kosten kommen können.
Denn das kleine Dörfchen ist der Ausgangspunkt für den bekannten Naturlehrpfad, der als 6,5 Kilometer langer Rundkurs durch das Europäische Vogelschutzgebiet Mildeniederung führt.
Vor allem der Beobachtungspavillon auf dem Aussichtshügel bietet Vogelfreunden einen einmaligen Blick auf die Flachgewässer, die übers Jahr von Enten, Schwänen, Gänsen, Kranichen, Weißstörchen, Kiebitzen, Flussregenpfeifern und dem große Brachvogel bevölkert werden.
Fledermauskeller und Amphibienlaichgewässer sorgen dafür, dass sich auch geschützte Säuger, Kriechtiere und Insekten hier wohlfühlen. Für die Touristen sind nicht nur die prachtvollen Libellen ein Hingucker. Richtig romantisch ist es dort auch nachts. Dann nämlich leuchtet es nur so vor Glühwürmchen. Wer Anfang Juli dort entlangkommt, kann sogar an der traditionellen Glühwürmchenwanderung teilnehmen.
Große Tiere aus verschiedenen Kontinenten sind zudem in der Tier-Oase in Vienau zu bewundern.
Wer genügend Vögel, Vier- Zwei- und Mehrbeiner gesehen und sich im nahen Landgasthof Mehrin gestärkt hat, kann schließlich über den Dolchauer Berg in Richtung Brunau und Packebusch weiterradeln.
Dort verlässt man dann allerdings Kalbe und fährt auf dem Gebiet in Richtung Arendsee weiter.
Der Namensgeber Arendsee bietet dann natürlich außer Radfahren auch noch viele andere sportliche Möglichkeiten. Tauchen, Schwimmen und vieles mehr sind im Arendsee möglich. Dort findet die Milde-Biese-Tour einen erlebnisreichen Abschluss.
Wer dann zurückkehrt ins Hotel oder ins heimische Wohnzimmer, hat ganz ohne Reisevorbereitungen viel erlebt. Und nicht nur das: Ein Urlaub auf dem Rad bietet schließlich auch viele Chancen. Neben der, den Körper mal wieder richtig auf Touren zu bringen, auch die, die eigene Region mal aus einem anderen Blickwinkel kennenzulernen. Denn vom Fahrradsattel aus betrachtet sieht die Altmark noch viel schöner aus als aus jedem Autofenster.